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de Maizière: "10 000 Soldatinnen und Soldaten in zwei großen und in mehreren kleineren Einsatzgebieten" / Buchholz (DIE LINKE): "Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein! Der eine Einsatz, den wir haben, ist schon viel zu viel."

Bundestagsdebatte über die Zukunft der Bundeswehr im Anschluss an die Regierungserklärung des Verteidigungsministers (Wortlaut)


Am 27. Mai 2011 gab Bundesverteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière eine Regierungserklärung zum Stand der Bundeswehrreform ab. Sie verdient größere Beachtung, als darin die politischen Ziele der beabsichtigten Umstrukturierung der Bundeswehr deutlich benannt werden. Auch die sich anschließende Diskussion ist von Interesse, zeigt sie doch einmal den parteiübergreifenden Konsens in Grundsätzen der Neuausrichtung der Bundeswehr als einer "Armee im Einsatz" - gegen den sich lediglich die Fraktion der LINKEN ausspricht.

Wir dokumentieren im Folgenden die Debatte mit allen Redebeiträgen. Es sprachen:

Deutscher Bundestag, 112. Sitzung, Berlin, Freitag, den 27. Mai 2011


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister der Verteidigung zur Neuausrichtung der Bundeswehr

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat nun der Bundesminister der Verteidigung, Thomas de Maizière.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung:





Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Neuausrichtung der Bundeswehr hat begonnen. In der vergangenen Woche habe ich die Eckpunkte dafür und neue Verteidigungspolitische Richtlinien vorgestellt und ausführlich begründet. Am Mittwoch haben wir meine Entscheidungen und Überlegungen in den Verteidigungsausschüssen des Bundestages und des Bundesrates diskutiert. Das werden wir sicher auch weiter tun. Der richtige Ort für die öffentliche Diskussion über die Neuausrichtung der Bundeswehr ist aber natürlich das Plenum des Deutschen Bundestages. Deshalb bin ich für die Möglichkeit dankbar, mit der heutigen Regierungserklärung und der gleich folgenden Aussprache die sicherheitspolitische Debatte in dieses Hohe Haus zu führen.

Wir brauchen diese politische Diskussion; denn ich bin davon überzeugt: Die Neuausrichtung der Bundeswehr geht nicht nur die Bundeswehr an. Gerade eine Armee ohne Wehrpflicht braucht die öffentliche Debatte über sie, und sie braucht öffentliche Unterstützung für die Nachwuchsgewinnung und für die Einsätze.

Die Bundeswehr hat seit ihrer Gründung 1955 einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung des Friedens in Freiheit im geteilten Deutschland geleistet, aber auch zum Frieden in Europa und in der Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie hat auch das Bild eines weltoffenen und seiner Verantwortung bewussten Deutschland mitgeprägt. Dafür war es von Zeit zu Zeit immer wieder notwendig, die sich ändernden Herausforderungen für unsere Sicherheit neu zu bewerten und den Auftrag der Bundeswehr entsprechend neu zu definieren. Jetzt ist es wieder notwendig.

Unsere Bundeswehr ist jetzt so auszurichten, dass sie für die erkennbaren sicherheitspolitischen Herausforderungen von heute gewappnet ist, aber auch für die noch nicht klar erkennbaren Herausforderungen von morgen – so gut es eben geht. Dieses Ziel verbindet uns alle. Es ist eine gute Tradition, dass wir zu den grundlegenden Entscheidungen zur Sicherheitspolitik ein großes Einvernehmen zwischen Regierung und Opposition hatten und haben. Ich will mich auch jetzt darum bemühen – und habe es bereits getan.

Meine Damen und Herren, die Verteidigungspolitischen Richtlinien sind der Ausgangspunkt für die Neuausrichtung. Die Organisation der Bundeswehr folgt ihrem Auftrag und nicht umgekehrt. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien formulieren die sicherheitspolitischen Zielsetzungen und die langfristigen Sicherheitsinteressen Deutschlands deutlich und in klarer Sprache. Auf dieser Grundlage werden die Aufgaben der Bundeswehr festgelegt. Unsere nationalen Interessen wahren, internationale Verantwortung übernehmen und die Sicherheit gemeinsam gestalten – das ist der Anspruch an unsere Politik und an unsere Bundeswehr.

Eigentlich sollte es inzwischen eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir uns über unsere nationalen Interessen im Klaren sind und sie offen vertreten. Es sollte ebenso selbstverständlich sein, dass wir in den internationalen Organisationen – in den Vereinten Nationen, in unserem nordatlantischen Bündnis, in der Europäischen Union – die internationale Verantwortung übernehmen, die wir uns zutrauen, die man uns zutraut und die man von uns erwartet. Das ist mehr, als es bisher in Deutschland bekannt oder wohl auch akzeptiert ist.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)

Unsere nationalen Sicherheitsinteressen ergeben sich aus unserer Geschichte, unserer geografischen Lage, den internationalen Verflechtungen unseres Landes und unserer Ressourcenabhängigkeit als Hochtechnologieland und rohstoffarme Exportnation. Auch Bündnisinteressen sind meist zugleich unsere nationalen Sicherheitsinteressen. Sicherheit für unser Land zu gewährleisten, bedeutet heute insbesondere, Auswirkungen von Krisen und Konflikten möglichst auf Distanz zu halten und sich aktiv an deren Vorbeugung und Einhegung zu beteiligen. Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Militärische Einsätze ziehen weitreichende Folgen nach sich, auch politisch. Das muss man vor jedem Einsatz bedenken. Auch das Ende muss man bedenken. Daher ist in jedem Einzelfall eine klare Antwort auf die Frage notwendig, inwieweit die unmittelbaren oder mittelbaren Interessen Deutschlands oder eben auch die Wahrnehmung internationaler Verantwortung den jeweiligen Einsatz erfordern und rechtfertigen, aber auch, welche Folgen die Entscheidung hat, nicht an einem Einsatz teilzunehmen. Wir bleiben dabei zurückhaltend und verantwortungsvoll – in jede Richtung.

Unsere Soldatinnen und Soldaten in den Auslandseinsätzen sind hervorragende Repräsentanten unseres Landes. Sie sind gerade auch mit ihrer Uniform sichtbarer Ausdruck der Tatsache, dass wir unseren Beitrag zu Frieden und Sicherheit in der Welt leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Im Grundgesetz steht:

Eigentum verpflichtet.

Das ist, wenn Sie so wollen, die Kurzformel für die soziale Marktwirtschaft. Auf die internationale Politik übertragen, heißt das: Wohlstand verpflichtet. Daraus erwachsen auch internationale Verantwortung und Solidarität, und das kann auch heißen: Beteiligung an internationalen Einsätzen aus internationaler Verantwortung. Wir haben den Anspruch, ein souveräner, starker und verlässlicher Partner im Bündnis, in Europa und in der Welt zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir erfüllen diesen Anspruch. Das umfassende Engagement der Bundeswehr etwa im Kosovo steht beispielhaft dafür, dass es Deutschland mit seiner internationalen Verantwortung ernst meint. Durch den vernetzten Einsatz von zivilen und militärischen Mitteln haben wir den Menschen auf dem Balkan nicht nur Frieden gebracht, sondern tragen wir auch weiterhin zur Stabilität der Region bei. Der Einsatz im Kosovo zeigt, wie wichtig es ist, Streitkräfte zum richtigen Zeitpunkt und in geeigneter Weise zum Einsatz zu bringen.

Die Wahrung unserer nationalen Interessen und die Wahrnehmung unserer internationalen Verantwortung ist nicht eine Aufgabe für die Bundeswehr alleine. Der Einsatz von Streitkräften muss nicht immer als zeitlich letztes Mittel erfolgen. Er darf aber immer nur dann erfolgen, wenn es keine geeigneteren Mittel gibt, um den Einsatzauftrag zu erfüllen.

Das Konzept der vernetzten Sicherheit setzt konsequent auf einen ressortgemeinsamen Einsatz. Wer zur internationalen Sicherheit beitragen will, kann dies nur, wenn die Instrumente richtig aufgestellt sind und ineinandergreifen. Wer etwa einen von inneren Konflikten geschundenen Staat stabilisieren will, kann nicht in erster Linie nur Soldaten einsetzen, sondern muss vielmehr auch Entwicklungshelfer, Lehrer, Richter und Polizeiausbilder sowie Wirtschaftsförderer zum Einsatz bringen.

Als ich in New York war, hat mich der Satz eines UN-Botschafters eines großen Staates sehr bewegt, der gesagt hat: Wir bekommen heutzutage in der Welt in ein Krisengebiet leichter zwei schwere Kampfbataillone als zehn Richter. – Denken wir einmal über diesen Satz nach, darüber, was dies eigentlich bedeutet und ob wir nicht, was vernetzte Sicherheit angeht, noch etwas weiter denken müssen.

Über die Mandate der Bundeswehr entscheidet der Deutsche Bundestag. Wer einen Auftrag erteilt und ein entsprechendes Mandat beschließt, der übernimmt Verantwortung. Verantwortung zu tragen, heißt dann auch Mitsorge und Fürsorge für die Bundeswehr, ihre zivilen Mitarbeiter und die Soldaten. Die verfassungsrechtlich gebotene Einbindung des Deutschen Bundestages für die Entscheidung über den Einsatz deutscher Streitkräfte bleibt wichtig. Sie stärkt auch die Soldaten im Einsatz. Zu speziell oder zu eng sollten die Mandate allerdings nicht formuliert sein. Die Soldaten vor Ort müssen lageangepasst verantwortlich entscheiden können.

Ziel der Neuausrichtung ist es, dass wir über eine leistungsfähige Bundeswehr verfügen, die der Politik ein möglichst breites Spektrum an Handlungsoptionen bietet und mitten in der Gesellschaft verankert bleibt. Die Aufgaben der Bundeswehr sind vielfältig: die Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO, die internationale Konfliktverhütung und Konfliktbewältigung im Rahmen der Vereinten Nationen, die militärische Beteiligung im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, die Rettung und Evakuierung deutscher Staatsbürger einschließlich der Geiselbefreiung im Ausland, Einsätze im Rahmen der humanitären Hilfe sowie Unterstützung bei heimischen Katastrophen und Heimatschutz. Das ist ein breites Aufgabenspektrum.

Krisen und Konflikte unterscheiden sich in ihren Anforderungen und treten meist kurzfristig und leider oft unvorhergesehen auf. Um sie eindämmen und lösen zu können, müssen wir in der Lage sein, auch über große Distanzen hinweg schnell und variabel einzugreifen. Ein dem entsprechendes Fähigkeitsprofil können unsere Streitkräfte jedoch heute noch nicht vorweisen.

Die Bundeswehr ist zudem strukturell unterfinanziert für die Aufgaben, die ihr gestellt sind. Sie verfügt nicht über ausreichende Mittel, nicht über ausreichende Fähigkeiten und nicht über optimale Führungsstrukturen, um ihre Aufgaben effizient zu erfüllen. Unser Ziel ist deshalb eine Bundeswehr, die ihren Auftrag mit den Mitteln, die sie hat, erfüllen kann, eine Bundeswehr, die nachhaltig finanziert ist, und eine Bundeswehr, deren Personalplanung demografiefest ist, also Rücksicht nimmt auf das, was an Menschen da ist.

Wir setzen auf ein breites Fähigkeitsprofil der Bundeswehr. Das neue Fähigkeitsprofil gibt eine Antwort auf die Frage, was wir können wollen, nachdem die Sicherheitspolitik die Antwort auf die Frage gegeben hat, was wir wollen können.

Es ist unsere nationale Zielvorgabe, langfristig zeitgleich rund 10 000 Soldatinnen und Soldaten in zwei großen und in mehreren kleineren Einsatzgebieten flexibel und durchhaltefähig für Einsätze im Rahmen des internationalen Krisenmanagements bereitstellen zu können. Das nennt man den internationalen „Level of Ambition“. Für den Schutz der Heimat halten wir ausreichend Kräfte bereit. Zusätzlich setzen wir auf unsere Reservisten. Ihre Aufgabe wird wichtiger denn je. Insgesamt soll die Bundeswehr künftig über eine Personalstärke von bis zu 240 000 Angehörigen verfügen, davon bis zu 185 000 Soldaten und 55 000 zivile Mitarbeiter.

Zur Zahl der Soldaten. Wir planen 170 000 Berufsund Zeitsoldaten ein, plus rund 5 000 freiwillig Wehrdienstleistende. Es können bis zu 10 000 weitere freiwillig Wehrdienstleistende hinzukommen. Sie kennen die Formel, die ich in der letzten Woche so zusammengefasst habe: 170 plus 5 plus x. Ich freue mich, wenn über die 5 000 eingeplanten weitere 10 000 freiwillig Wehrdienstleistende hinzukommen. Aber ich möchte mit Blick auf die Bevölkerungsentwicklung lieber sicher planen und Erwartungen übertreffen, als Erwartungen nicht erfüllen.

Auch das Ministerium ordnen wir neu. Wir straffen Hierarchieebenen, verringern die Zahl der Ministeriumsmitarbeiter von jetzt über 3 000 auf dann nur noch rund 2 000. Damit wir diese Ziele erreichen, müssen wir gleichzeitig Personal halten, Personal gewinnen und Personal abbauen. Das wird nicht leicht. Das erfordert neue Ansätze und Ideen in der Nachwuchsgewinnung, beim Personalumbau und auch beim Personalabbau. Das gilt umso mehr mit Blick auf die Tatsache, dass wir gleichzeitig den Umbau zu einer reinen Freiwilligenarmee zustande bringen müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Neuausrichtung der Bundeswehr beginnt. In den nächsten sechs bis acht Jahren wird sich die Bundeswehr stärker verändern, als dies vielen heute vielleicht schon bewusst ist. Wir wollen, dass die Hauptveränderungen in den nächsten zwei Jahren stattfinden werden.

Die Bundeswehr setzt alles daran, ihre starke Bindung in die Gesellschaft auszubauen. Dazu setzen wir auch auf unsere Reservisten als Staatsbürger in Uniform. Das Angebot des freiwilligen Wehrdienstes ist nur ein Beispiel dafür, dass auch die neue Bundeswehr das vertritt, was unsere Soldatinnen und Soldaten heute schon auszeichnet: die Bereitschaft zum Einsatz für andere und die Bereitschaft zum Dienst für unser Land als Staatsbürger in Uniform.

Vergessen wir nicht: Während wir hier in Berlin über die Neuausrichtung der Bundeswehr diskutieren, erfüllen Soldaten der Bundeswehr gleichzeitig weiterhin die bestehenden Einsatzverpflichtungen – in Afghanistan, im Libanon, auf dem Balkan, in Afrika und an anderen Orten weltweit. Diese Einsätze und das Tagesgeschäft können nicht ruhen, während wir die Neuausrichtung der Bundeswehr planen. Auch das muss gleichzeitig erfolgen.

Unsere Soldatinnen und Soldaten leisten bei der Erfüllung der von uns erteilten Mandate einen hervorragenden Dienst, häufig unter Einsatz ihres Lebens und Gefahren für ihre Gesundheit. Heute gedenken wir deswegen besonders des vor zwei Tagen gefallenen Kameraden und seiner Angehörigen.

Meine Damen und Herren, dass unsere Streitkräfte vollumfänglich in der Lage sind, zu kämpfen, ist auch die Maßgabe dafür, ob unsere Bundeswehr einsatzbereit ist. Die Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr wiederum ist die Maßgabe dafür, ob wir als Deutscher Bundestag unserer Verantwortung nachkommen – gegenüber den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes und gegenüber den Freunden und Partnern in der Welt.

Die Umsetzung beginnt. Der Grund ist gelegt. Die Feinplanung ist in Arbeit. Im Herbst lege ich die Details zu den Fähigkeiten der Bundeswehr im Einzelnen, zum neuen Personalsoll und das Stationierungskonzept vor. Mit der Verabschiedung des Haushalts in diesem Sommer besteht dann auch im Detail Klarheit über die Finanzierung.

Wir können diesen Auftrag am besten erfüllen, wenn wir ihn gemeinsam wahrnehmen: Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Bundesrat und die deutsche Öffentlichkeit. Die Bundeswehr reicht der Öffentlichkeit die Hand. Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit diese Hand annimmt und gemeinsam daran arbeitet, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr gelingt. So dienen wir Deutschland, so schützen wir die Menschen in unserem Land, so sorgen wir für unsere Sicherheit.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen Rainer Arnold für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Rainer Arnold (SPD):

Herr Präsident! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen! Herr Minister, es ist gut, dass mit Ihrer Amtsübernahme ein Stück weit Vernunft und Sachlichkeit in die Arbeit zurückgekehrt sind. Seither wird noch deutlicher, wie oberflächlich vor Ihrer Amtsübernahme leider monatelang mit dem ernsten Thema Bundeswehr umgegangen wurde.

(Beifall bei der SPD)

Hier geht es für uns um etwas ganz Wichtiges: Parlamentsarmee bedeutet, dass sich alle Fraktionen, Regierungskoalition und Opposition, der gemeinsamen Verantwortung für die Soldaten stellen, die wir miteinander in gefährliche und schwierige Einsätze entsenden. Diese gemeinsame Verantwortung wird gerade auch in diesen Tagen sehr deutlich, wenn wir an die Familie denken, die ihren Sohn verloren hat, und an die anderen Familien, die hoffen, dass ihre Kinder bald wieder genesen.

Die Bundeswehr leistet eine gute Arbeit. Wir sollten bei der Reformdebatte nicht so tun, als ob man mit allem neu beginnen müsste. Bei der Bundeswehr gibt es viel Vernünftiges; es ist ein Niveau, das sich im Vergleich zu unseren internationalen Partnern wirklich sehen lassen kann. Trotzdem ist es richtig: Es muss immer wieder neu bedacht werden, inwieweit sich die Welt verändert hat und die Herausforderungen, auch für die Truppe, neue und andere sind. Wir wissen aber auch: Die Debatte der letzten Monate dauert eigentlich schon ein wenig zu lang; sie schlägt natürlich auch auf die Motivation der Soldaten durch, die jetzt dringend Klarheit für sich und ihre Familien brauchen.

Herr Minister, ich finde es gut, dass Sie hier eine Debatte über nationale Interessen und die Legitimation von Einsätzen führen. Wir nehmen daran gerne teil. Ich glaube, das ist in Deutschland in der Vergangenheit zu kurz gekommen. Dazu gehört aber noch etwas anderes: Es muss deutlich werden, dass Sicherheitspolitik und Verantwortung für die Streitkräfte eben nicht nur Sache der Verteidigungspolitik sind, sondern die gesamte Regierung hier in der Verantwortung steht. Wenn man genau zugehört hat, hatte man den Eindruck: Vieles von dem, was Sie gesagt haben, ist eigentlich Aufgabe des Außenministers. Es wäre auch Aufgabe der Kanzlerin, in den internationalen Organisationen das Gewicht Deutschlands einzubringen und Prozesse anzustoßen. Dazu ist diese Regierung in den letzten Monaten leider in keiner Weise in der Lage gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir über die Legitimation von Einsätzen reden, ist es sicherlich richtig: Deutschland hat als wirtschaftsstarkes Land eine ethische Verantwortung. Es kann nicht einfach zuschauen, wenn in der Welt Völkermord stattfindet – das ist richtig –, und natürlich haben wir wohlverstandene Stabilitätsinteressen. Das bedeutet allerdings auch, dass man nicht immer Ja sagt, und das bedeutet, dass man sich vor dem Hintergrund dieser Stabilitätsinteressen insbesondere der Umbruchsituation im nördlichen Afrika in anderer Art und Weise stellt, als die Bundesregierung dies in den letzten Wochen getan hat.

Natürlich kann man auch über wohlverstandene Wirtschaftsinteressen reden. Das heißt nicht, dass sie gegen andere gerichtet sind, sondern das bedeutet vielmehr: Stabilität als Voraussetzung für fairen Handel, von dem die Menschen in Deutschland, aber auch in den Ländern, mit denen wir handeln, große Vorteile haben. Das ist damit gemeint. Dann ist das auch in Ordnung.

Sie haben etwas Neues hinzugefügt. Sie haben gesagt: Dieses reiche Land muss möglicherweise auch ohne unmittelbare Interessen agieren. – Ja. Ich glaube aber nicht, dass Deutschland in diesen Fällen keine Interessen hat. Deutschland hat ein Interesse daran, internationale Prozesse wirklich gestalten zu können. Auch das ist ein wohlverstandenes Interesse. Erinnern wir uns daran, dass wir Soldaten nach Osttimor geschickt haben. Osttimor liegt nicht vor unserer Haustür. Damals hatten wir großes Interesse an der Beilegung des Konfliktes. Es muss weiterhin unser Ziel sein, die Idee der Vereinten Nationen zu stärken, dass das Gewaltmonopol ausschließlich bei den Vereinten Nationen liegt. Deshalb war der Einsatz in Osttimor legitim. Das ist eine richtige und sinnvolle Debatte.

Es gibt noch ein paar weitere positive Dinge, die ich nennen möchte, bevor ich zu der eigentlichen Oppositionsaufgabe komme und die kritischen Punkte herausstelle. Herr Minister, Sie haben sich die Struktur des Ministeriums genau angeschaut und ein paar gravierende Fehler, die Ihr Vorgänger begangen hat, korrigiert. Das ist in Ordnung. Wenn in einem Ministerium manche Dinge nicht gut laufen, liegt das meistens nicht an den Mitarbeitern, sondern an den Strukturen, die Politik vorgegeben hat und die sie selbstverständlich auch wieder ändern kann. Wir unterstützen Sie auf dem Weg, die Entscheidungsprozesse im Ministerium zu straffen.

Zu den Verteidigungspolitischen Richtlinien. Was hat sich in der Welt eigentlich verändert? In den letzten zwei, drei Jahren doch nicht so viel. Deshalb enthalten die Verteidigungspolitischen Richtlinien auch nicht so viel Neues; Sie brechen vielmehr das Weißbuch der alten Bundesregierung auf die Verteidigungspolitischen Richtlinien herunter. Geändert hat sich eigentlich nur, dass wir erkannt haben: Der Einsatz in Afghanistan ist viel schwieriger, als wir uns das am Anfang vorgestellt haben. Ebenfalls geändert hat sich, dass die Schuldenbremse uns alle zwingt, ein Stück weit auf die Haushaltssituation zu achten.

Die Verteidigungspolitischen Richtlinien weisen aber auch ein Defizit auf. Bisher war die Feststellung, dass Deutschland im Rahmen der internationalen Politik Motor der Rüstungskontrolle und Abrüstung ist, ein wichtiger Punkt in den VPR. Wir finden es sehr bedauerlich, dass sich das in dem neuen Buch nicht wiederfindet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien kann der Umfang der Streitkräfte nicht abgeleitet werden. In Wirklichkeit beinhaltet diese Reform nichts anderes als die Aussetzung der Wehrpflicht und eine deutliche Reduzierung des Personalkörpers. Dies steht bis zum heutigen Tag im Mittelpunkt der Reform.

Diese Reform ist auch nicht in erster Linie sicherheitspolitisch getrieben; sie ist nun mal fiskalisch getrieben. Dies war der Auslöser. Herr Minister, Sie sind in eine Falle getreten, die Sie selbst mit aufgestellt haben. Die Bundeswehr hat entsprechend der laufenden Haushaltsplanung von Jahr zu Jahr Sparmaßnahmen im Umfang von 700 Millionen Euro zu erbringen. Hinzu kommen Preissteigerungen und Betriebskostensteigerungen. Dann hat diese Regierung gesagt: Wir müssen auf das bereits geplante Sparvolumen noch einmal 8,3 Milliarden Euro draufsatteln. – Herr Minister, Sie haben dem zugestimmt. Ich sage Ihnen: Das ist eine Luftbuchung. Das ist angesichts dessen, was Sie vorsehen, überhaupt nicht realisierbar. Vor allen Dingen finde ich es nicht in Ordnung, dass Sie dieses Problem der nächsten Bundesregierung vor die Tür legen;

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das sind wir, Mensch! Der schafft wieder unsere Probleme hier!)

denn erst dann werden die Probleme deutlich zutage treten.

Herr Minister, Sie haben ein zweites Problem. Am letzten Mittwoch haben Sie die Erwartung geweckt, Sie würden die Öffentlichkeit und die Soldaten endlich darüber informieren, wie Sie das fiskalische Loch auffüllen wollen. Darauf haben alle gewartet. Ihre erste Reaktion aber war, zu sagen: Ich verstehe mich gut mit dem Finanzminister. – Das ist prima, das glauben wir Ihnen auch. Ihre zweite Antwort war: Das regeln wir in der Haushaltsdebatte. – Das regeln wir jedes Jahr in der Haushaltsdebatte, das ist etwas ganz Normales. Sie kommen nicht weiter, weil Sie einen Koalitionspartner haben, dem Sparen um jeden Preis wichtiger ist als eine verantwortungsvolle Sicherheitspolitik, und zwar deshalb, weil Steuersenkungen nach wie vor im Mittelpunkt der FDP-Politik stehen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wenn jetzt einige Kollegen von der CSU schreien, muss ich Sie daran erinnern: Sie dürfen nicht klagen, dass Standorte geschlossen werden, wenn Sie gleichzeitig der Auffassung sind, dass die Senkung der Steuern für Ihre Hoteliers in Bayern wichtiger ist als eine seriöse Finanzausstattung der Bundeswehr.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, unsere Erwartung ist: Finanzieren Sie die Bundeswehrreform seriös. Wenn dies nicht gelingt, werden die Soldaten kein Vertrauen in weitere Reformschritte haben, und ohne Vertrauen werden Sie die notwendige Motivation nicht erzeugen können.

Lassen Sie mich auch etwas zum Umfang der Bundeswehr sagen, Herr Minister. Sie sprachen von 170 000 Zeit- und Berufssoldaten. Das ist knapp, das ist auf Kante genäht. Ich glaube, das wissen alle. Aber wir können da mitgehen – allerdings unter einer Voraussetzung: Die Zahl muss eindeutig und klar sein. Dahin gehend bitten wir Sie um Korrektur. Sie beziehen bei den 170 000 Zeit- und Berufssoldaten auch die Reservisten ein, ohne auszuweisen, um wie viele Zeit- und Berufssoldaten bzw. Reservisten es sich dabei handelt. Das entspricht eigentlich nicht Ihrer sonstigen Vorgehensweise. Unsere Bitte ist, bei den 170 000 Zeit- und Berufssoldaten, wie bisher, die Reservisten getrennt auszuweisen, und zwar mit Dienstposten. Das ist notwendig und wäre auch richtig.

Herr Minister, Sie sprachen davon, dass die Bundeswehr mitten in der Gesellschaft bleiben soll. Ja, das ist unser gemeinsames Anliegen und entspricht unserem Bild von Streitkräften in der Demokratie. Dazu braucht die Bundeswehr nicht nur eine große Zahl von Köpfen, sondern sie braucht vor allen Dingen die richtigen Menschen bei den Streitkräften. Das ist die große Herausforderung.

Hier machen Sie einen weiteren Fehler, Herr Minister. Es gab die richtige Idee, mit der Aussetzung des Wehrdienstes einen freiwilligen Wehrdienst einzuführen. Damit könnte es uns wie bisher gelingen, die gesamte gesellschaftliche Breite anzusprechen und junge Menschen aus allen sozialen Schichten für die Bundeswehr zu gewinnen. Die Zahlen sehen im Augenblick eher positiv aus. Da hatten Sie im Verteidigungsausschuss recht, Herr Minister; wir haben uns von den Zahlen überzeugt. Bei den jungen Menschen ist die Bereitschaft für den Freiwilligendienst vorhanden. Leider wird dieses Projekt von der Regierung in der ganzen Breite der Jugendfreiwilligendienste, von der Bundeswehr bis hin zum sozialen Bereich, völlig unengagiert und uninspiriert angegangen. Den jungen Menschen wird lediglich ein liebloser Brief bzw. ein Flyer zugeschickt. Das reicht nicht aus. Es muss ein Projekt der Politik werden, Jugendfreiwilligendienste attraktiv zu machen, und zwar sowohl ideell als auch materiell. Unser dringender Rat lautet: Werfen Sie einen Blick in die Bundesländer. Schauen Sie sich beispielsweise die guten Vorschläge aus Rheinland-Pfalz an.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Oijoijoi!)

Sie brauchen die Bundesländer, wenn Sie diese Idee ins Bildungssystem implementieren wollen. Sie brauchen ebenso den Städte- und Gemeindetag, um aus dieser grundsätzlich guten Idee eine Anerkennungskultur zu entwickeln.

Aber nichts passiert, Herr Minister. Das mangelnde Engagement erkennt man an dem, was Sie selbst vorgetragen haben. Die ursprüngliche Idee war es, 15 000 Dienstposten zu schaffen. Diese Zahl haben Sie bereits auf 5 000 reduziert, und jetzt warten Sie ab, ob noch mehr dazukommen. Nein, Herr Minister, Sie müssen 15 000 Freiwillige wollen und alles dafür tun, dass sie auch kommen. Das ist Ihre Aufgabe.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb muss auch an dieser Stelle nachjustiert werden.

Das Wichtigste in den nächsten Jahren aber wird sein, den Soldatenberuf unter veränderten demografischen Voraussetzungen und einer veränderten Wirtschaft mit mehr Wettbewerb um die klugen jungen Leute attraktiv zu halten. In einer Schublade im Ministerium liegen seit Jahren 82 Vorschläge für ein Attraktivitätsprogramm. Wir erwarten nicht, dass diese über Nacht umgesetzt werden. Wir erwarten aber, dass Prioritäten gesetzt werden und dass den Soldaten und den potenziellen Bewerbern genau erklärt wird, welche Attraktivitätsschritte in den nächsten Jahren unternommen werden. Das wird Geld kosten; das gehört zur Wirklichkeit. Wenn wir dieses Attraktivitätsprogramm jetzt nicht aufs Gleis setzen, werden wir in 10 bis 15 Jahren vielleicht noch die ausreichende Zahl von Köpfen bei der Bundeswehr haben, wir werden jedoch eine andere Bundeswehr haben. Wir werden nicht mehr die Bundeswehr haben, auf die wir so stolz sein können, weil sie die Prinzipien vom Staatsbürger in Uniform und der Inneren Führung durchgängig von den Generälen bis zu den Mannschaften lebt und versteht. Daher ist die Attraktivitätssteigerung für uns die zentrale Herausforderung.

Letzter Punkt. Herr Minister, kürzen Sie die Zahl der Zivilbeschäftigten nicht so stark wie vorgesehen! Bei allen Armeen, die ihre Streitkräfte verkleinert haben, zum Beispiel Frankreich, Großbritannien und die USA, hat sich deutlich gezeigt: Je weniger Soldaten es gibt, umso mehr Unterstützung durch zivile Mitarbeiter – vor allen Dingen im anspruchsvollen technischen Bereich – ist notwendig. Überdenken Sie diese Zahlen noch einmal. Wir haben den Eindruck, dass es hier nur um eine Schätzung geht und es keine seriöse Planung gibt. Wenn Sie zu sehr kürzen, werden Sie am Ende merken, wie notwendig die zivilen Beschäftigten sind.

Lassen Sie mich zum Schluss Ihr Angebot annehmen.

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Sie müssen wirklich zum Schluss kommen, Herr Kollege.

Rainer Arnold (SPD):

Ich komme zum Schluss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Minister, wenn Sie an diesen Stellen nachjustieren, kann es in der Tat so sein, dass die Sozialdemokraten diese Reform am Ende politisch mittragen; aber die von mir skizzierten Punkte sind unabdingbar. Ich glaube, die Reform würde besser, wenn Sie hier zuhören; sie würde besser für unsere Gesellschaft, für deutsche Sicherheitsinteressen und auch für die Soldaten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollegin Elke Hoff für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Elke Hoff (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, lassen Sie auch mich zu Beginn meiner Rede Ihnen im Namen der FDP-Fraktion unsere herzliche Anteilnahme am Tod eines jungen Hauptmannes im Einsatz zum Ausdruck bringen. Auch wir sind in Gedanken bei der Familie, den Angehörigen und den Freunden.

Ich glaube, es wird in dieser schwierigen Zeit in Afghanistan nicht das letzte Mal sein, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen. Deswegen ist es so wichtig, dass Sie heute in dieser Debatte einen Akzent gesetzt haben, der über den Alltag hinausgeht. Wir diskutieren heute nicht nur darüber, wie die Strukturen der Bundeswehr in Zukunft aussehen sollen, wir diskutieren auch nicht nur über die Wehrform oder über die Attraktivität der Streitkräfte, sondern wir diskutieren auch über das veränderte sicherheitspolitische Umfeld weltweit, in das wir unsere Streitkräfte in den nächsten Jahren entsenden werden.

Sie haben mit der Vorlage der Verteidigungspolitischen Richtlinien etwas getan, das von vielen Soldatinnen und Soldaten im Einsatz in Gesprächen vor Ort immer wieder gefordert wird: Erklärt uns, warum wir vom Deutschen Bundestag in einen Einsatz geschickt werden! – Ich glaube, es ist sehr wichtig, an dieser Stelle zu erwähnen, dass die zukünftigen Herausforderungen in der Sicherheitspolitik weit von dem entfernt sind, wofür die Streitkräfte seinerzeit in der Bundesrepublik Deutschland aufgestellt worden sind. Die Sicherheitslage hat sich verändert; der symmetrische Krieg von damals hat sich zu einer asymmetrischen Herausforderung entwickelt. Das bedeutet, dass auch die Herausforderungen für unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz mehr denn je davon abhängen, welche Rückendeckung sie von der Politik haben und wie klar der Auftrag ist, mit dem sie in Einsätze gesendet werden.

Meines Erachtens müssen wir auch viel intensiver darüber diskutieren, dass die Zivilbevölkerung in den jeweiligen Krisengebieten immer mehr zum Mitstreiter, zur Zielgruppe, zur Partei, zum Beteiligten in Konflikten wird. Das heißt, unsere Soldatinnen und Soldaten werden in ein Umfeld geschickt, das unklar ist. Die Fähigkeiten, die sie in Zukunft brauchen werden, dürfen daher nicht allein den Umgang mit militärischem Gerät beinhalten. Sie müssen weitere Qualifikationen haben, zum Beispiel kulturelle Kompetenz, Sprachfähigkeiten und die Fähigkeit, sich mit zivilen Beschäftigten vor Ort zu vernetzen. Sie müssen auch den vernetzten Ansatz, den Sie hier mit Recht deutlich hervorgehoben haben, voranbringen. Das bedeutet aber auch, dass wir nicht nur das militärische Portfolio und das militärische Spektrum eines Einsatzes der Bundeswehr festlegen, sondern weit darüber hinausgehen müssen. Ich darf an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung machen: Ich glaube, dass wir über kurz oder lang nicht an der Definition einer nationalen Sicherheitsstrategie vorbeikommen werden,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

weil die Herausforderungen ungleich größer werden.

Wir müssen uns auch damit befassen, die Legitimation zukünftiger Einsätze der Bundeswehr durch zwei wichtige Komponenten zu ergänzen: Erstens bedarf es der Legitimität der Zivilbevölkerung im Einsatzland, zweitens aber auch der Unterstützung und der Legitimität der entsendenden Nation. Das heißt, die Erklärung, warum wir uns an einem Einsatz beteiligen, ist meines Erachtens wichtiger und notwendiger denn je, insbesondere dann, wenn das, was Sie, Herr Minister, vorgetragen haben, zutrifft: wenn ein originäres nationales Interesse möglicherweise nicht so klar zu definieren ist, wie es in der Vergangenheit der Fall war.

Wir müssen uns darüber klar sein, dass wir in Zukunft auf internationaler Ebene auch über die Frage diskutieren müssen: Wie definieren wir den Status eines Kombattanten? Neue Technologien und neue Herausforderungen führen dazu, dass die Zivilisierung auch militärischer Fähigkeiten immer weiter voranschreitet. Die Frage „Was sind die Sicherheitsherausforderungen des 21. Jahrhunderts?“ geht weit über das hinaus, worüber wir hier und heute in Bezug auf die zukünftige Struktur der Bundeswehr diskutieren.

Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, an dieser Stelle darauf einzugehen. Sie haben klugerweise immer wieder darauf hingewiesen, dass die Reform der Struktur der Streitkräfte nicht nur in finanzieller Hinsicht und nicht nur durch die bestehenden Herausforderungen determiniert ist, sondern auch durch die demografische Entwicklung. Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich in Zukunft nicht mehr so viele junge Männer und Frauen für den Dienst an der Waffe entscheiden werden, wie es in der Vergangenheit der Fall war.

Vor diesem Hintergrund kommt der Attraktivität des Soldatenberufes eine erhebliche Bedeutung zu. Die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung haben sehr klare Vorstellungen davon, wie die Attraktivität der Bundeswehr gesteigert werden kann. Ich glaube, dass auch die Opposition bereit ist, sich konstruktiv in diese Diskussion einzubringen und die notwendigen Entscheidungen im Sinne der Bundeswehr und der deutschen Sicherheitspolitik mitzutragen. So habe ich Sie, Herr Kollege Arnold, trotz aller Kritik, die Sie geäußert haben, verstanden.

Wir diskutieren heute nicht zum letzten Mal darüber, wie die Bundeswehr der Zukunft aussieht. Für meine Begriffe müsste die heutige Diskussion eigentlich der Beginn einer breiten sicherheitspolitischen Debatte sein. Wir dürfen nicht den Fehler machen, lediglich zum Ausdruck zu bringen: Ja, wir werden die Bundeswehr in Zukunft in internationale Einsätze schicken. – Das reicht nicht aus. Wir müssen uns auch fragen: Kann sie das leisten? Können wir die notwendigen zivilen und militärischen Fähigkeiten überhaupt bereitstellen? Wann überfordern wir unser eigenes Gemeinwesen, wenn es darum geht, in Konfliktregionen dieser Welt zu intervenieren und sich dort einzusetzen? Ich glaube, dass wir es nicht nur uns selbst, sondern auch der Bevölkerung schuldig sind, ganz klar zu sagen, was wir können und was wir nicht können.

Wir haben in letzter Zeit, gerade in der Diskussion über Libyen, viel über „responsibility to protect“ gesprochen. Das klingt sehr gut, und das ist ein hehrer moralischer Anspruch. Dennoch sollten wir gleichzeitig auch an „ability to protect“ denken. Verfügen wir tatsächlich über die notwendigen Fähigkeiten? Wenn es um den Einsatz unserer Streitkräfte geht, dürfen wir nicht Emotionen zur Grundlage unserer Entscheidung machen. Es darf nicht so sein, dass wir dort tätig werden, wo die meisten Fernsehbilder entstehen und wo die mediale Aufmerksamkeit am größten ist. Vielmehr müssen wir bei unserer Entscheidung bedenken: Wo haben wir ein Interesse? Wo können wir helfen? Haben wir die Mittel? Was ist das Ziel, was soll am Ende herauskommen? Es ist nämlich leichter, einen militärischen Konflikt zu beginnen, als ihn zu beenden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich glaube, dass wir unseren Soldatinnen und Soldaten schuldig sind, sehr genau zu erwägen, in welches Szenario wir sie schicken, weil sie es am Ende sind, die den ultimativen Preis dafür bezahlen müssen, wenn wir eine sicherheitspolitische Fehleinschätzung vorgenommen haben.

Ich möchte meine Rede mit den Worten des berühmten chinesischen Generals und Militärphilosophen Sun Tzu beenden. Er hat gesagt:

Die Kunst des Krieges ist für den Staat von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine Angelegenheit von Leben und Tod, eine Straße, die zur Sicherheit oder in den Untergang führt. Deshalb darf sie unter keinen Umständen vernachlässigt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Paul Schäfer für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist man froh, wenn ein Bundesminister der Verteidigung sich seriös und weniger glamourös präsentiert.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber nicht auf die Inszenierung, auf die Inhalte kommt es an, und die sind falsch – bei zu Guttenberg wie bei de Maizière.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister, Sie wollen eine Armee, die weltweit einsetzbar ist, die im Zweifelsfall auch Krieg führen soll und die auch ein Instrument durch Durchsetzung machtund wirtschaftspolitischer Interessen sein kann. Das alles halten wir für falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie reden, Herr Minister, von einer Neuausrichtung der Bundeswehr. Doch davon kann überhaupt keine Rede sein. Sie setzen den unter SPD und Grünen begonnenen Umbau der Bundeswehr zur Einsatzarmee fort. Eine wirkliche Reform müsste innehalten und eine kritische, schonungslose Bilanz der Auslandseinsätze ziehen. Daraus müssten Schlüsse gezogen werden. Aber genau das tun Sie nicht. Die Bundeswehr ist seit zehn Jahren im Einsatz im Afghanistan. Ein Ende ist nicht absehbar. Die Sicherheitslage hat sich von Jahr zu Jahr verschlechtert. Die Zahl der Toten steigt kontinuierlich. Für den Einsatz wird eine Riesenmenge an Geld und Ressourcen benötigt. Deshalb kann man sagen: Afghanistan ist keine Blaupause für künftige Bundeswehreinsätze; es ist ein abschreckendes Beispiel.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Lektion lautet: Man kann mit militärischen Mitteln den Terrorismus nicht schlagen und auch keine Nationen aufbauen. Aber Sie machen weiter, haben jetzt sogar noch Pakistan als möglichen neuen Einsatzort ins Gespräch gebracht. Da wird einem angst und bange.

Die Grundrichtung stimmt nicht. Sie wollen die Personalstärke der Streitkräfte zwar verringern; aber den Anteil der Soldatinnen und Soldaten, die dauerhaft in Auslandseinsätzen kämpfen können, wollen Sie noch erhöhen. Wofür? Wozu? Unter welchen Voraussetzungen? Das bleibt unklar, Hauptsache: allzeit bereit – und das weltweit.

Wenn Sie auch noch sagen: „Wir wollen eine Bundeswehr zur Sicherung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit des Landes“ – das sagen Sie so –, dann ist das in unseren Augen nichts weiter als ein Blankoscheck für Interventionismus, und dafür gilt: Ohne uns!

(Beifall bei der LINKEN)

Die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien sind – man muss es so sagen – ein alter Hut. Sie beschwören wieder einmal die bekannten diffusen Risiken, denen wir zukünftig ausgesetzt sein werden – Flüchtlingsströme, knapper werdende Rohstoffe, Weiterverbreitung von Atomwaffen –, und präsentieren wieder nur die alte Antwort, dass man in der Lage sein müsse, diesen Risiken auch militärisch zu begegnen. Unsere Antwort ist eine andere: Die neuen globalen Probleme können nachhaltig nur mit nichtmilitärischen, das heißt mit zivilen Mitteln und mit einer Politik globaler Gerechtigkeit gelöst werden. Das ist das, für das sich die Bundesrepublik Deutschland im UNO-Sicherheitsrat stark machen müsste.

(Beifall bei der LINKEN)

Neu, Herr Minister, ist allenfalls die Tonlage, mit der Sie über den Zusammenhang von Militär und wirtschaftlichen Interessen reden. Sie haben bei der Präsentation der Verteidigungspolitischen Richtlinien gesagt, unser Platz in der Welt werde dadurch bestimmt, dass wir von Rohstoffen und Exporten abhängig seien, und dann unverblümt festgestellt – ich zitiere –:

Wir haben ein nationales Interesse am Zugang zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig! So ist das!)

Das ist kühn. Meinen Sie das auch weltweit? Sie sollten schon höllisch aufpassen, wenn Sie eine solch aggressive, zumindest missverständliche Sprache gebrauchen. Die Linke will jedenfalls nicht, dass Bundeswehrsoldaten für Wirtschaftskriege in Marsch gesetzt werden. Das ist mit uns nicht zu machen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht uns also nicht darum, die vorhandenen Strukturen zu optimieren; es geht darum, sie zu revidieren. Dazu haben wir unsere Position als Bundestagsfraktion konkretisiert.

An erster Stelle steht für uns die Rückbesinnung auf den Auftrag in Art. 87 a des Grundgesetzes:

Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.

Davon ist auch unsere zweite Forderung bestimmt: Die Bundeswehr sollte in ihren Strukturen auf Defensive ausgerichtet sein. Das heißt, wir brauchen keine verlegbaren Hauptquartiere und keine Einsatzverbände, die, 6 000 Kilometer oder weiter entfernt, in anderen Staaten Operationen durchführen können. Milliardenschweres Gerät wie den Jagdbomber Eurofighter brauchen wir auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn der Satz gilt, dass wir auf absehbare Zeit nicht militärisch bedroht sind, dann heißt das drittens: Wir können den Umfang der Streitkräfte erheblich reduzieren, wir sagen: um die Hälfte. Eine Bundeswehr mit 125 000 Soldatinnen und Soldaten reicht aus, um die Aufgaben der Landesverteidigung wahrzunehmen.

Viertens. Unser Konzept der zukünftigen Bundeswehr ist eng verknüpft mit einer stärkeren Demokratisierung, mehr Zivilität, mehr Parlamentsheer. Es geht schlicht darum, dass die Bundeswehr, will sie in der Gesellschaft verankert bleiben, auch die Normen und Werte dieser Gesellschaft verinnerlichen muss. Wir reden von Bindung an Recht und Gesetz, ebenso wie von soldatischer Interessenvertretung und humaner Menschenführung; da ist noch viel zu tun.

Fünftens. Wir sagen klar Nein zur Ausweitung der Bundeswehreinsätze im Innern. Bewaffnete Einsätze im Innern müssen grundsätzlich tabu bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Der weiteren Vermischung von Zivilem und Militärischem ist ein Riegel vorzuschieben. Katastrophenschutz ist eine zivile Angelegenheit, und dafür müssen dort die Kapazitäten ausgebaut werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit das Beste an unserem Bundeswehrkonzept ist: Eine solche Reform wäre finanzierbar. Sie würde Mittel freisetzen für soziale und entwicklungspolitische Belange, auch für solide Konversionsprogramme, womit man den Kommunen helfen würde, und auch für das Bundeswehrpersonal stünde mehr Geld zur Verfügung. Ihre Sparvorgabe von 8,3 Milliarden Euro kann man inzwischen getrost vergessen. Sie werden noch genug schieben, tricksen und täuschen, um das Geld zusammenzubekommen. Das wird nicht funktionieren.

Dass – diese Bemerkung kann ich mir am Schluss nicht verkneifen – die SPD mit dieser Reform nur ein Problem zu haben scheint, nämlich dass man noch mehr Geld in das System Bundeswehr stecken muss, ist für eine Partei, die sich einmal zu Frieden und Abrüstung verpflichtet hat, kläglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir als Linke werden den Zielen Abrüstung und Frieden jedenfalls weiterhin verpflichtet bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Volker Kauder für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Volker Kauder (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute Morgen hier im Deutschen Bundestag eine bemerkenswerte Regierungserklärung erlebt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Thomas Oppermann [SPD]: Das haben Sie bei Guttenberg auch schon gesagt!)

In Nüchternheit und Klarheit und mit bestechender logischer Konsequenz wird die Bundeswehr in eine neue Zeit geführt. Herr Minister, herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Groschek [SPD]: Endlich!)

Bei der Regierungserklärung des Verteidigungsministers ist deutlich geworden – so viel zu den kritischen Anmerkungen zum Verhältnis von Außenministerium und Verteidigungsministerium –, dass die Bundeswehr in das außenpolitische Konzept der Bundesregierung eingebettet ist und dass es da eine gemeinsame Politik und Strategie gibt.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Es ist umgekehrt, Herr Kauder!)

– Warten Sie einmal ab. Es ist nicht so, wie Sie es gern hätten. Ich schildere, wie es tatsächlich ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Außenpolitik und Verteidigungspolitik bilden in unserer Regierung eine Einheit.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Das bedeutet, dass in der Außenpolitik und in der Verteidigungspolitik gemeinsam die Ziele formuliert werden, die für uns wichtig sind.

Thomas de Maizière hat gesagt, dass die Bundeswehr die Aufgaben erfüllen muss, die wir politisch formuliert haben. Sie hat natürlich zum einen die Sicherheit unseres Landes zu gewährleisten; zum anderen hat sie die Aufgaben zu erfüllen, die im Rahmen unserer Bündnisverpflichtung, wie Thomas de Maizière es formuliert hat, auf uns zukommen und die wir bisher nicht immer so deutlich in der Öffentlichkeit haben darstellen können. Wir sind in das System sowohl der UNO als auch der NATO eingebettet. Hier erfüllen wir unsere Aufgaben. Die Bundeswehr leistet einen Beitrag zur Friedenssicherung, und das hat eine ganz andere Bedeutung als früher. Die Friedenssicherung findet nämlich nicht mehr ausschließlich in unserem Land statt. Unser Frieden ist vielmehr durch vielfältige, auch terroristische Aktionen auf der ganzen Welt bedroht. Wer hier für Frieden und Sicherheit sorgen will, kann keine Bundeswehr aufstellen, die ihre Arbeit nur im eigenen Land verrichtet. Das ist unsere Botschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass die Bundeswehr über ihren Auftrag hinaus tätig wird. Im Übrigen waren es Sie von den Grünen und den Roten, die die Bundeswehr zum ersten Mal im Ausland eingesetzt haben. Sie waren es, die den Auftrag der Bundeswehr neu formuliert haben.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir zusammen getan!)

Deswegen kann ich Ihnen nur raten, an der Diskussion über die Reform der Bundeswehr, darüber, sie auf die neuen Aufgaben auszurichten, teilzunehmen. Herr Kollege Trittin, hier haben Sie sich so verhalten, wie Sie das in Ihrer Regierungsverantwortung vielfach getan haben. Sie haben Dinge angestoßen, aber die Konsequenzen nicht bedacht. Sie haben die Reform der Bundeswehr nicht vorangebracht. Diese Aufgabe haben Sie schön anderen überlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Aufgabe werden wir nun erfüllen. Thomas de Maizière hat die Punkte angesprochen. Die Bundeswehr ist auf die neuen Herausforderungen auszurichten, aber sie muss ihren Auftrag auch unter veränderten Bedingungen erfüllen können. Wir haben über Jahre hinweg gesehen, dass die Wehrpflicht nicht mehr so konsequent durchgesetzt werden konnte, wie es notwendig war. Deswegen war es richtig, dass wir Überlegungen angestellt haben, wie wir darauf reagieren, und nun sagen: Wir haben in der Bundeswehr einen festen Stamm und Freiwillige. Ich kann mir nur wünschen, dass die Bundeswehr durch die Reform so attraktiv wird – schon deshalb ist die Reform so wichtig; Thomas de Maizière hat es angesprochen –, dass sich junge Menschen für die Bundeswehr interessieren und im Hauptberuf und als Freiwillige bei der Bundeswehr ihren Dienst tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen klarstellen, dass wir Freiwilligendienste in unserem Land brauchen, dass wir junge Menschen brauchen, die im sozialen Bereich, in unseren Hilfsorganisationen tätig sind, dass aber der freiwillige Dienst in der Bundeswehr genauso wichtig und ehrenhaft ist wie jeder andere freiwillige Dienst. Das müssen wir deutlich machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es gibt hier keine Abstufung nach dem Motto: Im sozialen Bereich ist das gut, bei der Bundeswehr weniger. Nein, der Freiwilligendienst ist ein Dienst an unserem Land – bei der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen. Dafür müssen wir werben.

(Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Dann macht mal!)

Es hat doch mit Prestige zu tun, wenn wir vom Dienst in der Bundeswehr sprechen.

Wir sehen natürlich, dass der Dienst in der Bundeswehr etwas Besonderes ist, weil er die ganze Person fordert und natürlich auch gefährlich ist. Wir haben in diesen Tagen wieder erleben müssen, dass der Dienst in der Bundeswehr lebensgefährlich ist. Ich finde, umso größer muss unser Respekt vor denjenigen sein, die in unserem Auftrag und für unsere politischen Ziele ihren Dienst tun. Deswegen sage ich einen herzlichen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, an alle Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Wir sind dankbar dafür, dass sie diesen Dienst für unser Vaterland verrichten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Reform der Bundeswehr hat begonnen. Thomas de Maizière hat darauf hingewiesen, dass dies ein Prozess ist. Deswegen ist Ihre Kritik nicht angebracht, Herr Arnold.

Selbstverständlich werden im Zuge dessen, was an notwendigen Veränderungen vorgestellt worden ist, die finanziellen Grundlagen dargelegt. Diese finanziellen Grundlagen werden nicht, wie Sie es formuliert haben, wie immer im Haushaltsplan berücksichtigt; sie werden zum ersten Mal im neuen Haushaltsplan berücksichtigt, der im Herbst beraten und verabschiedet wird. Es ist völlig richtig, dass Thomas de Maizière jetzt keine Zahlen nennt und darauf verweist, dass wir im Rahmen der Haushaltsplanberatungen und der mittelfristigen Finanzplanung auch das Finanzierungskonzept für die Reform vorlegen werden.

Als Sie, Herr Arnold, gesprochen haben, habe ich Ihnen angemerkt, dass Sie wissen, dass da jemand seine Arbeit macht, der die Dinge konsequent und logisch angeht und das in einer Ruhe und Selbstverständlichkeit macht, die Sie im Grunde genommen sehr beeindruckt hat. Das hat man bei Ihrer Rede nämlich auch gemerkt, lieber Herr Arnold.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rainer Arnold [SPD]: Es konnte ja nur besser werden!)

Man hat Ihnen angesehen, wie Sie sich gesagt haben: „Mensch, es wird mir doch noch irgendetwas einfallen, was ich kritisch anmerken kann.“ Entsprechend schlecht war es dann auch, weil Ihnen nämlich nichts Gescheites eingefallen ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Man kann nämlich überhaupt keinen kritischen Einwand gegen dieses Konzept vorbringen.

Herr Bundesminister, wir sind dankbar für die Schritte, die Sie eingeleitet haben. Wir begleiten Sie bei dieser Aufgabe, und wir stehen zu dieser Reform der Bundeswehr. Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Jürgen Trittin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zeiten haben sich geändert. Früher erlebten wir ein permanentes Schaulaufen des Verteidigungsministers mit dem Außenminister, wer der Wichtigere im Kabinett sei.

Mit der heutigen Regierungserklärung müssen wir feststellen: Die Zeiten haben sich geändert. Die Frage ist auch entschieden. Über die strategische und sicherheitspolitische Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland wird im Verteidigungsministerium entschieden. Dort wird formuliert. Insofern muss man Ihnen an dieser Stelle, Herr de Maizière, ein Kompliment machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben begonnen, sich der Realität zu stellen. Die CDU/CSU verabschiedet sich von etwas, das lange Zeit für sie identitätsstiftend war: der Wehrpflicht. Sie versuchen jetzt, in diese Richtung Grund hineinzubringen.

Sie sagen der deutschen Öffentlichkeit: Wir wollen mit einem Konzept von 175 000 plus x künftig diese Aufgaben einer Bundeswehr bewältigen. Ich hätte in Ihrer heutigen Regierungserklärung, gerade weil ich wichtige strategische Grundentscheidungen, die Sie mit benannt haben, teile, gerne von Ihnen eine Begründung gehört, warum das, was Ihnen Ihr eigener Generalinspekteur aufgeschrieben hat, nicht Leitlinie gewesen ist. Warum hatten Sie nicht den Mut, auf die Größe der Bundeswehr zu gehen, die von der Aufgabe her definiert vom Generalinspekteur auf etwas über 160 000 beziffert wurde? Sie mögen das für kleinlich halten, was die Zahlen angeht. Ich glaube aber, dass hinter dem Unterschied zwischen den 185 000, auf die Sie kommen wollen, was nach Ansicht der SPD vielleicht noch zu knapp ist, und den 160 000, die nach Auffassung des Generalinspekteurs und meiner Fraktion angemessen wären, genau das Stück Halbherzigkeit steht, das immer noch in dieser Reform steckt. Dieses Stück Halbherzigkeit finden Sie in den Verteidigungspolitischen Richtlinien, die die Grundlage der Reform sein sollen.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von heute haben Sie zu der Feststellung, dass jetzt anders als in den Verteidigungspolitischen Richtlinien unter Peter Struck bei den Aufgaben der Bundeswehr nicht mehr der Auslandseinsatz im multilateralen Verband an vorderer Stelle steht, sondern die Verteidigung im Bündnis, gesagt, das sei keine Rangfolge, sondern nur eine Reihenfolge. Ich halte dies für beschönigend und für falsch. Es ist offensichtlich eine Rangfolge, die Sie hier vorgenommen haben. Sie gewichten die Verteidigung im Bündnis wieder höher als die Aufgabe, die wir alle als wichtig identifiziert haben, nämlich mehr Einheiten sowie mehr Soldatinnen und Soldaten für Auslandseinsätze bereitzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir teilen die Auffassung, dass wir 10 000 Soldatinnen und Soldaten für Auslandseinsätze vorhalten müssen. Aber das gefährden Sie, bis hin zur Beschaffung. Sie müssen dem Hohen Haus einmal erklären, warum wir noch immer über 1 000 Panzer – wir haben festgestellt, dass es 1 048 sind – haben. Warum müssen wir an Rüstungsprojekten wie Tiger und MEADS festhalten, die darauf ausgerichtet sind, große Panzerverbände zu bekämpfen? All dies ist Folge der von Ihnen vorgenommenen Ausrichtung. Sie haben gesagt: Für uns kommt die Verteidigung im Bündnis an erster Stelle.

Wir glauben, dass Sie hier nicht konsequent sind. Es wird die Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland sein, der internationalen Verantwortung stärker gerecht zu werden. Internationale Verantwortung bedeutet nicht, wie einige glauben, dass man sich unilateral um die Sicherung von Rohstoffquellen kümmert; so habe ich das nicht verstanden. Internationale Verantwortung heißt, dass wir uns an den Gefahren für die Sicherheit, die sich auf der Welt ergeben, orientieren. Es geht dabei nicht mehr um zwischenstaatliche Konflikte zwischen hochgerüsteten Armeen. Aber genau daran halten Sie noch immer in Ihrer Prioritätenreihenfolge fest. Es geht typischerweise um asymmetrische Konflikte. Es geht typischerweise um das Vorgehen in gemischten zivil-militärischen Missionen. Es geht typischerweise um die Sicherung vor Staatszerfall und Ähnlichem.

In einer solchen Debatte, in der wir über die Ausrichtung der Bundeswehr sprechen, will ich sagen: In diesem Zusammenhang wird mehr auf die Bundesrepublik Deutschland zukommen als in der Vergangenheit. Das ist eine Botschaft, die man in einer solchen Debatte aussprechen muss. Ich will nicht spekulieren. Wenn ich mir aber anschaue, wie sich beispielsweise der Trennungsprozess zwischen dem Südsudan und dem Sudan entwickelt, dann bin ich mir nicht sicher, ob wir weiterhin mit etwas mehr als 20 unbewaffneten Militärbeobachtern auskommen oder ob nicht andere mehr von uns erwarten. Wenn das alles so ist, dann brauchen wir eine konsequente Ausrichtung der Bundeswehr im Hinblick auf multilaterale Einsätze im Auftrag der Vereinten Nationen zur Stabilisierung von zerfallenden Staaten; das wird die Kernanforderung sein. Nur so werden wir unserer internationalen Verantwortung gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland muss seiner internationalen Verantwortung gerecht werden. Das zielt insbesondere auf die Sicherung und die Herstellung der Herrschaft des Rechts. Wir dürfen keine rechtsfreien Räume auf diesem Globus dulden. Das heißt für uns: Ausbildung, Ausrichtung und Ausrüstung der Bundeswehr müssen sich klar an dieser Priorität orientieren. Da haben Sie noch ein bisschen Arbeit vor sich, Herr Minister.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aus unserer Sicht ist das, was der Minister heute vorgetragen hat, seit der Zusammenlegung von Bundeswehr und NVA vor über 20 Jahren die größte Reform, die wir bei der Bundeswehr durchführen. Diese Reform wäre auch notwendig gewesen – davon sind wir überzeugt –, wenn wir die Wehrpflicht nicht ausgesetzt hätten. Die FDP hat immer gefragt: Werden die Haushaltsmittel richtig eingesetzt? Sind die Beschaffungsmaßnahmen, die einst beschlossen wurden, noch richtig? Herr Trittin, Sie haben die Frage gestellt, warum wir an dem einen oder anderen – Sie haben als Beispiel MEADS genannt – noch festhalten. Ich kann Ihnen sagen, warum.

Wir halten gar nicht daran fest. Aber wir haben aus der Zeit der rot-grünen Koalition – bei den großen Beschaffungsprojekten waren die Grünen voll dabei – Verträge, aus denen man nur schwer herauskommt. Das ist eines unserer Probleme. Sie als Grüne haben bei allen großen Rüstungsprojekten mitgemacht, beispielsweise bei MEADS. Wir haben es Gott sei Dank geschafft, die Anzahl der Transportflugzeuge zu reduzieren. Sie wollten 90 bestellen; dann hat Peter Struck die Anzahl auf 60 reduziert. Nur in dieser Koalition – ich sage ausdrücklich Danke schön an den Koalitionspartner; Volker Kauder hat es ja in seiner Rede deutlich gemacht – ist diese Reform möglich gewesen. Wir haben es gesehen: Sie als Grüne haben sich bei den Sozialdemokraten nie durchsetzen können. Sie waren ähnlich wie wir für die Aussetzung der Wehrpflicht.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollten sie abschaffen!)

Sie haben sich nicht durchsetzen können. Die Freien Demokraten haben sich in dieser Koalition mit dieser Forderung durchgesetzt. Das war nicht leicht für unseren Koalitionspartner, aber er hat mitgemacht. Das ist eine der größten Reformen, und dafür sagen wir als FDP Danke an die Christlich Demokratische Union.

(Beifall bei der FDP)

Aber die Frage ist durchaus berechtigt: Wie finanzieren wir zukünftig die Bundeswehr? Hier kann ich für die FDP sagen: Natürlich wollen wir Einsparungen vornehmen. Aber es wird auf keinen Fall auf Kosten der Soldaten oder der Zivilangehörigen gehen. Wir gehen an die vielen Beschaffungsmaßnahmen heran – davon habe ich schon gesprochen –, die nach unserer Auffassung überflüssig sind. Herr Kollege Arnold, Sie haben uns doch mit dem Herkules-Projekt ein Milliardengrab eingebrockt. Wir versuchen nun, das Beste daraus zu machen. Das funktioniert doch heute noch nicht richtig. Das sind Ihre Entscheidungen gewesen, nicht unsere. Das Gleiche gilt für das Übermaß an Bürokratie.

(Beifall bei der FDP)

Sie fordern hier jetzt: Herr Minister, finanzieren Sie seriös! – Dass Sie das überhaupt wagen. Herr Scharping hat uns die Privatisierung eingebrockt. Das war nicht die FDP. Wir waren gegen diese Privatisierung. Wir sind nämlich nicht für Privatisierung um jeden Preis. Wir haben gesagt, dass wir auch bei der Logistik nicht mitmachen. Aber wer hat uns denn den Bundeswehrfuhrpark und alles andere eingebrockt, ohne je zu überprüfen, ob es effektiv ist? Kümmern Sie sich um die Projekte, die Sie uns eingebrockt haben, die heute die Bundeswehr sehr viel Geld kosten und bei der Bundeswehr überhaupt nicht ankommen! Überprüfen Sie das selber und bringen Sie Korrekturvorschläge ein! Dann würden Sie einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Bundeswehr liefern, weil wir dann zukünftig mehr Geld zur Verfügung hätten.

Des Weiteren stellt sich die Frage, ob das Liegenschaftsmanagement, das uns Rot-Grün eingebrockt hat, wirklich etwas Gutes für die Bundeswehr ist. Ich habe erhebliche Zweifel. Wir plagen uns in dieser Zeit auch im Haushaltsausschuss damit herum.

Sie haben uns wirklich unglaublich viele Baustellen hinterlassen, Herr Kollege Arnold. Insofern kann ich verstehen, dass Sie zu der wirklich ausgesprochen guten Rede des Ministers und zu dem, was wir als Reform wollen, keine Alternativen angeboten haben. Ihr Beitrag wäre – lassen Sie es mich süffisant sagen – eher für einen Lyrikkongress geeignet gewesen als für eine verteidigungspolitische Debatte. Sie haben keine Alternativen vorgetragen. Herr Trittin sprach von „halbherzig“. Was ist denn halbherzig? Ich kann nur sagen: Das eine oder andere wird zu korrigieren sein – das wird sich im Laufe der Zeit herausstellen –, aber die Richtung stimmt doch. Man kann doch bei dieser Reform nicht von halbherzig sprechen. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Machen Sie mit! Bringen Sie sich ein! Bringen Sie Ihre Vorschläge ein! Sie haben sich, Herr Trittin – das kann ich verstehen, weil Sie im Auswärtigen Ausschuss sitzen –, mehr in die Außenpolitik geflüchtet. Das Entscheidende wäre aber gewesen, konkret zu sagen, was Sie für unsere Bundeswehr wollen. Das wäre besser gewesen als das, was heute vorgetragen worden ist.

Im Haushaltsausschuss sollen wir ja die Beschaffungsmaßnahmen finanziell untermauern. Insofern ist es mir als Haushälter sehr wichtig, dass wir alles auf den Prüfstand stellen. Wir haben zu viele Eurofighter; das ist unser Problem, denn diese Entscheidung stammt noch aus der Zeit der alten Koalition. Gott sei Dank haben wir beim A400M einiges korrigiert. Wir werden uns weiterhin Herkules ansehen. MEADS ist – da gibt es kein Vertun – für uns beendet; das war ein großes Projekt aus rotgrüner Zeit. Wir schauen uns noch einmal das Liegenschaftsmanagement und den Bundeswehrfuhrpark an. Das Entscheidendste ist aber, dass das Ministerium verkleinert wird – das eine oder andere kann ich mir noch vorstellen –, damit die Entscheidungsabläufe in der Bundeswehr zügiger vonstatten gehen. Es kann einfach nicht sein, Herr Minister – ich nenne nur ein Beispiel –, wenn unsere Soldaten in Afghanistan Schutzbrillen brauchen, dass die Entscheidung darüber nach zwei Jahren noch nicht gefallen ist. Das kann nur an dem großen Apparat liegen. Woran kann es denn sonst liegen? Diese Forderung ist doch berechtigt.

Vor allem – lassen Sie mich das zum Schluss sagen; werfen Sie darauf bitte auch einen Blick – muss es für das, was wir beschaffen, jeweils einen Verantwortlichen geben. Es kann nicht sein, dass es immer nur der beamtete Staatssekretär ist. Es wäre gut für die Bundeswehr, wenn mehr Verantwortung auf einzelne Personen übertragen würde. Auch das gehört für uns zu dieser Reform dazu.

Viel Glück bei dieser Reform! Wir sind dabei.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Hans-Peter Bartels für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Koalition, ich glaube, wenn Sie sagen müssten, was jetzt genau das Ziel dieser Bundeswehrreform sein soll, dann kämen Sie ganz schön ins Schwimmen. Geht es vorrangig um die Schuldenbremse als höchsten strategischen Parameter, wie Ihr verflossener Minister zu Guttenberg das genannt hat, oder geht es um die bessere Einsatzfähigkeit unserer Streitkräfte? Dann frage ich Sie: Wo genau sind die Verbesserungen versteckt? Oder ging es einfach nur um die Abschaffung der Wehrpflicht, womit die FDP – herzlichen Glückwunsch, Herr Koppelin! – sich nun fast vollständig durchgesetzt hat? Ich glaube, Sie sind selbst ein bisschen unglücklich darüber, dass man nicht wirklich erkennen kann, welcher Rationalität diese Operation folgt.

Sie bekommen eine kleinere Bundeswehr; das ist klar. Aber wenn wir nicht alle aufpassen, dann erleben wir den Übergang von einer größeren unterfinanzierten Bundeswehr zu einer etwas kleineren unterfinanzierten Bundeswehr. Ich warne davor, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Finanzierung muss stimmen.

Auch bei dem gerade neu eingeführten freiwilligen Wehrdienst sind alle Parameter unklar. Wie viele freiwillig Wehrdienstleistende wollen Sie denn nun haben? 7 500, wie es in den ersten Papieren von Generalinspekteur Wieker hieß, oder 15 000 wie der Amtsvorgänger des jetzigen Ministers in Aussicht gestellt hat, oder nur 5 000 plus, wie jetzt Herr de Maizière sagt? Was wollen Sie wirklich? Wollen Sie möglichst wenige Freiwillige, damit Sie nicht mehr bezahlen müssen, oder wollen Sie den freiwilligen Wehrdienst so schnell wie möglich ganz abschaffen? Das Vorgängermodell, der von Ihnen eingeführte sechsmonatige Grundwehrdienst, hat auch nur für drei Quartale gegolten.

Ich sage Ihnen heute voraus: Auch der freiwillige Wehrdienst wird bei Ihnen jetzt nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zur völligen Abschaffung dieser Wehrform sein. Das ist schade, das ist bitter, das ist nicht gut. Wir hätten hier im Parlament gemeinsam zwischen Koalition und Opposition etwas Besseres vereinbaren können, etwas Dauerhaftes. Wir Sozialdemokraten hätten im Übrigen diesen leichtfertigen Umgang mit der Wehrpflicht gerade von der CDU und CSU nicht erwartet.

(Beifall bei der SPD)

Ich fordere Sie auf: Stehen Sie zum freiwilligen Wehrdienst, den Sie vor acht Wochen doch selbst erst hier im Bundestag beschlossen haben! Planen Sie dann eine substanzielle Zahl von Freiwilligen ein, auf richtigen Dienstposten, für einen Dienst, der gebraucht wird, nicht auf Extrastellen außerhalb der Streitkräftestruktur, nicht als fünftes Rad am Wagen! Das nämlich hätten die jungen Leute, die sich melden, nicht verdient. Machen Sie diesen Dienst attraktiver! Es geht nicht nur mit Ehre. Werben Sie flächendeckend für das freiwillige Engagement junger Leute in allen Formen, die unser Land anbietet und braucht: bei der Bundeswehr, im Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahr, im Entwicklungsdienst, im neuen Bundesfreiwilligendienst und natürlich im THW und bei den anderen Diensten des Katastrophenschutzes, die auch alle bisher auf Wehrpflichtige rechnen konnten.

Der unorganisierte, überstürzte Ausstieg aus der Wehrpflicht war ein Fehler. Das werden Sie demnächst sogar bei den Bewerbungen für den Dienst als Zeitsoldat merken. Wundern Sie sich dann nicht. Sie müssen jetzt für eine Kultur der Freiwilligkeit in diesem Land werben, nicht mit Abenteueranzeigen in der Bild-Zeitung, sondern massiv, flächendeckend, umfassend, für alle Dienste. Rufen Sie eine „Woche der Freiwilligkeit“ aus, in der sich alle Träger öffentlich darstellen, oder denken Sie sich etwas anderes aus! Das ist eine aktive Gestaltungsaufgabe. Wer bloß abwartet, will vielleicht gar keinen Erfolg. Ich wünschte mir eine Regierung, die nicht reaktiv, sondern die aktiv an diese Fragen herangeht.

(Beifall bei der SPD)

Fangen Sie damit an, wir machen dann schon weiter.

Herr Minister, da dies nun nicht die erste Reform von Streitkräften ist, gibt es schon einige Erfahrungen, die auch zum Beispiel Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung gemacht haben und die Sie sicher gern mit uns teilen wollen. Ich nenne sechs Punkte:

Erstens. Begrenzen Sie den Umzugsaufwand so stark wie möglich. Auch diese Reform schafft keine Strukturen und Stationierungen für die Ewigkeit. Kleine Standorte können effektiv, größere können uneffektiv sein. Sie kennen Beispiele. Sparen Sie unnötige Transaktionskosten.

Zweitens. Bleiben Sie mit der Bundeswehr in der Fläche. Der Arbeitgeber Bundeswehr muss sichtbar und erlebbar sein. Das Militärische darf dem Zivilen nicht zu fremd werden.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Vorsicht mit den Ärmelschonerklischees über die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr. Wir brauchen diese Mitarbeiter. Wer überproportional Zivilpersonal abbaut, der bürdet den immer weniger werdenden Soldaten Aufgaben auf, die nicht zu deren Kernauftrag gehören, oder er füttert private Dienstleistungsfirmen. Wir brauchen aber Experten in den Wehrtechnischen Dienststellen, wir brauchen die erfahrenen Kollegen in den Arsenalbetrieben, in den Bundeswehr-Dienstleistungszentren, in der Wehrverwaltung, in den Krankenhäusern, in den Instituten und in den Streitkräftestrukturen selbst, etwa die zivilen Seeleute im Trossgeschwader der Marine. Das ist kein überflüssiges Zusatzpersonal, das ist die Bundeswehr selbst: Soldaten und Zivilbeschäftigte.

Viertens. Das Heer leidet stärker als andere Teilstreitkräfte unter dem Wegfall der Wehrpflichtigen. Ihr Ansatz, Herr Minister, dennoch das Spektrum der Fähigkeiten des Heeres in geringerer Stärke weitgehend zu erhalten, ist richtig, solange es keine wirkliche europäische Streitkräfteplanung, kein Pooling und Sharing gibt. Aber bleiben Sie bitte konsequent. Erhalten Sie zum Beispiel auch ein Element Heeresflugabwehrtruppe und bei der Marine zum Beispiel auch die U-Abwehrfähigkeit der Flotte.

Fünftens. Die Spitzengliederung der Teilstreitkräfte zu straffen, aus drei Stäben jeweils eine Kommandobehörde zu machen, findet unsere Unterstützung, ebenso die Stärkung des Generalinspekteurs. Aber entlassen Sie die Inspekteure der Teilstreitkräfte – oder Befehlshaber, wie sie wohl künftig heißen sollen – nicht aus der ministeriellen Mitverantwortung. Nicht ihre Führungsstäbe, aber die Befehlshaber in Person brauchen einen Platz im Ministerium als Mitglieder des Militärischen Führungsrates. Vermeiden Sie die Konfliktlinie: hier Berlin, da Truppe. Teilstreitkraftübergreifendes Denken muss die Rationalität der neuen Bundeswehr sein.

Sechstens. Herr Minister, Sie sind Abgeordneter für Meißen im Freistaat Sachsen. Auch Sachsen hat bedeutende Bundeswehrstandorte. Auf die Stationierung der kleineren Bundeswehr angesprochen, werden Sie mit dem Satz zitiert: „Ich weiß, wo ich herkomme.“ Das ist nicht zu kritisieren, aber Sie wissen, dass es vielen Kollegen hier im Hause auch so geht wie Ihnen. Fast überall identifizieren sich Kommunen, Bundesländer und Abgeordnete mit ihrer Bundeswehr vor Ort. Das ist kein bedauernswerter Kirchturmpatriotismus und sollte auch nicht so verstanden werden, sondern das ist ein gutes Fundament für die Verankerung unserer Bundeswehr in unserer Gesellschaft.

Abschließend: Diese Reform ist chaotisch gestartet, der neue Minister hatte nicht mehr wirklich die Chance, die Reset-Taste zu drücken. Aber wir nehmen Ihnen ehrlich ab, dass Sie bemüht sind, jetzt das Beste daraus zu machen. Lassen Sie uns versuchen, dabei so viel parteiübergreifenden Konsens wie möglich zu finden.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Andreas Schockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Tageszeitung, die unserer Regierungsarbeit nicht immer wohlwollend gegenübersteht,

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FAZ?)

schreibt: „… was Thomas de Maizière … als knallharte Analyse der Lage präsentiert und als künftige Ausrichtung der Bundeswehr vorgegeben hat, das hat Hand und Fuß“, und wenn dies die überwiegende Meinung der meisten Kommentatoren widerspiegelt, dann muss der Verteidigungsminister seine Arbeit richtig gut gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Besser als der Vorgänger!)

Mit den Eckpunkten und den Verteidigungspolitischen Richtlinien ist eine hervorragende Grundlage für die notwendige Neuausrichtung der Bundeswehr vorgelegt worden.

Herr Minister de Maizière, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt Ihnen für Ihre sorgfältige, seriöse und ungeschönte Analyse der Lage.

(Michael Groschek [SPD]: Ich dachte, für die Rede in der Fraktion!)

Sie haben die Gründe für die Neuausrichtung der Bundeswehr ausführlich angesprochen. Ihre Darlegungen zeigen die Größe der Herausforderungen und die Schwierigkeiten auf, die Pläne für die Neuausrichtung der Bundeswehr umzusetzen, zumal wir schon heute die zu erwartenden Widerstände in den Apparaten, aber auch in der Fläche gut abschätzen können, wenn es darum geht, Veränderungen und tiefgreifende Einschnitte zu akzeptieren. Wir alle stehen vor der Frage: Wollen wir eine moderne, effiziente Bundeswehr mit zukunftsfähigen Strukturen, die den sicherheitspolitischen Aufgaben im 21. Jahrhundert und dem Heimatschutz gerecht wird, die bündnisfähig ist und die als Instrument der Außenpolitik zur Wahrung unserer Interessen beitragen kann, oder wollen wir das nicht? Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will eine solche Bundeswehr. Deshalb unterstützen wir Sie, Herr Minister, bei Ihren Reformplänen nachdrücklich.

Meine Damen und Herren, die drängendste Frage – das wurde zu Recht angesprochen – ist die der Personalgewinnung. Die Bundeswehr muss sich gegen die Konkurrenz am Arbeitsmarkt künftig noch stärker behaupten. Deshalb müssen wir die Attraktivität des Dienstes deutlich verbessern. Wir brauchen ein neues Konzept für die Rekrutierung von Nachwuchs. Es gibt inzwischen viele Vorschläge, wie dies geschehen könnte, beispielsweise durch Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Dienst, durch attraktivere Laufbahnen oder durch die Ausweitung der Möglichkeiten, zusätzliche Qualifikationen zu erwerben. Vor allem aber muss ein wirksames Attraktivitätsprogramm zielgruppenorientiert formuliert, konzipiert und kommuniziert werden. Aus unserer Sicht geht es dabei vorrangig um Besoldung, Dienstzeitregelungen, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, attraktive Standorte, angemessene Unterkünfte sowie umfassende Einsatzversorgung einschließlich der Nachsorge.

Weil das Thema von Herrn Bartels und Herrn Arnold angesprochen wurde, möchte ich festhalten: Es ist realistisch, dass der Verteidigungsminister die Zahl der freiwillig Wehrdienstleistenden zunächst mit 5 000 ansetzt. Es war uns von Anfang an klar, dass die Bereitschaft zu diesem Dienst in der Übergangszeit eher niedriger sein wird. Es ist daher besser, weniger einzuplanen und dann mehr zu erhalten als umgekehrt.

Natürlich, Herr Arnold und Herr Bartels, rennen Sie bei uns offene Türen ein, wenn Sie sagen, man müsse alles tun, damit es mehr als 5 000 junge Menschen werden, die den freiwilligen Wehrdienst leisten wollen.

(Rainer Arnold [SPD]: Tun Sie es doch!)

– Sehr richtig, aber dann müssen auch Sie und Ihre Partei alles dafür tun. – Das heißt zunächst einmal, dass der Bundeswehr die Möglichkeit gegeben wird, in den Schulen offensiv zu werben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Stattdessen besteht doch in den SPD-regierten Bundesländern und Kommunen die Tendenz, Soldaten in Uniform mehr und mehr aus den Schulen herauszudrängen oder Jugendoffiziere erst gar nicht mehr hereinzulassen. Das ist die Realität. Das muss aufhören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, über die Verteidigungspolitischen Richtlinien hat Stefan Kornelius vor wenigen Tagen in der Süddeutschen Zeitung geschrieben:

De Maizières Richtlinie ist ein bemerkenswertes Dokument sicherheitspolitischer Reife, sachlich kühl, punktgenau und ohne sprachliche Verbrämung.

Es ist gut, dass ein solches Dokument in verständlicher Klarheit unsere sicherheitspolitischen Interessen, Aufgaben und Ziele beschreibt. Kernpunkt der Neuausrichtung ist, dass sich die Fähigkeiten der Bundeswehr aus ihrem Auftrag und ihren Aufgaben ableiten. Die Bedeutung, die die Verteidigungspolitischen Richtlinien der internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung beimessen, wird von uns ausdrücklich geteilt. Derartige Einsatzszenarien bleiben für die Bundeswehr auf absehbare Zeit die wahrscheinlichsten Aufgaben. Dazu gehört auch, dass Deutschland bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben aufgrund seines Gewichts und seiner Wirtschaftskraft grundsätzlich eine besondere Verantwortung hat.

Ich stimme dem Verteidigungsminister zudem ausdrücklich zu, dass wir vor der Entsendung von deutschen Soldaten zuvorderst unsere primär sicherheitspolitischen Interessen diskutieren sollten. Dies ist gerade auch wichtig für die Beantwortung einer Frage, die wir jetzt verstärkt angehen müssen – zunächst bei uns und dann mit unseren Partnern –: Welche Aufgaben können künftig in der EU und im Bündnis gemeinsam oder arbeitsteilig wahrgenommen werden? Denn eines ist klar: In der EU geht die Zeit von voll ausgerüsteten Armeen zu Ende. Will Europa dennoch seine Handlungsfähigkeit zur Verteidigung seiner Sicherheit und seiner Interessen wahren, braucht es starke und effiziente europäische Streitkräfte. Diese werden sich nur aus einer verstärkten Bündelung von nationalen Fähigkeiten und Kapazitäten

(Michael Groschek [SPD]: Richtig!)

sowie aus einer verstärkten Rollen- und Aufgabenverteilung ergeben.

Es wird kein Weg daran vorbeiführen, zu prüfen und dann auch umzusetzen, wo wir Fähigkeiten mit anderen teilen wollen, wo wir Fähigkeiten übernational mit anderen einbringen wollen und auf welche Fähigkeiten wir ganz verzichten wollen, weil andere sie verlässlich und günstiger bereitstellen.

(Michael Groschek [SPD]: Dann muss man das schreiben!)

Es ist richtig:

Gegenseitige Abhängigkeiten für den Einsatz und im Einsatz dürfen nur in dem Maße zugelassen werden, wie dies die Wahrnehmung der Aufgaben erfordert.

So steht es in den Verteidigungspolitischen Richtlinien.

Aber es sind eben gegenseitige Abhängigkeiten, die uns als Parlament mit unserem Recht der Mandatierung von Bundeswehreinsätzen vor neue Herausforderungen stellen; denn unsere Partner werden berechtigterweise fragen, ob wir als Bundestag im entscheidenden Moment bereit sind, die deutschen Streitkräfte zur Verfügung zu stellen, auf die sich unsere Partner in einem solchen Konzept der Aufgabenteilung stützen. Das müssen wir natürlich auch von unseren Partnern wissen. Es geht hierbei um Berechenbarkeit, um Verlässlichkeit und um gegenseitiges Vertrauen unter Bündnispartnern. Dies erfordert eine ehrliche Diskussion darüber, wo wir derartige Streitkräfte einsetzen wollen und wo wir sie nicht einsetzen wollen.

Meine Damen und Herren, wir begrüßen es ausdrücklich, dass der Verteidigungsminister die Debatte über diese sicherheitspolitischen Fragen und unsere sicherheitspolitischen Interessen offensiv führt. Nur durch eine solche Debatte werden wir das Verständnis der Menschen in unserem Land für die Herausforderungen und Bedrohungen für unsere Sicherheit und für die sich daraus ergebenden Aufgaben der Bundeswehr befördern können. Das ist dringend notwendig.

Herr Minister de Maizière, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hält Ihre Überlegungen und Pläne zur Neuausrichtung der Bundeswehr für richtig. Diese in die Tat umzusetzen, ist eine Mammutaufgabe, die uns über viele Jahre fordern wird. Wir werden Sie dabei tatkräftig unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Christine Buchholz für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Christine Buchholz (DIE LINKE):





Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Minister hat gesagt, er möchte zeitgleich 10 000 Soldatinnen und Soldaten in zwei großen und mehreren kleineren Einsatzgebieten flexibel und durchhaltefähig einsetzen können. Herr Trittin möchte noch mehr davon. Das heißt im Klartext, dass Sie in Zukunft in der Lage sein wollen, zwei Einsätze wie den in Afghanistan durchzuführen. Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein! Der eine Einsatz, den wir haben, ist schon viel zu viel. Die Bundeswehr muss sofort aus Afghanistan und den anderen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen, neben den finanziellen Anreizen gehe es darum, die jungen Menschen davon zu überzeugen, den Reiz des Besonderen zu erfahren, sich selbst einen Dienst zu erweisen und unserem Land zu dienen. Am Mittwoch ist nun ein weiterer junger Mann in Afghanistan getötet worden. Meinen Sie ernsthaft, dass Ihre salbungsvollen Worte ein Trost für die Eltern und Freunde der inzwischen 49 in Afghanistan getöteten und der unzähligen traumatisierten Soldaten sind?

(Michael Brand [CDU/CSU]: Sie sind zynisch!)

Um genügend junge Männer und Frauen für den freiwilligen Wehrdienst zu ködern, rührt das Verteidigungsministerium nun kräftig die Werbetrommel. Was viele nicht wissen: Mit diesem freiwilligen Wehrdienst ist ein Einsatz im Ausland verbunden.

Seit 2006 haben sich die Anzahl der öffentlichen Auftritte der Bundeswehr auf Ausbildungsmessen und anderen Veranstaltungen sowie die Kosten dafür mehr als verdoppelt, und das bereits vor der Aussetzung der Wehrpflicht. Seit März läuft eine millionenschwere Werbekampagne in der Springer-Presse, auf Radio- und Fernsehkanälen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Frau spricht im militärischen Befehlston!)

Neulich hat das ARD-Magazin Panorama einen interessanten Beitrag zu diesem Thema gebracht. Ein Lehrer berichtete darin über den Besuch eines Wehrdienstberaters in einer Schule in Prerow, Mecklenburg-Vorpommern. Der Lehrer wunderte sich, warum der Wehrdienstberater eine Karriere bei der Bundeswehr als einen Job wie jeden anderen, wie bei BMW, Mercedes oder einer Werft, darstellte, aber von Krieg und posttraumatischen Belastungsstörungen nicht redete.

Bei der Werbekampagne der Bundeswehr kommen die hässlichen Bilder aus Afghanistan nicht vor. Darin ist immer von Chancen, Karriere und Ausbildung die Rede. Aber welche Chancen haben jetzt die Soldaten, die getötet wurden, oder all die Soldaten, die mit körperlichen und seelischen Verletzungen heimgekommen sind? Sie geben vor, den Jugendlichen eine Perspektive zu bieten; doch Sie verschweigen die Risiken und Nebenwirkungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies betrifft besonders die Jugendlichen aus strukturschwachen Regionen.

Die Geschäftsführerin der Werbeagentur, die mit der Werbekampagne der Bundeswehr beauftragt worden ist, hat es ganz ehrlich auf den Punkt gebracht: Wenn man für Schokoriegel Werbung macht, dann sagt Ihnen auch niemand, dass man fett wird, wenn man 5 Kilogramm davon isst. Das, meine Damen und Herren, ist zynisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundeswehr steigert ihre Aktivitäten an Schulen sowie in der Lehrer- und Referendarausbildung. Wir meinen: Die Bundeswehr hat an der Schule nichts zu suchen. Politische Bildung ist die Aufgabe von ausgebildeten Pädagoginnen und Pädagogen. Dafür muss Geld ausgegeben werden, nicht aber für die Propaganda der Bundeswehr.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann ja wohl nicht wahr sein: Erst strangulieren Sie mit Ihrer Kürzungspolitik das Bildungssystem, und dann springt die Bundeswehr mit ihrer Propaganda ein. In vielen Bundesländern regt sich Widerstand von Schülern, Eltern und Lehrern gegen die Auftritte von Bundeswehr an Schulen und auf Berufsmessen. Wir halten das für gut.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Regen Sie sich mal nicht so auf!)

GEW, kirchliche Gruppen und Schüler schließen sich zusammen und setzen sich zur Wehr. Neulich erzählte mir eine Lehrerin aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg, dass sich das Robert-Blum-Gymnasium in einer Schulkonferenz zur Schule ohne Militär erklärt hat. Schüler der Hulda-Pankok-Gesamtschule in Düsseldorf haben ihre Lehrer und Eltern überzeugt, keine Bundeswehr mehr an ihre Schule zu lassen. Das sind die richtigen Schritte, die Schüler, Eltern und Lehrer machen können.

(Beifall bei der LINKEN – Jörg van Essen [FDP]: Genau das Gegenteil! – Henning Otte [CDU/CSU]: Deswegen dürfen Sie nicht gewählt werden!)

Ich denke oft an eine Mutter aus Thüringen, die mir berichtete, ihre beiden Söhne seien nach dem Einsatz in Afghanistan traumatisiert, hätten selbst nach Monaten nicht in den Alltag zurückgefunden. Für sie und alle Eltern wünsche ich mir, dass sie mit Reinhard Mey sagen: Nein, unsere Söhne geben wir nicht – und unsere Töchter auch nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben in Ihrer Rede heute, aber auch mit der großen – nein, ich korrigiere mich –, mit der langen Rede in der letzten Woche einiges gesagt, was unsere Zustimmung findet. Aber Sie haben viele Fehler der Reform nicht behoben bzw. gar nicht angehen können.

Ich beginne mit der sicherheitspolitischen Ableitung, mit dem Geburtsfehler der Reform. Die Reform ist von der Reihenfolge her auf den Kopf gestellt. Normalerweise definiert man Aufgaben, und anschließend sagt man, welche Strukturen man dafür braucht. Ihr Vorgänger hat erst erklärt, was alles in den Strukturen passieren muss, wie das Ministerium möglicherweise auszusehen hat, und hat dann gesagt: Am Ende machen wir vielleicht auch noch ein neues Weißbuch. – Sie haben jetzt versucht, die sicherheitspolitische Begründung nachzuliefern.

Sie haben mittlerweile die Verteidigungspolitischen Richtlinien verfasst, die aber – das muss man feststellen, wenn man ehrlich ist – nur so etwas wie Ihre Privatmeinung sein können. Die Inkraftsetzung der Verteidigungspolitischen Richtlinien ist ein Verwaltungsakt. Das, was Sie heute hier beschrieben haben, ist nicht deckungsgleich mit dem, wie beispielsweise der Außenminister im UN-Sicherheitsrat gehandelt hat.

Das heißt, wenn wir eine kohärente verteidigungsund sicherheitspolitische Ableitung brauchen, dann muss es eine sein, die auch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt ist. Das, was Sie heute beschrieben haben, wird in der Bundesregierung möglicherweise gar kein Konsens sein. Sie hatten Vorgänger, die versucht haben, die Verteidigungspolitischen Richtlinien im Kabinett beschließen zu lassen. Sie hingegen haben dies gar nicht erst versucht. Wenn ich mir das Kabinett anschaue, verstehe ich das zwar in emotionaler Hinsicht, allerdings ist es handwerklich unsauber.

Damit bin ich beim zweiten großen Problem. Die Auseinandersetzung begann mit der Frage nach den Einsparzielen: Wie sehen die aus? Wie sparen wir? Was kostet das alles? Das alles wissen wir nicht; das alles sagen Sie uns nicht. Sie sagen zwar: „Wir führen jetzt eine große Reform durch“, aber die Information über das, was die Grundlage dafür ist, nämlich die finanzielle Ausstattung, enthalten Sie uns komplett vor.

Fakt ist: Das Kabinett hat beschlossen, 8,3 Milliarden Euro in vier Jahren einzusparen. Dafür haben der damalige Verteidigungsminister, die Bundeskanzlerin, der damalige Gesundheitsminister, der Außenminister und der ehemalige Innenminister die Hand gehoben. Sie alle haben die Hand für Einsparungen in Höhe von 8,3 Milliarden Euro in vier Jahren gehoben. Wenige Wochen später hat dasselbe Kabinett beschlossen, dass die Bundeswehr eine Gesamtgröße von 185 000 Soldaten haben soll. Im Anschluss hat der damalige Verteidigungsminister gesagt: Im Übrigen sind die Einsparziele nicht mehr zu erreichen. – Angesichts dessen stellt sich die Frage: Weiß das Kabinett eigentlich noch, was es beschließt? In einer solchen Situation ist es kein Wunder, dass Sie nicht das gesamte Kabinett mit Ihren Plänen betrauen. Was Sie vorhaben, passt vorne und hinten nicht zusammen; die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie gehen aber auch nicht auf Fragen ein, die sich auf Ihr eigenes Handeln beziehen. Mit Blick auf die Aussetzung der Wehrpflicht stellt sich beispielsweise die Frage, wer den Objektschutz durchführt, wenn es keine Wehrdienstleistenden mehr gibt. Diese Frage habe ich gestellt, ein halbes Jahr nachdem die politische Entscheidung bereits gefallen war. Die sinngemäße Antwort des Staatssekretärs war: Das ist eine gute Frage; wir denken jetzt einmal darüber nach, wie wir das machen.

Über unglaublich viele relevante Details Ihrer Reform wurde nicht entschieden. Sie sind auf diese Details auch in Ihren Reden überhaupt nicht eingegangen. Wie wollen Sie eigentlich mehr Freiwillige gewinnen? Das ist mir bisher nicht klar geworden. Sie haben nur gesagt, dass sich die Bundeswehr auf Veranstaltungen vorstellen soll. Das ist aber kein schlüssiges Konzept, wie man Freiwillige gewinnen kann; wir verstehen es nicht. Es ist auch nichts, was bisher zu Ende gedacht worden ist.

Das gilt natürlich auch für die Beschaffung. Die Beschaffungsfrage ist von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, das Geld zusammenzuhalten. Es gibt Beschaffungsprojekte, die in den 80er-Jahren begonnen wurden – da haben die Grünen im Übrigen nicht regiert, Herr Koppelin – und die bis heute noch nicht abgeschlossen sind. Die Frage ist, welche Philosophie man in Bezug auf die Beschaffung verfolgt. Die Beschaffung darf sich nicht daran ausrichten, wie man am besten Standortpolitik macht. Auch dazu haben Sie bisher kein einziges Wort gesagt.

Das Zusammenhalten des Geldes ist ein wichtiger Punkt, wenn man das Ziel erreichen möchte, die Bundeswehr flexibel zu gestalten. Flexibilität ist bekanntermaßen entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr. Wir konnten uns vor zehn Jahren noch nicht vorstellen, dass wir in den Afghanistan-Einsatz gehen. Wir haben vor drei Monaten noch nicht daran gedacht, was in Libyen passiert. Wir wissen auch nicht, über was wir in fünf oder zehn Jahren diskutieren.

Wie gesagt, die Flexibilität ist ein entscheidender Punkt. Um sie zu gewährleisten, müssen Sie angemessene Strukturen schaffen und an die Beschaffungsfrage anders herangehen. Außerdem müssen Sie das Geld zusammenhalten. Mit der Feilscherei um die Sparziele leisten Sie der Bundeswehr einen Bärendienst. Was Sie heute nicht einsparen, was Sie dem Finanzminister heute doch noch abknapsen, müssen Sie morgen zweimal oder dreimal bezahlen.

Letzter Punkt. Sie haben viel von Bündnissolidarität und Bündnispolitik gesprochen. In einer Zeit, in der wegen der Finanzfrage alle relevanten Bündnispartner ebenfalls Reformen durchführen – viele sparen ein; darin liegt eine große Chance für Abrüstung, worüber Sie ebenfalls kein Wort verloren haben –, führen Sie aber eine rein nationale Reform durch, statt sich im NATOBündnis und auf Ebene der EU abzusprechen, wie man Potenziale schaffen, wie man gemeinsam einsparen und wie man Synergieeffekte nutzen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Ernst-Reinhard Beck für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bartels hat, in Frageform gekleidet, festgestellt, er habe noch nicht verstanden, was der Sinn dieser Reform sei. Entweder hat er nicht zugehört, oder er hat nur eine rhetorische Frage gestellt, die er allerdings am Schluss seiner Rede selbst beantwortet hat. Die sechs Punkte, die er vorgestellt hat, habe ich so verstanden, dass er die Grundannahmen dieser Reform zwar für richtig hält, dass er aber bestimmte Aspekte noch im Detail diskutieren will. Ich glaube, genau das ist der Sinn dieser Debatte. Daher fordere ich Sie zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auf. Polemik dieser Art gehört vielleicht am Anfang der Debatte dazu; aber am Ende muss sie konstruktiv verlaufen.

Was der Minister hier unaufgeregt vorgetragen hat, war ein klar definiertes Konzept zur künftigen Rolle der Bundeswehr im Rahmen nationaler Sicherheitsvorsorge und internationaler Bündnisverpflichtungen. Die Eckpunkte der Neuausrichtung basieren auf einer fundierten sicherheitspolitischen Analyse, aus der sich Aufgaben und Aufgabenprofil der Bundeswehr geradezu zwangsläufig ableiten lassen.

Herr Kollege Schäfer, die Verteidigungspolitischen Richtlinien sind eben kein alter Hut, sondern das Ergebnis einer nüchternen Beschreibung von sicherheitspolitischen Fakten. Sie bilden im Grunde eine realistische Basis für eine Analyse der Fähigkeiten unserer Streitkräfte. Sie zeichnen sich durch Klarheit, durch eine gewisse Schärfe in der Formulierung, aber auch durch Sachlichkeit aus. Sie zeigen auf, wie unsere Sicherheitsinteressen von unseren Werten und Zielen abgeleitet werden. Ich finde es also richtig, dass wir an dieser Stelle auch über unsere Interessen diskutieren.

Herr Kollege Trittin, ich halte es für erfreulich, dass an erster Stelle im Aufgabenspektrum die Landesverteidigung als Bündnisverteidigung steht. Ich sage Ihnen auch, warum. Wir können semantisch darüber streiten, ob es „Reihenfolge“ oder „Rangfolge“ heißen sollte.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat der Verteidigungsminister gemacht, nicht ich!)

– Aber Sie haben es angesprochen. – Zur Rangfolge möchte ich sagen, dass in Art. 87 a Abs. 1 Grundgesetz steht:

Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.

Das ist völlig richtig; es ist die primäre, von der Bevölkerung zu nahezu 100 Prozent akzeptierte Aufgabe von Streitkräften, den Schutz des eigenen Landes und der Bürger zu gewährleisten. Ich finde es richtig, dass das am Anfang steht und damit eine gewisse Wertigkeit hat. Sie leiten aus der geringeren Bedeutung der Landesverteidigung ab, dass man bei der Ausrüstung auf Altes, was man früher für die Landesverteidigung im klassischen Sinne benötigte, verzichten kann. Dazu muss ich sagen: Das wäre eine fahrlässige Vernachlässigung potenzieller Bedrohungen.

(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bestätigen Sie mich aber!)

Ich nenne zum Beispiel: Cyberwar. Das ist eine neue Art der Bedrohung. Ich nenne auch die Abwehr ballistischer Raketen. Diese Bedrohungen bestehen, wenngleich es keine konventionelle Bedrohung an den Grenzen gibt.

Herr Kollege Schäfer, ich höre, Sie wollen, dass sich die Bundeswehr allein auf die Landesverteidigung konzentriert. Ich mache Sie deshalb auf Art. 24 Grundgesetz aufmerksam, der das kollektive Sicherheitssystem und die Mitwirkung der Staaten an der Aufrechterhaltung der internationalen Stabilität und Sicherheit zum Thema hat. Ihre Aussage zeigt im Grunde, dass Sie diese Verantwortung, die Sie bisher bei allen Auslandseinsätzen ausblenden, bewusst ausblenden. Das finde ich nicht in Ordnung; ich muss das in aller Klarheit sagen.

(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Unsere Verantwortung für das Leben von Soldaten sollten wir auch wahrnehmen!)

– Die Verantwortung für das Leben von Soldaten nehmen wir dadurch wahr, dass wir sie gut ausbilden, gut ausrüsten und mit einem entsprechenden Auftrag in den Einsatz schicken. Ich glaube, es ist eine ethische Verantwortung, den Schutz des Lebens der Zivilbevölkerung und die Hilfeleistung im Einsatz zu gewährleisten. Frau Kollegin, der Schutz von Soldaten allein kann nicht das oberste Prinzip des Handelns sein; sonst dürften wir sie erst gar nicht in den Einsatz schicken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Heimatschutz – für viele ein Relikt aus vergangenen Zeiten – wird ausdrücklich an privilegierter Stelle erwähnt. Die Bundeswehr hat sich hier in der Vergangenheit als tatkräftiger Helfer erwiesen und zugleich die Verbundenheit mit den Menschen in unserem Land unter Beweis gestellt.

Der Minister hat dankenswerterweise an mehreren Stellen darauf hingewiesen, dass wir ein modernes Reservistenkonzept brauchen. Reservisten sind nicht nur ein Bindeglied zwischen Bundeswehr und Gesellschaft, sondern auch eine Verstärkung der Truppe bei den vielfältigen Aufgaben, die jetzt auf uns zukommen.

Die deutschen Sicherheitsinteressen werden mit Konfliktverhinderung, sicherheitspolitischer Glaubwürdigkeit, transatlantischer und europäischer Partnerschaft, internationaler Geltung der Menschenrechte, Demokratie und Völkerrecht umfassend beschrieben. Ich brauche hier nicht im Einzelnen darauf einzugehen.

Lassen Sie mich zum Umfang der Bundeswehr kommen. 170 000 länger dienende Berufs- und Zeitsoldaten sind eine realistische Zahl; es ist für mich die Grenze, die Deutschland als ein Land, das in Europa eine besondere Verantwortung trägt, nicht unterschreiten sollten.

Lassen Sich mich ein Wort zum Thema Freiwilligenwerbung sagen. Herr Kollege Arnold, Sie haben hier frühzeitig ein Konzept zum Scheitern verurteilt, dessen Umsetzung eigentlich noch gar nicht richtig begonnen hat. Es wäre eigentlich schade, wenn es scheitern würde.

(Rainer Arnold [SPD]: Finde ich auch!)

Denn ich glaube, dass eine Chance darin liegt,

(Beifall des Abg. Klaus Barthel [SPD])

an die jungen Menschen zu appellieren: Tut etwas für euer Land, egal ob bei der Bundeswehr, in einem sozialen Jahr, im Entwicklungsdienst oder auf andere Art und Weise! Wir sollten im Grunde klarmachen: Wir brauchen junge Menschen, die sich für die Gemeinschaft einsetzen.

(Michael Groschek [SPD]: Sie müssen sich auch eingeladen fühlen!)

– Herr Groschek, da sind wir uns einig. – Es geht darum, dass in einem bestimmten Teil der Biografie nicht nur das Ich im Vordergrund steht, sondern auch deutlich wird, dass es eine Verpflichtung gegenüber den anderen gibt. Lassen Sie uns daran arbeiten und nicht vorzeitig aufgeben. Wir müssen mit einer Anerkennungskultur für die Freiwilligendienste, das Ehrenamt und den Einsatz für die Gemeinschaft werben.

(Rainer Arnold [SPD]: Sagen Sie das Ihrer Regierung, nicht uns!)

Kollegin Buchholz, es ist einfach primitive Polemik, wenn Sie von der Propaganda der Bundeswehr und ähnlichen Dingen sprechen. Ich halte es für wichtig, dass junge Menschen informiert – nicht indoktriniert – werden: über die Aufgaben der Streitkräfte, über die elementare Aufgabe des Staates, für die Sicherheit eines Landes zu sorgen. Das ist eine wichtige Bildungsaufgabe, und keine Propaganda; lassen Sie sich das an dieser Stelle sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Zum Finanzkonzept. Seitens der Opposition ist viel Kritik daran geübt worden. Es wurde auch gesagt, dass ein solches Konzept im Augenblick fehlt. Ich meine, diese Kritik ist dem politischen Ritual geschuldet. Natürlich steht und fällt die Reform mit einer soliden Finanzinie; das ist völlig klar. Ich bin sicher, dass wir diese bekommen werden. Lassen Sie mich an dieser Stelle daran erinnern, dass das gesamte Parlament Verantwortung für die Parlamentsarmee trägt und nicht nur die Regierung und die sie tragenden Fraktionen. Ich lade die Opposition herzlich ein, bei der Bewältigung dieser schwierigen Finanzierungsaufgabe mitzuwirken.

Kritisch angemerkt wurde auch die fehlende Einbindung, etwa in den europäischen Kontext. Ich glaube, dass sich jeder Bündnispartner bei der Reform seiner Streitkräfte zunächst am nationalen Rahmen orientiert und dabei die entsprechenden Potenziale aufrechterhält. Der Präsident zeigt mir an, dass meine Redezeit abgelaufen ist. Ich möchte schließen mit dem Dank an den Minister für das Konzept. Ich möchte ihm für diese schwierige Aufgabe die Unterstützung meiner Fraktion zusichern und ihm eine glückliche Hand wünschen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Florian Hahn für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Florian Hahn (CDU/CSU):

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der Koalitionsvereinbarung haben CDU, CSU und FDP die Neuausrichtung der Bundeswehr angelegt. Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat diese Aufgabe mit großer Entschlossenheit angenommen.

(Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Aber hallo!)

Er hat eine der größten Reformen dieser Legislatur mit Weitblick, mit Dynamik und mit großem Mut auf den richtigen Weg gebracht.

(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Das klang heute schon anders!)

Das ist ein Verdienst, das bleibt.

Dies haben Sie, Herr Minister de Maizière, in Ihrer Rede zur Neuausrichtung der Bundeswehr am 18. Mai 2011 in Berlin deutlich gemacht. Dafür möchte ich Ihnen ausdrücklich danken. Sie haben darauf aufgebaut, und Sie haben mit der Fertigstellung der Verteidigungspolitischen Richtlinien der Reform unserer Streitkräfte die notwendige und vor allem richtige sicherheitspolitische Ausrichtung gegeben. Damit ist ein solides Fundament gegossen, auf das wir nun fähigkeits- und einsatzorientiert aufbauen können. Dies erfolgt unter den richtigen Prämissen der nachhaltigen Finanzierbarkeit und der Demografiefestigkeit.

Wie sich Fundament und Prämissen auf die Neugestaltung auswirken, zeigt sich beispielsweise bei der Planung des zukünftigen Personalumfangs. Mit 240 000 militärischen und zivilen Dienststellen haben wir einen Level erreicht, der verteidigungspolitisch noch verantwortbar ist. Das ist aber auch ein Umfang, der mit Blick auf die demografische Entwicklung erreichbar zu sein scheint, ohne Qualitätseinbußen hinnehmen zu müssen. Denn was nützt es uns, wenn wir auf dem Papier mit Nachwuchs planen, die gewünschte Zahl an qualifizierten Nachwuchskräften aber nicht erreichen können? Diese wichtige demografische Dimension haben Sie, Herr Minister, in vielen Gesprächen in den letzten Wochen immer wieder sehr eindrucksvoll aufgezeigt.

Mit einer sicherheitspolitisch verantwortbaren und demografiefesten Reduzierung des Personalumfangs kann langfristig auch ein entscheidender Sparbeitrag geleistet werden. Bis dahin verlangt der Personalumbau aber wahrscheinlich zusätzliche Mittel, die es aus meiner Sicht entsprechend einzelplanunschädlich zu berücksichtigen gilt.

(Dr. Hans-Peter Bartels [SPD]: Was heißt das?)

– Es ist genau so, wie ich es gesagt habe, Herr Bartels: einzelplanunschädlich. Das wäre mein Vorschlag an dieser Stelle.

Insgesamt gilt, dass Sicherheit Kernelement staatlichen Handelns ist und wir die Bundeswehr finanziell nachhaltig ausstatten müssen, damit unsere Soldatinnen und Soldaten ihren Auftrag bestmöglich erfüllen können. Zur optimalen Auftragserfüllung gehört die Bereitstellung einer modernen, schützenden Ausrüstung. Hierbei leisten gerade die deutsche und die europäische Wehrtechnik einen wichtigen Beitrag. Den Erhalt deutscher Kernfähigkeiten im Bereich dieser Hochtechnologien gilt es daher unbedingt zu berücksichtigen. Wir müssen unsere Soldaten weiterhin optimal ausstatten können, ohne uns von anderen abhängig zu machen. Hierzu brauchen wir – auch das wurde schon angesprochen – optimale Beschaffungsprozesse.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte Ihnen, Herr Minister, auch dafür danken, dass Sie am 18. Mai so deutliche Worte zur Frage der Standorte gefunden und sich für ihre Erhaltung in der Fläche ausgesprochen haben.

(Michael Groschek [SPD]: Wir zählen nach!)

Gerade in regionaler Nähe wird die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Das ist als ein Aspekt erfolgreicher Personalrekrutierung zu sehen. Darüber hinaus erhält eine Flächenpräsenz die große Verbundenheit mit der Bevölkerung am Standort und damit die Verankerung der Armee in unserer Gesellschaft aufrecht. Diese Verankerung wird durch die Verkleinerung auf der einen Seite und die Aussetzung der Wehrpflicht auf der anderen Seite nicht leichter. Die damit verbundene Herausforderung müssen wir bei der Neuausrichtung im Auge behalten.

Um gerade jungen Menschen die wichtige Rolle der Bundeswehr in unserem Staatswesen zu vermitteln, hat sich beispielsweise das Konzept der Jugendoffiziere bewährt. Das gilt es zu erhalten und zu stärken. Die Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber muss weiterentwickelt werden. Vor allem muss ihre Attraktivität mit geeigneten Instrumenten kommuniziert werden. Die berufliche Ausbildung sowie das Konzept der Bundeswehruniversitäten sind dabei wichtige Markenzeichen der Bundeswehr.

Kolleginnen und Kollegen, im Hinblick auf die zuvor geführte Diskussion und gerade im Hinblick auf die Diskussion im Ausschuss möchte ich dem Minister noch einmal ganz herzlich danken. Er hat ein solides und tragfähiges Konzept auf den Tisch gelegt. Dabei ist es ihm gelungen, zumindest die ernstzunehmenden Fachpolitiker der Opposition für weite Teile der Reform zu gewinnen. Der Versuch, auch heute ein Haar in der Suppe zu suchen, ist ihrer Oppositionsrolle geschuldet und natürlich okay.

(Stefan Rebmann [SPD]: Wie großzügig!)

Für unsere Soldatinnen und Soldaten ist es wichtig, dass die Reform auf einer breiten parlamentarischen Mehrheit fußt. Unsere Soldatinnen und Soldaten verdienen unsere Anerkennung und nicht parteipolitisches Klein-Klein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Allen Soldatinnen und Soldaten sowie ihren Familien wünsche ich von dieser Stelle aus Gottes Segen.

Es freut mich nun, dass nach mir Frau Julia Klöckner ihre Rede hält. Es ist immer besonders bedauerlich, wenn mit dem Ausscheiden einer Kollegin aus diesem Haus auch Kompetenz, Schlagfertigkeit und Charme verloren gehen. Glück und Gottes Segen für Ihre neue Aufgabe in Rheinland-Pfalz!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Nun hat mir Kollege Hahn schon die Arbeit abgenommen. Also, Kollegin Klöckner, ergreifen Sie das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU – Florian Hahn [CDU/CSU]: Ich war mir nicht sicher, ob Sie das gut machen!)

Julia Klöckner (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, es ist meine letzte Rede hier im Deutschen Bundestag, zumindest meine vorerst letzte Rede.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Von der Bundesratsbank aus sehen wir Sie in fünf Jahren dann wieder!)

Ich möchte das einhalten, was ich vor der Wahl versprochen habe: dass ich komplett nach Rheinland-Pfalz wechsele.

(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Da sind Sie gut aufgehoben, beim Ministerpräsidenten Beck!)

Für meine Rede heute habe ich mir bewusst das Thema Bundeswehr ausgesucht. Ich komme aus einem Bundesland, in dem die Bundeswehr eine große Rolle spielt. Das gilt nicht nur für die Soldatinnen und Soldaten, sondern auch für die Zivilbeschäftigten, sei es in Birkenfeld, in Baumholder, im Grunde in ganz Rheinland- Pfalz.

(Jörg van Essen [FDP]: Idar-Oberstein nicht zu vergessen! Als Artillerist ist mir das ganz wichtig!)

– Dazu wollte ich gerade kommen. – Ich habe in Idar- Oberstein regelmäßig Gespräche mit Menschen geführt, deren Angehörige beispielsweise in Afghanistan sind. Wenn ich diese Gespräche beendet hatte, hatte ich meist mehr Fragen, als ich Antworten bekommen hatte. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Im Deutschen Bundestag haben wir häufig über Einsätze im Ausland entschieden. Nicht selten sind wir danach bei parlamentarischen Empfängen gewesen und zur Tagesordnung übergegangen.

Ich kann für mich sagen: Manche Entscheidungen habe ich schweren Herzens getroffen. Wir erleben dieser Tage, dass Menschen, die wir in den Auslandseinsatz geschickt haben, ums Leben kommen. Es ist gleich, ob wir diese Einsätze als Krieg bezeichnen oder nicht. Sie lassen ihr Leben im Dienst für unser Land. Das verdient Anerkennung. Das gilt auch für diejenigen, die sich in Zukunft für die Bundeswehr entscheiden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich gebe zu: Ich war immer eine Anhängerin der Wehrpflicht. Aber ich musste einsehen, dass die Wehrpflicht aufgrund des demografischen Wandels und der fehlenden Wehrgerechtigkeit so nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Ich war auch eine Verfechterin der allgemeinen Dienstpflicht. Dienst an einem Land kann ganz verschiedene Gesichter haben. Man kann sich um alte Menschen oder um Natur und Umwelt kümmern, und man kann sich für die Sicherheit des Landes einsetzen. Eine allgemeine Dienstpflicht ist verfassungsmäßig problematisch.

Deshalb setzt der Weg, den unser Bundesverteidigungsminister eingeschlagen hat und fortführen wird, großes Vertrauen voraus. Er hat bereits große Zustimmung bei den Betroffenen hervorgerufen. Deshalb bitte ich Sie alle hier im Parlament – ich werde das Nötige von Rheinland-Pfalz aus tun –, den Minister bei diesem Weg zu unterstützen und die Gelder zur Verfügung zu stellen, die wir jetzt brauchen, damit wir auf längere Sicht – nach der Neustrukturierung der Bundeswehr – weniger Geld brauchen. Das ist keine parteipolitische Frage, sondern gesamtgesellschaftliche Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Arnold hat vorhin Rheinland-Pfalz gelobt. Ich finde, Rheinland-Pfalz ist ein super Bundesland.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Rainer Arnold [SPD]: Es wird auch gut regiert! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Seit Jahrzehnten sozialdemokratisch regiert! Da haben Sie recht! Hervorragend!)

Dass es so super ist, hat es seinen Bürgerinnen und Bürgern, sicherlich auch den Winzerinnen und Winzern, zu verdanken.

(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Als was reden Sie jetzt?)

Bei allem geschätzten Können Ihrer Parteikollegen: Es geht auch um die Kraft der Menschen und darum, was die Menschen selber dort erreichen können. Ich halte es für nicht angemessen, dass in dem jetzigen Koalitionsvertrag von Rot und Grün steht, dass die Schule kein Rekrutierungsort für die Bundeswehr sein soll.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Damit stellen Sie die Bundeswehr mit Rechtsradikalengruppen und Sekten gleich, die nicht in der Schule werben dürfen.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen bildet! Entschuldigung, das steht da nicht drin!)

Das halte ich für nicht angemessen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist unglaublich, was Sie hier machen! Unfassbar!)

Die Bundeswehr hat etwas in der Schule zu suchen; denn sie bietet Berufsperspektiven. Die Bundeswehr bietet Studienmöglichkeiten, handwerkliche Ausbildungen und auch Sanitätsausbildungen.

(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Dass Sie nicht Ministerpräsidentin geworden sind, war gut! – Gegenruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nur getroffene Hunde bellen!)

Deshalb wird es auch Aufgabe der Bundeswehr sein, zu werben, damit sich junge Menschen für den Dienst in der Bundeswehr entscheiden. Wir haben bisher keine eigenen Erfahrungswerte, wie wir geeigneten Nachwuchs auf einer Freiwilligenbasis gewinnen können. Wir brauchen jeden. Ich bin auch Realistin: Das Ehrenvolle ist das eine; aber bei der Gewinnung von Vollbeschäftigten werden wir aufgrund der Attraktivität vieler anderer Arbeitsplätze vor besonderen Herausforderungen stehen.

Deshalb sollten wir bei dieser Zäsur darauf achten, dass das Gespräch über die Bundeswehr, über ihre verfassungsgemäße Verankerung nicht von den Tischen der Familien, nicht aus der Gesellschaft verschwindet. Die Bundeswehr ist kein Selbstzweck. Die Bundeswehr steht auch unter einer Kontrolle. Die Bundeswehr ist für uns im Einsatz. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden darüber entscheiden, wen Sie wohin schicken. Die Menschen können freiwillig wählen, ob sie Dienst in der Bundeswehr leisten – ja, das stimmt -; aber wir sollten nicht leichtfertig über die Einsätze entscheiden.

Wie gesagt, sehr geehrter Herr Minister, von Rheinland- Pfalz aus werde ich Sie unterstützen. Ich bedanke mich bei Ihnen und euch allen für eine tolle Zeit in neun Jahren.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Frau Klöckner, ich bedanke mich bei Ihnen im Namen des ganzen Hauses für Ihre engagierte Arbeit im Deutschen Bundestag. Ob das allerdings Ihre letzte Rede im Deutschen Bundestag war, kann man heute in Anbetracht Ihres Alters noch nicht vorhersehen.

(Beifall)

Ich schließe die Aussprache ...

Quelle: Stenografischer Bericht des Deutschen Bundestags, Plenarprotokoll 17/112, S. 12815-12835; www.bundestag.de


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