183 Schicksale
Deutsche Frauen in der Résistance (Buchbesprechung)
Von Gerhard Leo *
Unter den etwa Tausend Deutschen, die während der Nazi-Okkupation in der französischen
Résistance kämpften, haben die Frauen eine hervorragende, bislang oft unterschätzte Rolle
gespielt. An sie erinnert Ulla Plener, die jetzt, nach knapp einem Jahr, eine zweite, ergänzte und
überarbeitete Auflage ihrer Dokumentation »Frauen aus Deutschland in der französischen
Résistance« herausgab. Die neue Ausgabe enthält 183 Namen und Biografien deutscher
Antifaschistinnen, 51 mehr als in der ersten Edition. Ulla Plener, selbst Tochter einer der
dargestellten Heldinnen, bietet Einblicke in dramatische, ergreifende Schicksale.
Sie stammten vorwiegend aus Arbeiterfamilien. Oft waren sie schon als Kommunistinnen, in einigen
Fällen auch als Sozialdemokratinnen in Deutschland verfolgt worden, bevor sie nach Frankreich
fliehen mussten. Mehrere hatten sich während des spanischen Bürgerkrieges im Sanitätsdienst der
Streitkräfte der Republik engagiert. Andere waren in jüdischen Familien aufgewachsen und hatten
die verbrecherische Rassenpolitik der Nazis kennen gelernt. Auch Akademikerinnen und Ärztinnen
reihten sich in den französischen Widerstand ein.
Sie waren vorwiegend in der so genannten »Soldatenarbeit« eingesetzt. Ihre Aufgabe bestand darin,
mit Wehrmachtsangehörigen – immer in Begleitung einer Kameradin – ins Gespräch zu kommen,
vorsichtig Meinungen zu erkunden und, wenn möglich, für den antifaschistischen Kampf zu
überzeugen und neue Verbindungen herzustellen. Die Frauen in der Résistance waren aber auch
befasst mit der Redaktion, Fabrikation und Vervielfältigung der illegalen Publikationen und deren
Verbreitung. Sie hörten die Radiosendungen aus Moskau und London ab, stenographierten die
Texte und reichten sie weiter. Sie waren Kuriere und Transporteure. Sie wurden mit falschen
französischen Papieren als Hilfsangestellte in Dienststellen der Besatzungsmacht eingeschleust und
lieferten Stimmungsberichte und Informationen für die Résistance. Sie wurden als französische
Freiwillige zur Arbeit nach Deutschland entsandt, um dort für den Widerstand tätig zu werden. Viele
von ihnen halfen bei der Rettung jüdischer Kinder vor der Deportation. All dies unter ständiger
Lebensgefahr.
Die Gestapo und die deutsche Armeeführung in Frankreich schätzten die Arbeit der Frauen in der
Travail Allemand (Deutsche Arbeit, TA) als sehr gefährlich für die Besatzungsmacht ein. Die
Wehrmachtsoldaten wurden immer wieder vor den »deutsch sprechenden kommunistischen
Spioninnen« gewarnt. Fünfzehn der in der Dokumentation genannten Frauen sind der Gestapo in
die Hände gefallen. Sieben wurden hingerichtet, zwei andere starben im KZ Ravensbrück.
In Südfrankreich ist erst kürzlich einer Straße, die am ehemaligen Internierungslager in Brens
entlang führt, feierlich der Name Dora Schaul verliehen worden. Dora Schaul, Mitglied der KPD, aus
einer deutsch-jüdischen Familie stammend, war in diesem Lager festgehalten worden, bevor sie
daraus floh und die TA-Arbeit in Lyon aufnahm, wo sie der Résistance große Dienste leisten konnte.
Auf dem Friedhof von Alès in den Cévennen sind die Gräber von Lisa Ost und Hedwig Rahmel-
Roben mit der Inschrift versehen: »Deutsche Partisaninnen, gestorben für die Freiheit, von der
Gestapo ermordet.« Beide Frauen waren als Kuriere zwischen einer deutschen Partisaneneinheit in
den Cévennen und der TA-Leitung in Lyon tätig gewesen.
Im Deutschland von heute gibt es keine ähnlichen Ehrungen. Die bescheidene Bitte der Edition
Bodoni an die Bundeszentrale für politische Bildung, das Buch über die deutschen Frauen im
französischen Widerstand in das Publikationsangebot dieser Institution aufzunehmen, ist schroff
zurückgewiesen worden. Die Dokumentation sei für die Klientel der Bundeszentrale »zu speziell«,
hieß es in einem von Dr. Birgitta Gruber-Corr unterzeichneten Schreiben. Im Übrigen berücksichtige
man keine biografische Literatur. Es gibt aber im Publikationsangebot der Zentrale Bücher, in denen
Teilnehmer an der Verschwörung des 20. Juli auch biografisch gewürdigt werden, selbst diejenigen,
die zuvor Kriegsverbrechen begangen hatten.
Auch die zweite Ausgabe der Dokumentation von Ulla Plener erhebt nicht den Anspruch einer
vollständigen Darstellung, die Autorin bittet um weitere Hinweise, Korrekturen und Ergänzungen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. September 2006
Ulla Plener: Frauen aus Deutschland in der französischen Résistance. Edition Bodoni, Berlin 2006.
334 S., br., 24,80 EUR
Hier geht es zu einer Besprechung der ersten Auflage:
Frauen in der französischen Résistance (1. Auflage, 2005)
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