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Aggressive Pendeldiplomatie
Analyse: Washington hat unlängst das "pazifische Jahrhundert" der Vereinigten Staaten verkündet. Um nicht ins Abseits zu geraten, versucht die deutsche Außenpolitik auf Schleichwegen, in der Asien-Pazifik-Region besser Fuß zu fassen
Von Jörg Kronauer *
Kein geringerer als Wolfgang Ischinger erhob zu Jahresbeginn warnend seine Stimme. Der Strategiewechsel, den die Vereinigten Staaten unter dem Schlagwort »pazifisches Jahrhundert« eingeleitet hätten, müsse »für Europa ein dringender Weckruf sein«, äußerte der altgediente Diplomat, als die Militärzeitschrift Europäische Sicherheit&Technik (Heft 1/2012) ihn zur aktuellen weltpolitischen Lage befragte. »Nichts wird mehr so sein wie früher«, prophezeite Ischinger, der einst unter Genscher, Kinkel und Fischer im Auswärtigen Amt Karriere gemacht hatte, Staatssekretär im Außenministerium und Botschafter in Washington gewesen war, bevor er 2008 die Leitung der Münchener »Sicherheitskonferenz« übernahm. Die Neuausrichtung der US-Außenpolitik werde schon bald gravierende Folgen für Deutschland und die EU haben, wenn hierzulande kein Umdenken erfolge, sagte er voraus: Europa sei »dabei, als außen- und sicherheitspolitischer Akteur vom Radarschirm der Regierungen in Asien, aber auch in Washington zunehmend zu verschwinden«. Das müsse unbedingt verhindert werden.