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"Position für den Frieden"

Außenpolitische Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung: Gregor Gysi über "Haltepunkte" der deutschen Politik

Von Claudia Wrobel *

Innerhalb der Europäischen Union ist die Bundesrepublik Deutschland die stärkste Macht. Das ist weder gut noch schlecht, das ist erst mal so«, stellte Gregor Gysi, Fraktionschef der Partei Die Linke im Bundestag, auf der 6. außenpolitischen Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Freitag in Berlin fest. Die parteinahe Stiftung hatte unter dem Motto »Deutsche Außenpolitik. Alternativen« zu der Veranstaltung eingeladen. Neben einer Bilanz der bisherigen deutschen Politik gab es einen Ausblick, vor welchen Aufgaben Linke in Deutschland außenpolitisch stehen werden. Dazwischen dominierten militärische Aspekte, in Gesprächen über Waffenexporte und die Kriegführung mit Drohnen als Zukunftsmodell.

Den Anfang machte Gysi, der in einer einstündigen Rede die neuen Herausforderungen der deutschen Außenpolitik skizzierte. »Neben der Position gegen Sozialabbau ist die Position für Frieden ein Garant für die Zustimmung für Die Linke«, schwor er die etwa 70 Anwesenden auf die Kernpositionen der Partei für die Europawahl ein. Dieser Linie sei die Partei treu geblieben – und er hoffe, daß dies so bleibe. Doch nur ein anderes Europa zu fordern, reicht nach den Worten des Oppositionsführers im deutschen Bundestag nicht. Seine Partei solle möglichst konkret sagen, wie dieses Europa aussehen solle. Niemand gebe bisher eine Antwort auf die Frage, welches Ziel am Ende der europäischen Integration stehe.

Diese blieb auch Gysi schuldig, legte aber dar, was in der deutschen Europapolitik bisher falsch gelaufen sei. Die Wirkung der deutschen Vormachtstellung in der EU für die Krisenbewältigung in anderen Mitgliedsstaaten nannte er »verheerend«. Er geißelte unter anderem die Austeritätspolitik gegenüber Griechenland: Sparzwänge und Privatisierungsdruck führten dazu, daß Krankenhäuser nur zahlungskräftige Patienten behandeln könnten. »Politik, die die eigenen Interessen wohlstands­chauvinistisch absichert, gefährdet den sozialen Frieden«, beschrieb Gysi den Kurs Deutschlands. Seiner Meinung nach bräuchten Griechenland und andere Krisenstaaten eine Belebung der Konjunktur. Sparzwänge stünden dem aber entgegen. Außerdem kritisierte er, daß die »Tendenzen des Demokratieverfalls« in osteuropäischen Ländern, wie Bulgarien und Ungarn für die deutsche Außenpolitik keine große Rolle spielten, »statt dessen wird der Konflikt in der Ukraine verschärft«.

In der außereuropäischen Politik wünschte sich Gysi, mit Blick auf die bevorstehende Koalition aus Union und SPD, schon jetzt den liberalen Außenminister Guido Westerwelle zurück. Dieser habe zwar die Interessen Deutschlands anders definiert, als er es tue und sei »bei Wirtschaftsthemen nach vorne geprescht«, habe sich aber bei Kriegseinsätzen zurückgehalten. Besonders im Fall von Libyen und Syrien sei das eine andere Haltung gewesen als die der SPD. Auch an anderen Punkten ließ Gysi friedenspolitische Grundsätze erkennen. So bezeichnete er die Partnerschaft mit den USA als »mystifiziert«, da man angesichts von Angriffskriegen und gezielten Tötungen nicht von einer gemeinsamen Wertegemeinschaft sprechen könne, sondern von einer »Verrohungsgemeinschaft«. Die Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der NATO, der sich im Leitantrag des Vorstands der Partei Die Linke zur Europawahl findet, teilte Gysi nicht: »Wir können die NATO nicht morgen auflösen, aber sie muß nicht alleiniger Haltepunkt deutscher Außenpolitik sein.« Ob sich die von den anwesenden Parteimitgliedern beklatschte »Position für den Frieden«, durchsetzt, bleibt abzuwarten. Erst vor rund einer Woche hatte der Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich den Militäreinsatz in Zentralafrika auf seiner Internetseite (jW berichtete) begrüßt.

Nach der einführenden Rede Gysis leerten sich die Stuhlreihen merklich. Die inhaltlichen Veranstaltungen schienen fünf Monate vor der Europawahl weniger zu interessieren als die Ausführungen des Oppositionsführers im deutschen Bundestag.

* Aus: junge Welt, Montag, 16. Dezember 2013


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