Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Ein Sieg für Schröder - aber für wie lang und zu welchem Preis?

Pressestimmen zur Vertrauens- und Kriegsabstimmung im Deutschen Bundestag

Im Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus einer Reihe von Leitartikeln, die sich mit der Vertrauensfrage im Bundestag vom 16. November 2001 befassen.

Immer wieder ein intellektuelles Vergnügen bereiten die Kommentare von Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung. Der Leitartikel vom 17. November 2001 legt dem Kanzler nahe: Nur nicht zu früh freuen, Herr Schröder, denn der Preis der gewonnenen Schlacht ist hoch.


Süddeutsche Zeitung, 17. November 2001

Schröder hat gewonnen, aber nicht gesiegt. Sein Erfolg bei der Vertrauensabstimmung im Bundestag war ein Triumph des Augenblicks und des politischen Machismo – schon bald nachher schmeckt der Triumph ein wenig schal und abgestanden: Bonjour, Tristesse.

Der Preis für die gewonnene parlamentarische Schlacht ist hoch, vielleicht zu hoch für eine Regierung, wenn sie mehr will als das Ende der Legislaturperiode irgendwie zu erreichen: Zwar wurde der Kanzler verfassungspolitisch nobilitiert und kann stolz sein auf seine exekutive Kraft; seine Koalition aber wurde destabilisiert. Die Verbindung des Kriegsbeschlusses mit der Vertrauensfrage wirkte auf die rot-grüne Physis wie ein Elektroschock; in der Medizin ist man von dieser Heilmethode, der schweren Nebenwirkungen wegen, längst abgekommen. Der Kanzler hat sie rigoros und mit hoher Voltzahl angewandt. An den schweren Nebenwirkungen kann nun die rot- grüne Koalition den Rest ihrer Tage leiden. Ihre politische Kraft wird, vielleicht, mit knapper Not noch dafür reichen, begonnene Reformprojekte wie das Zuwanderungsgesetz über den parlamentarischen Parcour zu schleifen. Der Schwung, Neues anzupacken, die Energie zum Pläne schmieden, der Glaube an die eigene Zukunft ist gebrochen.

16. November 2001: „Kopf hoch“, sagte der Kanzler und warf dem Delinquenten die Schlinge um den Hals. Nicht wenige Grüne – und zwar nicht nur die vier, die letztendlich gegen den Kriegsbeschluss gestimmt haben – sehen ihre Partei in dieser Rolle. Joschka Fischer hat das gemerkt und sogleich reagiert: Er hat versucht, mit einer furiosen rot-grünen Regierungserklärung nicht nur um Vertrauen für den Kanzler, sondern auch für sich und die politische Reformkraft von Rot-Grün zu werben. Statt einer außenpolitischen hat er eine innenpolitische Rede gehalten, eine Rede an seine eigene Partei, eine Beschwörungsrede für das rot-grüne Reformprojekt. Die Frage der Wählerschaft lautet freilich: Wozu noch Feuer schüren, wenn man nichts mehr im Topf hat? Die Zukunft von Rot-Grün, aber auch die Zukunft der Grünen wird davon abhängen, dass dieser Eindruck widerlegt werden kann.

... Dieser Tag war vor allem ein Triumph des exzessiven Parteienstaates, der den Abgeordneten ent-persönlicht und ihn zu einem organisatorisch-technischen Zwischenglied zwischen Partei und Parlamentsbeschluss macht. Natürlich ist die Vertrauensfrage ein zulässiges Mittel. Es geht darum, wie man es einsetzt und dosiert. Es wäre anders gegangen: Der Kanzler hätte den Kriegsbeschluss und die Vertrauensfrage entkoppeln können. Er hätte dann für die Entsendung deutscher Soldaten eine große Mehrheit erhalten, jenseits der Trennlinien zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. Und er hätte anschließend die allgemeine Vertrauensfrage stellen können – dann allerdings mit dem Vorwurf leben müssen, dass er zwar ein wolkiges Allgemeinvertrauen der Regierungsfraktionen genießt, aber in einer der wichtigsten Fragen über keine eigene Mehrheit verfügt. In einem Land mit langer demokratischer Tradition wäre das kein Problem, würde dieser Vorwurf auch gar nicht erhoben, weil man mit wechselnden Mehrheiten gut leben kann In Deutschland ist das ein Problem. Der Kanzler würgte daher lieber die Freiheit des Abgeordneten. Und so demonstrierte der 16. November die Umkehrung des auf dem Papier noch immer geltenden Verfassungsprinzips: De jure sind die Abgeordneten an Aufträge und Weisungen noch immer nicht gebunden, de facto sind sie dem Willen der Partei- und Fraktionsführung unterworfen. Sie sprechen nicht für sich, sondern sind Lautsprecher ihrer Partei und Fraktion. Selten war das so deutlich wie am gestrigen Freitag, selten hat man die Domestizierung des Abgeordneten so bitter empfunden.

Und deshalb gibt es nach diesem Freitag nicht nur Gerhard Schröder als den Gewinner des Tages. Es gibt auch Helden über den Tag hinaus. Die vier Abgeordneten der Grünen und die eine Abgeordnete, die bisher Mitglied der SPD-Fraktion war – sie sind Helden des Parlamentarismus. Sie verdienen diesen Titel unabhängig davon, ob man ihre Anti-Kriegs-Position inhaltlich teilt. Diese fünf Abgeordneten sind in größter Bedrängnis standhaft und bei ihrer Überzeugung geblieben; und das verdient hohen Respekt. Auf diese fünf Abgeordneten passt das verächtliche Wort „Abweichler“, das auch Medien eilfertig propagiert haben, nicht – schon deswegen nicht, weil sie ja gar nicht abgewichen sind. Wenn jemand kritisiert werden muss, dann sind es die politischen Maulkorbträger in den großen Parteien, die dabei so tun, als trügen sie ein Visier.

Das Parlament: Vertreter des ganzen Volkes soll es sein, Kontrolleur der Regierung, Forum der Öffentlichkeit. Am Freitag war davon sehr wenig zu spüren. Der Bundestag war mitnichten ein Marktplatz der Meinungen. Die verbreiteten Zweifel am Sinn eines militärischen Anti-Terror-Einsatzes fanden kaum eine Stimme. Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung fand sich zu seiner Beschämung in dieser Frage nur noch von der PDS vertreten.

... Bei den Grünen lassen sich die Diskussionen nicht verschieben; der Partei steht in Kürze auf ihrem Parteitag in Rostock vor einer neuen Zerreißprobe – und ob sie überstanden wird, hängt davon ab, ob es gelingt, die galoppierende Entfremdung zwischen Oben und Unten aufzuhalten. Wenn es noch eine Brücke gibt zwischen Basis und Parteiführung, dann ist es die Innenpolitik; Joschka Fischer hat deshalb noch am Freitag im Bundestag begonnen, diese Brücke zu schlagen. Das Kalkül lautet so: Die grüne Partei geht kaputt, wenn sie versucht, sich gegen ihren eigenen Außenminister zu profilieren. Also muss sie verstärkt darauf setzen, die Partei als Bürgerrechtspartei gegen Schily, Beckstein und die sonstigen Eisenfresser in Szene zu setzen.

Noch schwieriger, aber überlebenswichtig wird es für die Grünen sein, den Erwartungsdruck der eigenen Klientel zu mildern – und ihr klar zu machen, dass man Berge nicht versetzen, sondern nur erklimmen kann.


Für den Leitartikler der Frankfurter Rundschau, Karl Grobe, ist durch den "riskanten Pragmatismus" der Abstimmung im Bundestag die Gewissensfreiheit der Abgeordneten "beschädigt" worden.

Frankfurter Rundschau, 17. November 2001

Die Entscheidungen über Krieg und Frieden haben die berufenen Interpreten der deutschen Verfassung den Volksvertretern überlassen. Sie haben sie mit guten Gründen dem Zugriff der Exekutive - der den Willen des Gesetzgebers vollziehenden Gewalt - aus der Hand genommen. Wie nur wenige andere sind die in diesem Zusammenhang zu fällenden Entscheidungen Sache des Gewissens. Abgeordnete sollen in letzter Instanz ihrem Gewissen gehorchen, unabhängig und in freier Entscheidung. Gewissen aber, die Fähigkeit der moralischen Selbstbeurteilung, ist auf Personen bezogen und nicht auf Organisationen, nicht einmal dann, wenn Verbände, Kirchen oder Parteien Personen zusammenfassen, die aus ihrer freien Gewissensentscheidung heraus zu gleichen oder sehr ähnlichen Grundsatzentscheidungen kommen. Gegen sein Gewissen zu handeln, darf niemand gezwungen werden. Darauf unter anderem beruht die zivile Gesellschaft, die Gesellschaft freier Bürger.

Die Entscheidung über eine politische Zweckgemeinschaft - etwa eine Koalition - ist hingegen vorrangig eine pragmatische, oft auch nur eine taktische, auch wenn das Gewissen durchaus mitspielen kann. Das löst diejenigen, die sie eingehen, nicht aus dem Dilemma, in gegebenen Fällen gegen das pragmatisch geboten Erscheinende zu votieren. Die Rebellion, die aus solchem Dilemma entspringen kann, ist ehrenwert, wenn sie überzeugend begründet werden kann - als Freiheitsbekundung aus Gewissensnot.

Bei der Abstimmung am Freitag hat jedoch - mit fünf Ausnahmen haargenau der Parteiarithmetik folgend - das pragmatische Votum Vorrang gehabt. Das ist eine interessante Umkehrung der Rangordnungen, bewirkt durch das Zuchtmittel der Vertrauensfrage. Bewusst, aber mit einem fast ausschließlich praktisch definierten Zweck, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die Fortexistenz seiner Kanzlerschaft und der rot-grünen Koalition auf gleichen oder sogar höheren Rang gehoben als die pazifistischen Überzeugungen einiger seiner eigenen Parteifreunde und vieler grüner Abgeordneter. Ein Sieg auch über die Opposition kam dabei heraus; aber zuerst ein Sieg über die Gewissensnöte der Abgeordneten.

... Die Gewissensfreiheit aller Abgeordneten ist beschädigt worden. Für die freiheitlich-demokratische Ordnung wird das zur schweren Hypothek.


Im Neuen Deutschland stellt der Chefredakteur Jürgen Reents lakonisch fest: "Nun darf marschiert werden..."

Neues Deutschland, 17. November 2001

Die Arabische Halbinsel, Zentralasien und Nordost-Afrika sind seit gestern 12 Uhr 45 Kriegsgebiet der Bundeswehr. Bei der Bekanntgabe des deutschen Kriegseintritts gab es stehende Ovationen der Abgeordneten von SPD und Grünen, die den Parlamentsbeschluss mit 336 Stimmen herbeigeführt haben. Man sah viele lachende Gesichter, Vertreter beider Parteien äußerten sich »froh«, gar »glücklich«.

Zynisch dargestellt? Die rohen Tatsachen sind genau diese. Zynisch ist, sie dahin umzudeuten, dass SPD und Grüne, vorerst, ihre Koalition gerettet hätten. Als Meister solcher Umdeutung zeigt sich Außenminister Fischer, der den Kriegsbeschluss als »Entscheidung über die Zukunft unseres Landes« und dessen »ökologische und soziale Erneuerung« einforderte. Ein ärmlicheres und erbärmlicheres Argument, Menschen in anderen Ländern und ihr Schicksal zur Geisel eigenen Regierungserhalts zu machen, ist selten erfunden worden.

Allerdings wäre dies ohne Rückgratbruch derjenigen – von 20 Abgeordneten der SPD und 15 bis 17 der Grünen war letzte Woche die Rede – nicht gegangen, die »eigentlich« keinen deutschen Soldatenexport wollten. Wenn es gelingen konnte, mit dem angedrohten Rauswurf aus der Regierung ihr Nein in ein Ja umzukehren, dürfte es kaum noch etwas geben, das nicht erpressbar wäre. Gewissenszweifel? Zwischen Regierungsbereitschaft und Kriegsbereitschaft haben auch sie damit ein Gleichheitszeichen gesetzt. Der Vorwand, sich so Einfluss zu erhalten, ist etwa von der Logik, einen Menschen zu überfahren, um sich mit eigenem Erste-Hilfe-Kasten als Wohltäter zu erproben.

Was für ein Krieg wird es sein, in dem Deutschland sich nun befindet? Vielleicht ein Krieg, von dem hier zu Lande niemand außer den Familien der eingesetzten Soldaten persönlich etwas merken wird. Leid anderer Menschen im Fernsehen weckt Mitleid, ist dennoch verdrängbar – und notfalls auch zensierbar. Vielleicht ein Krieg, dessen teilweise Resultate sogar von seinen Kritikern mit Erleichterung aufgenommen werden: Dass die brutale Unterdrückung (nicht nur) der Frauen in Afghanistan ein Ende findet, ist mehr als zu wünschen. Aber – Gregor Gysi hat in seiner Bundestagsrede zu Recht darauf verwiesen – dieser Krieg wurde nicht zur Befreiung der Frauen begonnen. Hätte es die Ermordeten des World Trade Center nicht gegeben, ihr Schicksal wäre den NATO-Regierungen weiter so egal wie vordem und anderswo.

Vielleicht aber auch ein Krieg, der sich schleichend auszuweiten droht, ausgeweitet wird, wie es US-Präsident Bush mehrfach angekündigt hat. Und der eines Tages offenbaren könnte, dass er ganz anderen Zwecken dienlich ist, als sie vage und dehnbar mit dem »Feldzug gegen den Terrorismus« und »Dauernder Freiheit« bezeichnet sind. Das großflächige Einsatzgebiet auch der Bundeswehr weist auf den Zusammenhang: Sicherung der Ölvorkommen im arabischen und zentralasiatischen Raum für »unsere Art zu leben« (Schröder).

Dem Terrorismus müsse Nähr- und Resonanzboden entzogen, der Ausgleich zwischen Arm und Reich ins Zentrum gerückt werden, heißt es ergänzend zum Kriegsbeschluss. Seit langem wird dies angemahnt und seit dem 11. September zerkauen es jene, die es bewirken könnten, zur bloßen Phrase, die den Marschbefehl nur begleitet. Deutschland im Krieg – den Luxus, sich aus ihm wegzudenken, werden Andere nicht genießen dürfen.


Vollends abgeschrieben hat die "junge welt" die Grünen. Arnold Schölzel kommentiert:

Junge Welt, 17. November 2001

Schief gehen konnte am Freitag im Bundestag nichts. Der Auftrag für die Regierungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen lautet, die allfälligen Kriege zu führen, ohne daß Antikriegsdemonstranten massenhaft den Verkehr behindern, den Abbau des Sozialstaates so zu beschleunigen, daß die Gewerkschaften sich freuen, wenigstens mitmachen zu können, und alle juristischen Instrumente bereitzulegen, um inneren Krisensituationen mit einer ganzen Skala von Notstandsmaßnahmen begegnen zu können. Die Voraussetzungen für eine rasche militärische Eskalation wurden in dieser Woche eindrucksvoll geschaffen.

Die Spitzen des DGB sind aus Kriegspatriotismus zu jedem Zugeständnis bereit, wie aus einem Anfang der Woche öffentlich gewordenen Geheimpapier hervorgeht. Das in erster Lesung am Donnerstag behandelte Sicherheitspaket des Bundesinnenministers untergräbt die Standards bürgerlicher Rechtsordnungen in einer Weise, daß die Evolution zum Notstandsstaat zukünftig eine Sache weniger bürokratischer Maßregeln ist. Der Kriegsbeschluß vom Freitag ist ein weiterer Schritt zur »Enttabuisierung des Militärischen« (Schröder) und zur Gewöhnung daran, daß Interessen wieder mittels Krieg durchgesetzt werden. Die Bundesrepublik ist kv., kriegsverwendungsfähig.

Das Kabinett Schröder/Fischer hat seit seinem Regierungsantritt 1998 den deutschen Rüstungsexport angekurbelt, die Umwandlung der Bundeswehr in eine weltweit aktionsfähige Interventionsarmee begonnen und nach dem Angriffskrieg gegen Jugoslawien nun den zweiten Kriegseinsatz deutscher Truppen nach 1945 eingeleitet. Der enorme demagogische Aufwand, der für den Einsatzbeschluß in dieser Woche von Politik und Medien geleistet wurde, läßt für die Zukunft Böses ahnen. Tatsache ist nun: Einem Kriegsgegner wird es, wie in der Vergangenheit, gleichgültig sein, wie dieser Beschluß zustande kam – ob vom Kaiser (»Jetzt oder nie«), vom faschistischen Diktator (»Zurückgeschossen«) oder von einem Bundeskanzler (»zivilisierte Welt«) herbeigeführt. Deutschland, genauer seine Bevölkerung, ist seit Freitag nach den Regeln des Völkerrechts ein legitimes Kriegsziel.

Vor diesem Hintergrund ist das Gejammer der Grünen, die sich selbst als erste Kriegsopfer betrachten, nur noch peinlich. Mit der Erfüllung des Regierungsauftrags hat wahrscheinlich ihr Abschied aus der Regierung begonnen. Ihre Schuldigkeit haben sie getan und sich dafür mehrfach Bestnoten bei den Herrschenden abgeholt. Die nächsten militärischen Schritte Deutschlands auf der Weltbühne werden folgen. Die Instrumente, mit denen sie nach innen und außen abgesichert werden können, sind jetzt da.


Christian Semler macht in seinem Kommentar für die Tageszeitung taz auf die Risiken der von Taktik bestimmten Abstimmung aufmerksam.

taz, 17. November 2001

Aufatmen bei Rot-Grün nach der gewonnenen Vertrauensabstimmung? Keineswegs. Das Stimmensplitting bei den acht Neinsagern rettete zwar die Koalition, beseitigte aber nicht das Problem, das seit der Erklärung der "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA durch Bundeskanzler Schröder herrscht. Im Kern geht es darum, wie die Bundesrepublik (und die Europäische Union) künftig gegenüber der militärischen Supermacht einen Entscheidungsspielraum wahren und wie sie vermeiden will, dass der Blankoscheck, den sie ausgestellt hat, tatsächlich eingezogen wird.

Bei ihrem Abstimmungsverhalten folgten die grünen Kritiker des Regierungskurses einem Abwägungsmodell. Auf der einen Waagschale die Ablehnung des Krieges, auf der anderen die Teilnahme an der Koalition und die Chancen künftiger, politischer Mitgestaltung. Die Aufteilung der Stimmen folgte den Regeln pragmatischer Rationalität. Flagge zeigen und Rot-Grün retten. Aber in diesem Verfahren stecken unwägbare Risiken.

Denn entgegen den Zusicherungen, die in dem jetzt angenommenen Antrag der Bundesregierung enthalten sind, sind die politischen Ziele und ihnen folgend die Kriegsziele der "Anti-Terror-Koalition" so weit und so undeutlich gefasst, dass sie sich jeder Auslegung fügen. Was bedeutet beispielsweise die Einschränkung in dem Antrag "Einsatz außerhalb Afghanistans nur mit Zustimmung der Regierung des Landes, in dem der Einsatz erfolgen soll"? Es sollte nicht schwierig sein, eine solche Regierung zu basteln, notfalls im Exil.

Zwar wird uns versichert, der vor uns liegende, "lang dauernde Krieg" werde stets der politischen Hauptprämisse - Kampf dem internationalen Terrorismus - folgen und in politische, humanitäre und wirtschaftliche Maßnahmen eingebettet sein. Aber was heißt das? Wie weit genau und gegen welche Staaten wird das Anti-Terror-Netz ausgespannt werden?

Das sind keine Fragen, die vor allem einer individuellen Gewissensprüfung unterliegen, die vor dem "inneren Gerichtshof" jedes Abgeordneten entschieden werden. Sie sind Gegenstand der politischen Vernunft und müssen in der Öffentlichkeit rational erörtert werden. Das heißt aber auch: ohne Zwang.

Die Abstimmungstaktik der oppositionellen Bündnisgrünen folgte dem Prinzip des "rational choice", sie hat alle Identitätsgesichtspunkte beiseite gelassen. Sie hat Glaubwürdigkeitsverlust in Kauf genommen, um Bewegungsspielraum zu erhalten. Den gilt es jetzt für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit Schröders bedingungsloser Gefolgschaft zur Bush-Administration zu nutzen. Sonst wird Schröder den Grünen gegenüber künftig nur eine Umgangsform kennen - das Schlittenfahren.


Im Leitartikel des Berliner Tagesspiegel von Robert von Rimscha wird Bedauern darüber deutlich, dass die Bundesrepublik immer noch nicht ihre "Rolle in der Welt" gefunden habe.

Der Tagesspiegel, 17. November 2001

...
Rotgrün regiert weiter - die SPD gestärkt, die Grünen geschwächt, beide gezüchtigt. Das Mittel indes war ein Novum. Verfassungsrechtlich, weil diese vierte Vertrauensfrage die erste war, die mit einer Sachentscheidung gekoppelt wurde. Inhaltlich, weil Kosovo oder Mazedonien dieselben Risse im Regierungslager gezeigt haben, das Problem also alt war, nur die Lösung umso neuer. Politisch, weil Daumenschrauben noch nie so unverblümt eingesetzt wurden.

Die Zerreißprobe der Grünen dauert an. Bewiesen hat die Partei nicht, dass sie vom Friedens-Zeltlager auf den Feldherrenhügel gewechselt ist, sondern dass sie beide Orte nicht mag. Inhaltlich ist das Ja der Grünen-minus-vier zur Bundeswehr-Bereitstellung nichts wert. Der Machterhalt hat gesiegt. Nicht über die Moral, die hat hier keiner gepachtet, sondern über Inhalte. Das Gebäude, das da aus der Kombifrage nach Vertrauen und Einsatz zusammen gezimmert wurde, kann morgen einstürzen. Oder in Rostock, beim Parteitag der Grünen. Denn deren Fraktion hat sich der Gnade der Basis ausgeliefert.

Was die Sachfrage angeht, stand nur zur Debatte, ob jenseits der PDS eine Handvoll oder zwei Dutzend weitere Parlamentarier der Ansicht sind, dass der Krieg gegen die Taliban falsch war und der erst beginnende Kampf gegen den Terror falsch ist. Dennoch bleibt die Bereitstellung von bis zu 3900 Soldaten für ein ganzes Jahr und für Einsätze jenseits der Bündnisgebietes ein Meilenstein. Allerdings einer, dessen Bedeutung durch die Übermacht der Innenpolitik unzulässig geschmälert wurde.

Jetzt also: Weiter so. Die Opposition kann's zufrieden sein. Die Union freut sich, dass miese Wirtschaftszahlen und noch kommende Bundeswehreinsätze zur Sicherung humanitärer Einsätze weiter an Rotgrün zehren werden. Die PDS jubiliert, weil ihr das pazifistische Podium überlassen wird. Die FDP muss sich noch ein wenig gedulden. Und Schröder selbst? Der Respekt vor seinem Mut schwand in dem Maße, in dem der Glaube zerstob, er gehe ein Risiko ein. Der Kanzler ließ eine Frage der Stärke, der Bestätigung, nicht der Schwäche und des in der Luft liegenden Wechsels stellen. Doch zwei Begründungen durfte man von ihm erwarten. Erstens: Wie kämpfen, nun, nachdem die Lage in Afghanistan sich so dramatisch und erfreulich gewendet hat? Zweitens: Weshalb weiter Rotgrün?

Vor den Fraktionen mag der Kanzler überzeugt haben, im Bundestag war er erstaunlich fahrig, unkonkret und müde. Den Krieg begründete er mit Versatzstücken aus früheren Reden und defensiv; die Stichworte lauteten Notwendigkeit, Verantwortung, Pflicht. Zur zweiten Frage, der selbstgestellten nach der Koalition, fiel dem Kanzler nur das Stichwort Verlässlichkeit ein; er erwähnte weder den Partner noch die gemeinsamen Erfolge noch die anstehenden Projekte. Es waren andere, die Kraft in die Debatte trugen: Merz, Fischer und Westerwelle. Im Vortrag des Unions-Fraktionschefs fand sich ein Satz, der stehen bleiben wird: "Sie haben die Grundfragen der Wehrhaftigkeit dieser Demokratie nie ehrlich geklärt."

Dies ist der berechtigte Hinweis auf das grundlegendste Versäumnis der Regierung, wenn es um Deutschlands Rolle in der Welt geht. Allerdings zielt der Vorwurf über Rotgrün hinaus. Diese Gesellschaft hat sich noch nicht zu einer aus Überzeugung getragenen Position vorgearbeitet, wenn immer es um bewaffnete Einsätze geht. Schröder selbst fand den Ausdruck für die Ambivalenz der Republik. Was der Bundestag getan habe, sei eine "epochale Entscheidung, wenn man so will". Wollen wir? Will Schröder? Am 7. Oktober begann der Krieg gegen den Terror. Alle sagen, er werde Jahre dauern. Heute ist der 17. November.


Im Nachbarland Österreich wird die deutsche Diskussion aufmerksam verfolgt. Im Wiener "Standard" wirft Gerhard Plott einige kritische Frage auf:

Der Standard (Wien), 17. November 2001

Gerhard Schröder ist kein Mann, dem man ein gestörtes Verhältnis zur Machtausübung unterstellen darf. Zielstrebig - unter Verwendung von Zuckerbrot und Peitsche bis zum politischen Elektroschock - hat er Deutschlands internationale Bündnisfähigkeit erzwungen. Mit der ihm eigenen Brachialität verknüpfte Schröder die Zustimmung des Bundestages und seines grünen Koalitionspartners zu deutschen Militäreinsätzen im Ausland mit der Vertrauensfrage im Parlament und gewann fürs Erste knapp. Die Bundesrepublik soll künftig weder teilungs- noch geschichtsbedingt eine weltpolitische Sonderrolle einnehmen, die organisierte Verantwortungslosigkeit der Deutschen soll ein Ende haben.

Das in Europa fest integrierte Deutschland wird jetzt endlich normal, meinen Optimisten, es dürfe jetzt kein Zurück mehr zu Isolationismus und Scheckbucheinsatz geben. Pessimisten hingegen sehen germanische Kämpfer wieder hurra-patriotisch an diversen vordersten Fronten, wobei Gerhard Schröder offenbar den Tambourmajor von US-Präsident George W. Bush geben will. Nun würden die Deutschen wieder ihre Pflicht erfüllen.

Schröder selbst hatte leichtes Spiel, er handelte aus einer Win-Win-Position heraus, er konnte nicht verlieren. Hätten sich die Grünen quer gelegt und dem Regierungschef das Misstrauen ausgesprochen, hätte Schröder, ohne mit der Wimper zu zucken, die Koalition für beendet erklärt und Neuwahlen ausgeschrieben. Angesichts ausgezeichneter Umfragewerte, einer maroden christdemokratischen Opposition und der deutschen Eigenheit, sich in Krisenzeiten stramm hinter einer Führungsperson zu versammeln, wäre Schröder ein überzeugender Wahlsieg sicher.

Für die Grünen bliebe es hingegen mehr als fraglich, ob sie im Fall von Neuwahlen einen neuerlichen Sprung ins Parlament überhaupt schaffen würden. Deshalb wird es sich auch die bekannt sprunghafte grüne Basis auf den kommenden Parteitagen gut überlegen, die rot-grüne Koalition aufs Spiel zu setzen.

Macht tut eben gut, auch den Grünen. Trotzdem dürfen sich die Frauen und Männer um Politstar Joschka Fischer nicht zu früh freuen, Schröder wird die Grünen weiterhin würgen, bis sie blau sind. Ausgesprochenes Vertrauen ist zwar gut, Kontrolle ist aber besser, das weiß Schröder von einem Herrn namens Wladimir Iljitsch Uljanow - besser unter dem Pseudonym Lenin bekannt.

Die Grünen werden auch weiterhin an Schröders kontrollierender Kandare gehen, sie sind und bleiben in seinen sozialdemokratischen Augen unsichere Kantonisten. Schon in seiner Zeit als Regierungschef in Niedersachsen ließ Schröder seine grünen Partner über die Klinge springen, sobald er auf (minimale) eigene Mehrheiten zurückgreifen konnte. Wie vertrauensvoll kann eine Koalition jetzt noch zusammenarbeiten, in der der Seniorpartner dem Junior permanent die Pistole an die Brust setzt?
...
Die Aufgabe der Grünen wäre es gewesen, die Zustimmung zum Krieg nicht von nebulosen Nebensächlichkeiten abhängig zu machen - dafür ist es längst zu spät, die militärische Logik regiert bereits.

Die entscheidende Frage wird bestehen bleiben: Wie sehr, in welchen Umfang und wie "bedingungslos" muss europäische Unterstützung für die USA sein? Ist Kritik an Vorgangsweisen zulässig oder werden gegenteilige Meinungen schon als Teil eines terroristischen Aktes verstanden? Der erzwungene Blankoscheck am Scheideweg entmündigt zumindest das deutsche Parlament in einer Existenzfrage Europas und beschleunigt, nebenbei, das Ende der Grünen.


Die konservative Neue Zürcher Zeitung attestiert den Grünen einen Reifeprozess in Sachen Bellizismus.

Neue Zürcher Zeitung, 17. November 2001

Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, dürfte sich am Freitag mit seiner Prognose über das politische Schicksal von Bundeskanzler Schröder getäuscht haben. Was immer das Ergebnis der vom Kanzler gestellten Vertrauensfrage sein werde - so argumentierte Merz -, diese Abstimmung bedeute den Anfang vom Ende der Regierung Schröder. Ausdrücklich verwies der CDU-Politiker auf das Beispiel des früheren SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt. Dieser hatte im Frühjahr 1982 ebenfalls die Vertrauensfrage gestellt, mit dem Zweck, die zerstrittenen Reihen der damaligen SPD/FDP-Koalition wieder sichtbar hinter sich zu scharen. Das war ihm zwar gelungen, doch schon ein paar Monate später brach Schmidts Regierungsbündnis vollends auseinander.

Die von Merz bemühte Parallele zwischen der Situation Schmidts und der heutigen Position Schröders ist indessen nicht überzeugend - ganz abgesehen von den in mancher Hinsicht sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten der beiden SPD-Regierungschefs. Denn selbst wenn Schröder die Vertrauensabstimmung vom Freitag verloren hätte und es in einigen Wochen zu vorgezogenen Neuwahlen gekommen wäre, so hätte er nach heutiger Lage der Dinge gute Chancen, als Sieger aus dieser Wahl hervorzugehen und eine neue Regierung zu bilden - sei es mit den Grünen oder mit der FDP. Den Wahlkampf hätte er übrigens mit dem starken Amtsbonus des Bundeskanzlers bestreiten können. Diesen Vorteil hatte Schröders SPD-Vorgänger Schmidt vor 19 Jahren nicht, weil damals der Koalitionspartner FDP mit seinem «fliegenden Wechsel» ins Unionslager Schmidts sofortigen Abgang erzwang.

Im Vergleich zu Schmidts Regierungsbündnis Anfang der achtziger Jahre scheint Schröders rot-grüne Koalition heute doch um einiges besser intakt zu sein. Damals war die Kanzlerpartei SPD in der sogenannten Nachrüstungsfrage - es ging um die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen in Europa, falls die Sowjetunion ihre bereits aufgestellten Waffen gleicher Reichweite nicht vernichten sollte - hoffnungslos zerstritten. Diese Zerstrittenheit war auch der zentrale Grund für Schmidts vorzeitigen Sturz. In der Folge mussten die deutschen Sozialdemokraten 16 lange Jahre auf den harten Oppositionsbänken ausharren. Bei allem Murren über manche Richtungsentscheidung Schröders haben sich viele Akteure auf dem linken SPD-Flügel diese bittere Erfahrung offenbar hinter die Ohren geschrieben.

Mit seiner Vertrauensfrage hat der Kanzler die disziplinierende Wirkung dieser Einsicht geschickt genutzt. Er hat mit diesem Manöver vorläufig auch die innerlich weit stärker gespaltenen Grünen wieder unter das Joch des gemeinsamen Regierungserhalts gezwungen. Mancher hartgesottene pazifistische Fundamentalist in den grünen Reihen, der offenbar glaubt, das Taliban-Regime und seine terroristischen Ausläufer liessen sich allein mit zivilen Mitteln ausschalten, hat sich dieser Übung nur zähneknirschend gebeugt. Doch wer bei der Abstimmungsdebatte im Bundestag der Rede etwa der grünen Fraktionsführerin, Kerstin Müller, zugehört hat, muss einräumen, dass auch in dieser Partei gerade beim Thema Militär und Friedenspolitik ein beachtlicher Denk- und Differenzierungsprozess stattgefunden hat.

Mit Aussenminister Fischer hat Schröder ausserdem einen Koalitionspartner an seiner Seite, der mit seinen engagierten Auftritten keinen Zweifel daran lässt, dass er mit Herzblut und Überzeugung zur Fortsetzung dieses Regierungsbündnisses steht. Fischer war es auch, der am Freitag der CDU/CSU am effektvollsten ihre eigenen Schwächen und Widersprüche vorrechnete. In Wirklichkeit hätten die Unionsparteien doch Stossgebete gen Himmel geschickt, dass Schröder mit der Vertrauensfrage nicht scheitern und es nicht zu vorzeitigen Neuwahlen kommen werde. ...


Rudolf Augstein, der alte Mann des kritischen Magazin-Journalismus geht in der SPIEGEL-Ausgabe 47 vom 19. November 2001 mit Schröders atlantischer Politik ins Gericht.Gleichzeitig fällt er ein vernichtendes Urteil über den US-Krieg in Afghanistan. Auszüge daraus:

Die Amerikaner haben ein hungerndes Land in Grund und Boden gebombt. Ihre Pläne zur Terrorismusbekämpfung sind ein Abenteuer. Deutschland muß seine Beziehung zu den Vereinigten Staaten überdenken.

Gerade mal zwei Stimmen über den Durst. Und doch: Riskant war es wohl kaum, dass Gerhard Schröder im Parlament die Vertrauensfrage gestellt hat. Er wusste, was er tat, und hat für die Stimmen in seiner Koalition bis zuletzt redlich gerackert. Wer weiß - vielleicht wäre ihm eine Niederlage bei der Abstimmung im Bundestag noch lieber gewesen. Die anschließende Wahl hätte er haushoch gewonnen und sich einen Koalitionspartner aussuchen können.
...
Die Amerikaner haben ein armes, hungerndes Land in Grund und Boden gebombt und dabei jede Verhältnismäßigkeit missen lassen. Man täusche sich nicht: Die militärischen Erfolge der Nordallianz sind für den Westen Pyrrhussiege. In Kabul herrschen jetzt wieder die Stammesführer, die Afghanistan schon einmal in den Abgrund getrieben haben. Nicht gerade Bundesgenossen, die man sich wünscht.
...
Die Taliban sind ohne Zweifel widerwärtige, fanatische Gotteskrieger. Doch sie sind auch hervorragende Guerrillakämpfer. Sie hatten schon vor ihrer Flucht vorsichtshalber angekündigt, wenn man sie aus den Städten vertriebe, würden sie sich in ihre bergigen Verstecke zurückziehen. Einen solchen Guerrillakampf hat die riesige Sowjetmacht schmählich verloren. Man darf gespannt sein, mit welch hochgezüchteten neuen Waffen die Amerikaner versuchen, diesen Krieg zu gewinnen. Und man darf skeptisch sein, ob ihnen das gelingt.

Deutschland muss seine Beziehungen zu den Vereinigten Staaten überdenken, solange der US-Präsident Bush an seiner arroganten Parole festhält: "Wer nicht für uns ist, ist gegen uns." Diesmal haben sich Schröder und sein Außenminister, mehr willig als unwillig, überrollen lassen. Aber es drängt sich dann doch die Frage auf, warum wir im vorauseilenden Gehorsam Pläne der US- Regierung mittragen sollen, die wir nicht kennen und auf die wir keinen Einfluss nehmen dürfen. Es geht dabei wohlgemerkt nicht um die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Amerika, die über lange Jahre gewachsen sind und ganz unabhängig von der großen Politik gedeihen.

... Washingtons Art, den Terror weltweit und weitgehend ohne Berücksichtigung seiner Wurzeln zu bekämpfen, wird zu noch mehr Terror führen. Die Nato ist weder dazu da noch in der Lage, Terroristen auf den Philippinen oder irgendwo im Nahen Osten aufzuspüren.

Im Golfkrieg waren die Interessen der Amerikaner so unmittelbar und tief berührt, dass sie mit oder ohne Bundesgenossen eingreifen mussten. Es ging ums Erdöl. Womöglich geht es auch bei dem jetzigen Krieg um strategische Interessen, um neue Pipelines durch Afghanistan.

Dass Usbekistan und Tadschikistan, die neuen US-Verbündeten, Menschenrechte massiv verletzen, kümmert in Washington keinen. So wenig wie die Leiden der irakischen Zivilbevölkerung. Die Amerikaner haben den Diktator Saddam Hussein, den sie früher gegen Teheran aufrüsteten, ja absichtlich als geschwächten Politiker weiter an der Macht gelassen.

In Washington wird jetzt hinter den Kulissen heftig gerungen: Eine Fraktion um den Vize-Verteidigungsminister Paul Wolfowitz möchte am liebsten gegen Bagdad losschlagen. Aber selbst Wolfowitz weiß nicht, ob es nach einem möglichen Sturz Saddams nicht noch schlimmer kommen würde. Auch in Kabul ist keinesfalls sicher, dass durch den Sieg der Nordallianz eine langfristige Verbesserung für die Lebensumstände der leidenden Bevölkerung erreicht wird. Zwischen den triumphierenden Stammeskriegern und marodierenden Räuberbanden ist der Unterschied nicht allzu groß.
...


Zur Seite "Außenpolitik"

Zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage