Unterschriften unter Cochemer Appell im Auswärtigen Amt übergeben
Staatssekretär Volmer "aufgeschlossen und locker"
Von Hans-Peter Richter*
Am 16. Januar übergab eine kleine Delegation des Trägerkreises "Atomwaffen
Abschaffen" in Berlin den "Cochemer Appell" mit ca. 18.000 Unterschriften an
den
Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ludger Volmer.
Der Appell lautet:
"NICHT LÄNGER ATOMWAFFEN AUF DEUTSCHEM BODEN.
Zehn Jahre nach Ende des Kalten Krieges lagern noch immer Atomwaffen auf deutschem Boden. Gegen wen sind sie gerichtet? Atomare Massenvernichtungswaffen bedrohen die
Menschheit. Sie müssen unverzüglich abgeschafft werden. Die Bundesrepublik
Deutschland soll mit gutem Beispiel vorangehen. Wir fordern die
Bundesregierung auf von den Verbündeten zu verlangen, die Lagerung von Atomwaffen auf deutschem Boden zu beenden, die nukleare Teilhabe in Büchel aufzukündigen und sich international für die Abschaffung aller Atomwaffen einzusetzen. Eine Welt
ohne Atomwaffen ist eins visionäres, aber politisch erreichbares Ziel."
Volmer wurde begleitet von Herrn Heiner Horsten, Referatsleiter für
nukleare Abrüstung im Auswärtigen Amt und seiner persönlichen Referentin
Frau Niebling-Wriess. Nach
der Übergabe nahm Vollmer zu unseren Forderungen Stellung. Zunächst
beschrieb
er die Haltung der Bundesregierung zum Abrüstungsprozess (START II und III)
und
kam dann auf das nationale Raketenabwehrsystem der USA (NMD). Das NMD werde
in
der Öffentlichkeit unterschätzt. Es gefährde den ABM-Vertrag. Das Auswärtige
Amt
und alle Parteien seien gegen das NMD. Auch die Mitarbeiter im
diplomatischen
Korps seien so instruiert worden. Er vermute sogar, dass US-Präsident
Clinton
aufgrund dieser klaren Haltung eine Verschiebung der Entscheidung
beschlossen
hat. Die anderen Europäer hätten eher eine pragmatische Haltung und gingen
davon
aus, dass sich das NMD nicht verhindern lässt und würden sich eher auf
Initiativen zur atomaren Abrüstung konzentrieren.
Bei der atomaren Abrüstung
hätte es durch die Bundesregierung zwei Fortschritte gegeben. In der neuen
NATO-Doktrin sei die Rolle der Atomwaffen vermindert worden. Sie sollen
jetzt
als Abschreckungsmittel nur noch unter extremen Umständen eingesetzt werden.
Zum
anderen wäre auf UN-Ebene eine Zusage zur Abrüstung der Atomwaffen erreicht
worden. Unklar blieb, ob er damit die NPT-Verhandlungen meinte oder die
Tatsache, dass Deutschland erstmals die "Middle Power Initiative" in der
UN-Vollversammlung unterstützt hatte. (Am 1.11.2000
wurde
der Vorschlag zur totalen Abschaffung der Atomwaffen mit 146 Stimmen
angenommen.
Unter den Ja-Stimmen waren erstmals alle NATO-Länder außer Frankreich.
Russland
und Frankreich enthielten sich der Stimme. Nein-Stimmen kamen von Indien,
Israel
und Pakistan.).
Das Auswärtige Amt strebe weiterhin an der Umsetzung eines neuen
Sicherheitsbegriffes, der nicht militärisch definiert ist.
Nach seinem Statement wurde Volmer nochmals über die atomare Teilhabe
befragt. Die Bundeswehr könne doch einseitig die Ausbildung von Soldaten an
Atomwaffen und die Bereithaltung von Bundeswehrtornados für US-Atomwaffen
einstellen. Dazu sagte er: "Von solchen einseitigen
Schritten halte ich nicht mehr viel." Deutschland hätte wenig Einfluss. Als
loyaler NATO-Partner sei es sinnvoller mit den anderen zusammen an der
Veränderung der NATO-Doktrin zu arbeiten. Dabei seien solche
Unterschriftensammlungen hilfreich, können man doch dann in den
Verhandlungen
darauf verweisen, dass die Bevölkerung eine antinukleare Politik wolle.
Wir wiesen auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofes von den Haag
hin,
dass 1996 Atomwaffen für völkerrechtswidrig erklärt hatte. Vollmer meinte
dazu,
es gäbe in der Auffassung der IALANA und ihm Interpretationsunterschiede,
aber
ohnehin sei Deutschland keine Supermacht und könnte seine Position nicht so
einfach zur Geltung bringen.
Zum Abschluss forderten wir, dass die "Middle Power Initiative" in der
Öffentlichkeit stärker unterstützt werden sollte, z.B. durch Teilnahme an
entsprechenden Konferenzen.
Insgesamt zeigte sich Volmer aufgeschlossen und locker und auch zu weiteren
Gesprächen bereit.
* Hans-Peter Richter ist Redakteur von PAX REPORT, der Zeitung des Deutschen Friedensrats, und Mitglied im Bundesausschuss Friedensratschlag.
Die amtliche Presseerklärung aus dem Auswärtigen Amt:
Staatsminister Volmer sprach mit Trägerkreis "Atomwaffen Abschaffen"
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Ludger Volmer, empfing heute die
Vertreter des "Trägerkreises Atomwaffen Abschaffen", eines Dachverbandes von
40 Gruppen und Vereinigungen, die sich für nukleare Abrüstung weltweit
einsetzen. Sie übergaben ihm Listen mit ca. 18.000 Unterschriften unter
einen "Cochemer Appell", deren Unterzeichner die Bundesregierung zu
verstärktem Einsatz für die weltweite nukleare Abrüstung auffordern. Beide
Seiten waren sich darüber einig, dass in den letzten Jahren wichtige
Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung erreicht wurden, die Frage jedoch
weiter auf der internationalen Agenda bleiben muss.
Staatsminister Volmer sagte im Anschluss an das Gespräch : "Diese Aktion
zeigt, dass in der Bevölkerung auch heute große Sensibilität für Fragen der
nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung existiert. Die Bundesregierung
sieht sich darin bestärkt, sich für Fortschritte in diesem Bereich weiter
intensiv einzusetzen."
Dabei verwies er auf die von den Atomwaffenstaaten im Schlussdokument der
Überprüfungskonferenz des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags übernommene,
verstärkte Verpflichtung zur vollständigen nuklearen Abrüstung. Ebenso
verwies er auf die im Strategischen Konzept der NATO erheblich reduzierte,
politische und militärische Bedeutung der Nuklearwaffen, für die sich die
Bundesregierung nachdrücklich eingesetzt hat.
Erschienen: 16.01.2001 www.auswaertiges-amt.de
Zu weiteren Beiträge über Atomwaffen und atomare Abrüstung:
Atomwaffen
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