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START-Schuss in Moskau

Heute beginnen die russisch-amerikanischen Verhandlungen über atomare Abrüstung

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Heute (18. Mai) beginnen in Moskau auf der Ebene der Vizeaußenminister die Verhandlungen zwischen Russland und den USA zur strategischer Abrüstung.

Beide Seiten stehen unter immensem Zeitdruck. Ab heute geht es um die Rohfassung eines atomaren Abrüstungsabkommens, das die Präsidenten Dmitri Medwedjew und Barack Obama bei dessen Moskau-Besuch am 6. Juli unterzeichnen wollen. Denn der 1994 in Kraft getretene bilaterale START-Vertrag zur Reduzierung der strategischen Offensivwaffen läuft am 5. Dezember aus. Er ist ohnehin hoffnungslos veraltet, weil er die gegenseitige Abschreckung auf einem Niveau festschreibt, das noch ein Relikt von Blockkonfrontation und Kaltem Krieg ist: 1600 Trägermittel und 6000 nukleare Sprengköpfe pro Seite.

Sowohl Russland, das per 1. Januar dieses Jahres über 814 Träger und 3909 Kernsprengköpfe verfügte, als auch die USA, die am gleichen Tag 1198 Raketen und 5576 Gefechtsköpfe zählten, peilen bei einem Folgeabkommen deutlich niedrigere Obergrenzen an -- im Endstadium 600 bis 700 Träger und 1000 einsatzbereite Sprengköpfe auf jeder Seite. Das Ziel ist damit klar, über die Wege dorthin dürfte noch heftig gefeilscht werden. Moskau fürchtet, die USA könnten erneut versuchen, einen Teil ihrer strategischen Raketen aus der atomaren Abrüstung auszuklammern und sich dabei auf die noch von der abgewählten Bush-Administration in Kraft gesetzte Doktrin des »Prompt Global Strikes« berufen.

Diese Ängste sind nur die Spitze eines Eisbergs aus Misstrauen, der sich in den letzten acht Jahren zwischen beiden Ländern aufgebaut hat und den Neustart der russisch-amerikanischen Beziehungen, den Medwedjew und Obama im April bei einem erstem Gespräch am Rande des G20-Gipfels in London vereinbarten, so schwierig macht.

Um das gestörte Vertrauen wiederherzustellen, so ein Kommentar der Nachrichtenagentur RIA nowosti, die dem russischen Außenministerium nahe steht, sei »eine Geste mit großem Symbolwert erforderlich« -- ein Paukenschlag wie ein Folgeabkommen für START I. Zumal davon weitere konkrete Abrüstungsinitiativen abhängen. So jedenfalls ließ sich Washingtons Chefunterhändlerin, die für Rüstungskontrolle zuständige Vizeaußenministerin Rose Goettemoeller, Anfang Mai von der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax zitieren. Die USA würden gleich nach Inkrafttreten eines neuen Abkommens zur Begrenzung strategischer Kernwaffen »mit Freuden« auch über die Abrüstung bei taktischen Kernwaffen in Europa verhandeln.

Noch hält sich jedoch Russlands Begeisterung dafür in Grenzen. Bewegung gibt es inzwischen aber auch hier. Verzichtet Washington auf seine Raketenabwehrpläne in Osteuropa, durch die Russland sich bedroht fühlt, will Moskau, wie der damalige Präsident Wladimir Putin schon 2007 vorschlug, den USA nicht nur die Nutzung eines in Aserbaidschan stationierten und langfristig von Russland gepachteten Radars anbieten. Auch eine sehr viel modernere und erst kürzlich in Betrieb genommenen Anlage im südrussischen Armawir käme in Frage.

Zudem will Russland mit der NATO über ein neues Abkommen zur Begrenzung konventioneller Streitkräfte in Europa (KSE) verhandeln. Vorschläge dazu übergab Außenminister Sergej Lawrow am 8. Mai bei seinem Besuch in Washington. Details sind bisher nicht bekannt. Russland hatte den kurz vor Ende des Warschauer Vertrages ausgehandelten KSE-Vertrag Ende 2007 per Moratorium ausgesetzt, weil die NATO sich weigerte, Anpassungen zu ratifizieren, die die neuen Realitäten reflektieren. In seiner gegenwärtigen Form, so Moskaus NATO-Botschafter Dmitri Rogosin erst dieser Tage mit Blick auf die Abrüstungskonsultationen, mache das Abkommen Russland »extrem verwundbar«.

* Aus: Neues Deutschland, 18. Mai 2009

Lawrow: Russland strebt annehmbare Vereinbarungen mit USA bei START-Gesprächen an

Russland ist laut Außenminister Sergej Lawrow bestrebt, bei den bevorstehenden Verhandlungen mit den USA "annehmbare Vereinbarungen" zu erzielen.

"Wir gehen davon aus, dass der START-Vertrag nicht im Vakuum behandelt werden kann und die Interessen der globalen Sicherheit mit berücksichtigen soll, darunter auch die Sicherheit Russlands", sagte Lawrow am Montag vor der Presse in Moskau. Die START-Verhandlungen werden an diesem Dienstag aufgenommen.

Die russische Seite rechne mit einem fruchtbringenden Austausch von Positionen und Meinungen. Das solle es gestatten, allgemein annehmbare Übereinkünfte zu erzielen, sagte Lawrow.

Am 1. April hatten die Präsidenten Russlands und der USA, Dmitri Medwedew und Barack Obama, beschlossen, Verhandlungen über den Abschluss eines neuen START-Vertrages aufzunehmen. Mit dem neuen Dokument soll ein alter START-Vertrag ersetzt werden, der im Dezember 2009 abläuft.

Der START-Vertrag wurde 1991 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunion unterzeichnet und verpflichtete die Seiten, die Zahl der Gefechtsköpfe jeweils von 10 000 auf 6000 zu reduzieren. Im neuen Vertrag wollen Moskau und Washington einen weiteren Abbau der nuklearen Arsenale - jeweils auf 1700 bis 2200 Gefechtsköpfen - festschreiben.

** Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 18. Mai 2009; http://de.rian.ru




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