Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gegen die Weiterverbreitung von Kernwaffen

Eine der größten Herausforderungen für die Weltpolitik

Von Fritz Sayatz *

Wie ein Dinosaurier aus dem kalten Krieg geht die Perfektionierung der Kernwaffen voran. Der Versuch, aus politischen Waffen Waffen für den militärischen Einsatz zu entwickeln geht weiter.

Seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich die weltpolitischen Rahmenbedingungen für eine Abrüstung entgegen ursprünglich weit verbreiteten Hoffnungen nicht genügend verbessert, sondern eher verschlechtert. Eine wesentliche, wenn auch nicht einzige Ursache hierfür ist, dass die USA-Regierung ihre multilaterale Orientierung in den letzten Jahren zunehmend aufgegeben hat und ihre einseitigen Interessen als stärkster globaler Akteur noch deutlicher als früher über das Völkerecht gestellt haben. Die zentralen globalen Herausforderungen der Abrüstung können aber nur durch vermehrte kooperative multilaterale Anstrengungen bewältigt werden. Es geht auch heute um die Verhinderung eines Atomkrieges.

Um einen Kernwaffenkrieg auszuschließen ist es notwendig, nicht nur in großen Worten, sondern mit Taten das Regime der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen zu stärken. Dazu wurde in den 90er Jahren einiges getan
  • 95 Prozent der nichtstrategischen Kernwaffen wurden aus Westeuropa abgezogen
  • Mittelstreckenraketen der USA und Russlands mit einer Reichweite von 500 bis 5 000 km wurden eliminiert
Aber die Verbreitung von Kernwaffen ist eine der größten Herausforderungen für die Weltpolitik geblieben. Eine Reihe von Entwicklungen in letzter Zeit haben das gezeigt:
  • Ein Programm des Iran um angereichertes Uran im Rahmen eines vollen nuklearen Brennstoffkreislaufs zu erwerben, könnte diesem Land im Krisenherd Naher und Mittlerer Osten eine Kernwaffenoption eröffnen.
  • Libyen hat eingestanden, ein illegales Kernwaffenprogramm besessen zu haben, nunmehr ist es bereit, dieses aufzugeben.
  • Ein verdeckt arbeitender Kreis Wissenschaftler aus Pakistan, die früher im multinationalen Zentrum für Wiederaufbereitung in den Niederlanden arbeiteten, hat Zentrifugen für die Urananreicherung in Pakistan gebaut und an andere Länder geliefert. Das Land besitzt Kernwaffen.
  • Nordkorea, die KDVR, hat den Ausstieg aus dem Atomwaffenvertrag vollzogen und erweckt den Eindruck, ein Kernwaffenprogramm fortzusetzen.
  • Vor allem vervollkommnen aber auch die Kernwaffenmächte, voran die USA und Russland, ihre Atomwaffen und die Einsatzmittel.
Es gibt aber auch einige Entwicklungen, die nicht genügend in den Massenmedien kommentiert werden.
Der 1970 in Kraft getretene Atomwaffensperrvertrag (NPT) hat einen wesentlichen Anteil an der Verhinderung einer Weiterverbreitung von Kernwaffen geleistet. Nachdem sich nach dem Ende des kalten Krieges noch einmal mehr als 40 Staaten, darunter Frankreich, Kuba und die Volksrepublik China, dem Vertrag angeschlossen hat erfasst er nunmehr fast die gesamte Weltgemeinschaft.

Mit Südafrika gehört ein Land dazu, das sein gesamtes Kerwaffenarsenal vernichtet hat. Brasilien und Argentinien verfolgten früher nukleare Ambitionen und sind heute Teilnehmer des Vertrages von Tlatelolco (Kernwaffenfreie Zone in Lateinamerika) und unterliegen damit internationalen Kontrollen. Die Ukraine und Kasachstan, auf deren Territorium sowjetische Kernwaffen stationiert waren, sind Vertragspartner des NPT und kernwaffenfrei. Lediglich noch drei Staaten stehen dem NPT abseits Israel: Indien und Pakistan.

Israel, Indien, Pakistan außerhalb des NPT

Während sich Indien und Pakistan zum Besitz von Kernwaffen offen bekennen, hat noch keine israelische Regierung den Kernwaffenbesitz zugegeben. Das israelische Kernwaffenprojekt ist eng mit der Gründung des Staates Israel verknüpft. Bereits Ben Gurion, der Staatsgründer, vertrat die Auffassung, dass Israel Kernwaffen benötigt, um einen zweiten Holocaust zu verhindern. Die USA haben in den Sechzigerjahren zunächst versucht, die Entwicklung von israelischen Kernwaffen zu verhindern. Das ist fehlgeschlagen – die amerikanischen Inspektoren wurden bei einem Besuch im Kernzentrum Dimona von den Israelis getäuscht. Präsident Nixon hat Frau Golda Meir, der früheren israelischen Regierungschefin zugesagt, die USA würden sich nicht weiter um das Kernwaffenprogramm kümmern, solange die israelische Regierung das Programm nicht publik mache und keine Kernwaffentests durchführe.

So haben es auch die nachfolgenden Regierungen gehalten. Mehr noch, die Bush- Administration toleriert die Kernwaffen Israels mit der gleichen neo-konservativen Begründung, mit der auch britische und französische Atomwaffen akzeptiert werden. Schließlich ist Israel der wichtigste amerikanische Verbündete im Nahen Osten. Israels Regierungen haben niemals bestätigt oder widersprochen, dass das Land über Kernwaffen verfügt. Die USA-Quellen und SIPRI gehen jedoch davon aus, dass Israel etwa 200 Kernmittel in Form von Bomben und Gefechtsköpfen für Raketen besitzt.[1] Das hat natürlich wesentlichen Einfluss auf die Lage in dieser Region.

Ähnlich wie in Israel wurden auch in Indien schon während der 50er Jahre Überlegungen zum Erwerb von Kernwaffen angestellt. Indien ging es dabei um
  • Zugewinn an Einfluss und Prestige in der Welt sowie
  • seinen Status als große, unabhängige Macht
Durch die Teilung der Welt in fünf durch den Kernwaffensperrvertrag legitimierte Kernwaffenstaaten, und Nichtkernwaffenstaaten, atomare Habenichtse, wird nach indischer Auffassung eine fortgesetzte Kolonialpolitik geführt. Das sind auch seit vielen Jahren Hauptpunkte der Kritik an den Kernwaffenstaaten. So auch auf der Überprüfungskonferenz für den NPT im Mai 2005. Am 11. und 13. Mai 1998 führte Indien Kernwaffentests durch und bekennt sich seither auch offen zum Kernwaffenbesitz. (Die Versuche von 1974 waren als zivile Nuklearexplosionen bezeichnet worden.) Indien hat offiziell dem Prinzip des Nichtersteinsatzes von Kernwaffen zugestimmt und gleichzeitig erklärt, Indien habe eine Erstschlagkapazität.

Die Größe und auch die Struktur der Kernwaffenkräfte bleiben unklar. Inoffizielle und halboffizielle Schätzungen gehen von einigen bis etwa 100 Kernsprengsätzen aus. Kernwaffenträger sind Bombenflugzeuge verschiedener Typen (MiG 27, Jaguar, Mirage 2 000), die letztendlich aus Kernwaffenstaaten kommen. Außerdem hat Indien landgestützte Raketen mit einer Reichweite von 150 sowie 2 500 km. Es gibt Aktivitäten zum Ausbau seegestützter Einsatzmittel. Indien hat ein Kosmos-Programm mit eigenen Trägerraketen, auch das Potenzial für interkontinentale ballistische Raketen.

Nach anfänglichen Sanktionen der Clinton-Regierung hat Bush den Kurs drastisch geändert. Kürzlich wurde die Zusammenarbeit der USA und Indiens bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie vereinbart, Die EU schaut zu, weil Frankreich und Spanien es so wollen.

In Reaktion auf indische Aktivitäten führte Pakistan im Mai 1998 auch Kernwaffentests durch. Dieses Kernwaffenprogramm steht in enger Beziehung zum indischen Programm um angebliche Waffengleichheit mit dem Nachbarn zu erreichen – nach pakistanischer Meinung rechtfertigen nukleare Bedrohungen nukleare Antworten – sowie die konventionelle Überlegenheit Indiens auszugleichen. Das sind altbekannte Argumente aus dem kalten Krieg. Obwohl Experten meinen, Pakistan habe 24 bis 48 Kernwaffen, von denen aber nur einige wenige „einsatzbereit“ – operational – sein sollen, sind doch die Gefahren nicht zu unterschätzen. Der Abfluss von Wissen und Technik zur Kernwaffentechnologie durch extremistische Islamisten im Geheimdienst, der Armee und in den militärischen Forschungsabteilungen ist nicht auszuschließen. Das zeigen die Ereignisse um Abdul Chadin Khan, der unter den Augen der Regierung seine Aktivitäten betrieb. Abdul Chadin Khan ist als der Vater der pakistanischen Atombombe – der „islamischen Atombombe“ bekannt. Er und seine Komplizen stahlen die Zeichnungen von Urananreichungsanlagen, kopierten illegal die Hauptelemente des pakistanischen Atomprojektes und bauten ein Netz zum Handel mit Uranhexafluorid, dem Ausgangsstoff für angereichertes Uran, auf. Sie verkauften an Iran, Libyen und Nordkorea Komponenten bzw. Anlagen zur Anreichung von Uran.

In die Manipulationen ist mindestens auch ein Unternehmen in Malaysia verstrickt. In diese Angelegenheit war auch das deutsche Schiff „BBC-China“ verwickelt.An Bord des Schiffes wurden als gebrauchte Maschinen deklarierte Hochleistungszentrifugen auf dem Weg nach Libyen konfisziert. Vor allem aber ist Pakistan kein Mitglied des Nichtweiterverbreitungsvertrages, unterliegt damit keinen Kontrollen durch die Atomenergiebehörde IAEA in Wien. Diese Behörde aus 200 professionellen Inspektoren stellt sicher, dass von Kernanlagen kein Nuklearmaterial abgezweigt wird. Nach den neuen Verifikationsregeln können die Inspektoren auch unangemeldet kontrollieren. Insbesondere der Irakkrieg hat klar gezeigt, dass die IAEA- Inspektoren korrekt waren. Falsch waren die Informationen der Geheimdienste.

Der Iran erregt die Welt

Wollen die Mullahs in Teheran die Atombombe? Für die neokonservativen Ideologen, die auf militärische Aktionen gegen den Iran drängen, ist die Antwort auf diese Frage klar. Die Bush-Regierung argumentiert, mit den Mitteln der Kontrolle, die der NPT vorsieht, lasse sich nicht verlässlich feststellen, ob ein Staat in seinen Anlagen Uran nur niedergradig zur Energiegewinnung oder hochgradig zur Herstellung von Kernsprengstoff anreichert. Zudem sei der Iran wegen angeblich früherer Verletzungen des NPT, die nie bewiesen wurden, unzuverlässig.Wegen seiner aggressiven Absichten gegenüber Israel sei dem Iran grundsätzlich nicht über den Weg zu trauen. Unter dem NPT-Vertrag hat der Iran ausdrücklich das Recht alle existierenden Verfahren und Technologien zur Kernenergiegewinnung ohne Einschränkungen zu nutzen. Die Regierung in Teheran besteht auf diesem Recht.

Iran will eine starke Macht im mittleren Osten sein – was er über Jahrhunderte politisch, wirtschaftlich, wissenschaftlich und kulturell war. Deshalb will er keine Diskriminierung zulassen. Wo könnte Teheran diese Diskriminierung sehen? Brasilien steht kurz vor der kommerziellen Urananreicherung. Japan hat eine kommerzielle Wiederaufbereitungsanlage in Rokosho errichtet. Die Anlage in Gronau in Westfalen wird die Kapazitäten verdoppeln.

Indien, Pakistan und auch Israel haben mit Wissen und stiller Duldung der USA Kernwaffen erworben. Der Sturz der demokratisch gewählten Mossadegh-Regierung und die 26 Jahre der blutigen Schah-Diktatur, die von den USA, GB und dem gesamten Westen unterstützt wurde, haben im Iran tiefes Misstrauen gegenüber jeder Diskriminierung und Einmischung hinterlassen. Iran hat bedeutende Interessen am Arabischen (Persischen) Golf. Von 1981 bis 1988 tobte ein langer Krieg zwischen Irak und Iran, in dem es eben um Zugang zum Öl in dieser Region ging. In diesem Krieg hat der Westen, insbesondere haben auch die USA Saddam unterstützt. Das Pentagon lieferte den irakischen Streitkräften sogar die Zieldaten für den Einsatz von Chemiewaffen. Insgesamt 63 Überfälle mit chemischen Waffen erfolgten in diesem Krieg. Diese Kriegserfahrungen haben das Vertrauen der Iraner erschüttert.Vertreter der Führungseliten wollen eine Verwundbarkeit des Landes ausschließen. Übrigens hat auch Saddam das Kernkraftwerk Bashiar in diesem Krieg zerstört und die USA haben den Mullahs den Wiederaufbau blockiert.

Es gibt zwingende wirtschaftliche Interessen des Iran an einem normalen Verhältnis zum Westen. Fast 70 Millionen Menschen, davon zwei Drittel jugendliche Menschen unter 30 Jahren fordern jährlich 1 Million neuer Arbeitsplätze. Dafür sind jährliche Investitionen von 15 Milliarden Dollar nötig. Deshalb ist der Iran objektiv gegen Handelsschranken seitens der USA und der EU, für die Wiederaufnahme von diplomatischen Beziehungen, Normalisierung der Beziehungen. Er möchte Mitglied der WTO werden. Es gibt damit Ansatzpunkte für diplomatische Aktivitäten und den Ausbau des Handels. Die Rolle der USA dabei ist entscheidend. Es gibt sicher auch nur eine Verhandlungslösung.

Die Hinnahme eines atomar gerüsteten Iran dürfte die Verbreitung von Kernwaffen im gesamten mittleren Osten beschleunigen. Eine iranische Bombe könnte insbesondere Saudi-Arabien, die Türkei, Ägypten oder Syrien dazu verleiten, eigene Kernwaffen zu erwerben.

Als der Konflikt im Herbst 2004 eskalierte, setzten Deutschland und die EU zunächst vor allem auf diplomatische Verhandlungen. Nur dieser Ansatz machte es der Regierung in Teheran möglich, ohne Gesichtsverlust zunächst auf das Aussetzen der Urananreicherung einzugehen. Als dann das Trio Deutschland, Frankreich, Großbritannien vollständig auf die diskriminierende USA-Position einschwenkte, der Iran solle vollständig und endgültig auf die Urananreicherung verzichten,[2] wurden die Verhandlungen weiter kompliziert. Die Blockade wurde auch durch ein Paket wirtschaftlicher Maßnahmen, die in ein Verhandlungsangebot vom Herbst 2005 eingeschlossen sind, nicht aufgelöst. Bei den umfangreichen wirtschaftlichen Anreizen wie technologische Kooperation in Bereichen von Öl und Wasser handelt es sich um Projekte, die längst vereinbart oder begonnen wurden. Bei den Themen, die Washington missfallen, Iran aber Vorteile brächten, Aufhebung von Handelsdiskriminierungen, Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO, das Pipeline- Projekt vom Kaspischen Meer zum Persischen Golf, signalisiert die Troika nichts als „Diskussionsbereitschaft“.[3]

Die Sicherheitsgarantien im Vorschlag greifen zu kurz. Es geht darum, eine Abhängigkeit von den USA auszuschließen. Außerdem fühlt sich der Iran nicht durch die Atomwaffen Frankreichs und Großbritanniens bedroht, sondern vielmehr durch das israelische Kernwaffenarsenal. Was verlangt aber die EU als Gegenleistung? Nicht weniger als den endgültigen Verzicht auf eigene Urananreicherung und den Verzicht auf das Recht des Ausstiegs aus dem NPT. Das ist aber kein Kompromiss, sondern Diskriminierung. Ein längerfristiger Ansatz für eine Absage des Iran an Kernwaffen könnte folgende Elemente beinhalten:
  • Die Verhandlungen zielen auf die Schaffung einer ABC-Waffen-freien Zone im Mittleren Osten, in die auch Israel und Pakistan und weitere Staaten der Region einbezogen wären.
  • Die USA normalisieren ihr Verhältnis zum Iran, verzichten auf den Ersteinsatz von Kernwaffen und die Drohungen mit militärischer Gewalt.
  • Teheran unterwirft sich ohne Einschränkungen den Kontrollen der IAEA.
Korea pokert

Im Januar 2003 kündigte Nordkorea den NPT, beendete das Kontrollsystem der IAEA. Später wurde auch das Abkommen mit den USA über die Zusammenarbeit annulliert. „Sechsergespräche“ begannen, brachten aber bisher noch ungenügende Resultate. 2005 gab es dann die Behauptung, dass Nordkorea Kernwaffen besitze.Warum gibt es diese Entwicklungen? Ein entscheidender Grund für das kapriziöse Verhalten Nordkoreas ist die militärische Drohpolitik Washingtons. In der Wahrnehmung der Regierung in Pjöngjang geht es neben wirtschaftlichen Vorteilen um die Sicherheit. insbesondere wegen ständiger Drohungen der USA mit präemptiven Schlägen die Regierung zu stürzen. Die Bush- Regierung stuft Korea in die Kategorie der Schurkenstaaten ein. Obwohl Bush die „Sonnenschein“-Politik Südkoreas nicht unterstützt, hält die Regierung in Seoul an dieser Politik fest. China unterstützt diese deutlich. Es tritt nicht nur gegen Kernwaffen im Norden der Halbinsel ein, sondern fordert eine vollständige Kernwaffenfreiheit ganz Koreas, d. h. auch den Abzug aller Atomwaffen der USA. Russland fühlt sich auch nicht von Nordkorea bedroht, lehnt aber eine atomare Bewaffnung des Landes ab, äußert sich nicht zu den US-amerikanischen Waffen im Süden.

Washington hat eine kooperative Lösung der Probleme auf der koreanischen Halbinsel verhindert. Dieses Verhalten macht das Streben Pjöngjangs nach Kernwaffen nicht zu einer realistischen Politik, die unterstützt oder auch nur akzeptiert werden sollte. Wenn eine Normalisierung nicht gelingt, dann könnte in Nordostasien ein Rüstungswettlauf zwischen Japan, Südkorea und China beginnen.

Was spricht gegen ein Kernwaffenprogramm in Japan?

Erstens ist Japan ein dicht bevölkerter Inselstaat, dessen potentielle Feinde sehr nah sind, d. h. für Kernwaffenschläge höchst empfindlich.

Zweitens sind die schrecklichen Erinnerungen an Hiroshima und Nagasaki sehr wach. Dem steht allerdings auch eine kernwaffenfreundliche Rechte gegenüber, um die verletzte nationale Seele zu heilen und Stärke gegenüber den USA zu zeigen. Japanische Falken wollen Kernwaffen aus nationalistischen Gründen und sie würden nordkoreanische Atomwaffen als willkommene Rechtfertigung betrachten. Das alles bedeutet nicht, dass ein nukleares Wettrüsten in Nordostasien unvermeidlich ist, aber es droht.

Die USA entscheiden die Entwicklungsrichtung

Die USA nehmen für sich in Anspruch, Führer der Nichtweiterverbreitung zu sein und sind aber wie während des kalten Krieges gleichzeitig Hauptgenerator im Wettlauf um die Kernwaffen. Sie schufen als erste die Kernwaffen, setzten als einzige Macht gegen Hiroshima und Nagasaki Kernwaffen ein, nutzten Kernwaffen als wichtigste politische Waffe, drohen mit dem Ersteinsatz von Kernwaffen. Damit provozierten sie andere Staaten zum Streben nach Kernwaffen. Die USA haben praktisch niemals die Arbeiten zur Schaffung immer neuer Typen von Kernwaffen eingestellt. Erinnert sei an die so genannte „humane Neutronenwaffe“, die angeblich „nur“ den Personalbestand der Truppen vernichten würde. Dazu gehören auch die gegenwärtig so gelobten Minikernwaffen mit einem Detonationswert von einigen hundert Tonnen Sprengstoff TNT. Aber auch Geschichten über weltraumgestützte Laserkanonen mit Kernwaffen als Zünder, die angeblich nur Verteidigungszwecken dienen, sind pure Demagogie. In Wirklichkeit geht es um atomwaffengestützte Vorherrschaft der USA.

Das Bestandsicherungsprogramm für Kernwaffen (Stockpile Stewardship) wird fortgesetzt.[4] Es wurde bereits von der Clinton-Administration für das Livermoore National Laboratorium in Kalifornien und Los Alamos (Heimstatt der ersten US-Kernwaffen) eingeleitet. Bush setzt das fort. Dazu wurde eine ganze Reihe hochmoderner Experimentalanlagen, unter anderen die zur Entwicklung von Laser-ausgelösten Kernwaffen, erbaut. Die dreidimensionale Modellierung einer explodierenden Kernwaffe auf Supercomputern wird vorangetrieben, um damit herkömmliche Kernwaffenversuche zu ersetzen. Die Entwicklung und Bau einer neuen Fertigungsbasis für Kernwaffen steht in der Planung. Dazu gehört eine moderne „Pit Facility“, in der jährlich bis zu 450 Plutoniumpits (Plutoniumkerne für Kernmunition) hergestellt werden können.

Die Programme sollten die Wissenschaftler dafür „entschädigen“, dass sie auf Kernwaffentests verzichten müssen. Das eingeleitete Programm ist ein ambitioniertes und vielseitiges Unterfangen, für das 25 000 Menschen in sechs US-Bundesstaaten arbeiten. Die Forschungen haben ein Budget von 9 Milliarden US Dollar pro Jahr. Bei einem Gesamtbudget von fast 500 Milliarden für die Rüstung ist das scheinbar nicht so viel, aber es ist das 1,5-fache des Betrages, den die USA während des Kalten Krieges für die Entwicklung von Kernwaffen ausgaben.

Darum entsteht die widersprüchliche Situation, dass anstelle einer Bewegung zur Nichtweiterverbreitung der Kernwaffen eine ganze Reihe von Staaten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln nach Kernwaffen streben, um sich dem mitlitärischen oder politischen Druck seitens der USA zu entziehen. Wenn die USA
  • weiter auf Kernwaffen und ihre Vervollkommnung setzen,
  • wenn sie das Prinzip des Verzichts auf den Ersteinsatze nicht unterstützen,
  • wenn es angeblich gute und schlechte Kernwaffenstaaten geben soll und
  • wenn Präventivschläge gegen „Schurkenstaaten“ geplant werden, dann ruft das verzweifelte Reaktionen in der Welt hervor.
Sofort die amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland abziehen

Auch Deutschland kann etwas tun, um die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen zu unterstützen. Als Relikt des kalten Krieges befinden sich auch heute noch in Westeuropa mindestens 500 amerikanische Kernwaffen in Bereitschaft zum Einsatz. Davon sind etwa 150 amerikanische Kernwaffen auf dem Territorium Deutschlands stationiert. Diese könnten auf Befehl des amerikanischen Präsidenten mit Tornado- Flugzeugen auch durch deutsche Piloten eingesetzt werden. Sie werden dazu aktiv vorbereitet. Deutschland hat damit eine „nukleare Teilhabe“ an Kernwaffen.

Auf dem Stützpunkt Büchel gibt es ein gefährliches Potenzial, weite Teile Ost- und Mitteleuropas zu bedrohen oder nuklear zu vernichten. Mit diesen Kernwaffen wird kein Sicherheitsgewinn für Deutschland und Europa erzielt. Deshalb müssen diese Kernwaffen abgezogen werden.

Damit würde Deutschland
  • seine völkerrechtlich eingegangenen Ver pflichtungen zum Verzicht auf die Verfügungsgewalt über Kernwaffen unterstreichen
  • einen substantiellen Anteil leisten, um die Weiterverbreitung von Kernwaffen einzuengen
  • dem Anschein entgegen wirken, dass Kernwaffen weiterhin einen Wert als Verteidigungswaffen besitzen und damit den Anreiz für andere Staaten (Nichtkernwaffenstaaten) am Besitz oder Erwerb von Atomwaffen zu vermindern
Die neue Bundesregierung sollte unverzüglich Farbe bekennen und die bilateralen Verträge mit den USA über die Atomwaffenstationierung einschließlich der „nuklearen Teilhabe der Deutschen“ aufkündigen. Politiker von Regierungs- und Oppositionsparteien in Deutschland haben zum Auftakt der Überprüfungskonferenz des Kernwaffensperrvertrages im Mai 2005 den Abzug der Kernwaffen gefordert. Umfragen zufolge werden sie dabei von 95 Prozent der Bevölkerung unterstützt.

Perspektiven

Es gibt Empfehlungen von hochrangigen Experten zur Nichtweiterverbreitung.[5] Diese schlagen ein ganzes Bündel von Maßnahmen vor:
  • Die Kernwaffenstaaten sollen Abrüstungsverpflichtungen eingehen, die aus dem Nichtweiterverbreitungsvertrag entstehen, Sie sollten die Verpflichtungen einhalten, keine Kernwaffen gegen Nichtkernwaffenstaaten einzusetzen.
  • USA, Russland und die anderen sechs Kernwaffenstaaten sollten sich zu praktischen Maßnahmen zur Verringerung des Risikos eines unbeabsichtigten Atomkrieges verpflichten unter Einschluss eines Planes zur schrittweisen Reduzierung des Bereitschaftsgrades ihrer strategischen Kernwaffen.
  • Der Sicherheitsrat der UNO sollte bei einem nuklearen Angriff oder bei Androhung eines solchen Angriffes auf einen Nichtkernwaffenstaat kollektive Maßnahmen ergreifen.
  • Die Nichtteilnehmer des NPT Indien, Pakistan, Israel, Korea sollten ein Bekenntnis zur Abrüstung ablegen, einen Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für Waffenzwecke unterstützen. Das sind Minimalforderungen. aber sie gehen in eine positive Richtung
Fußnoten
  1. Die Zahlen zu den Kernwaffen beruhen auf den Angaben von SIPRI Yearbook 2004
  2. Allgemeines Einvernehmen der USA und Europa zum iranischen Nuklearprogramm<
  3. Mit einer großen Lüge in einen neuen Krieg? Die EU ist auf dem besten Wege, zum Mittäter eines USAngriffs auf den Iran zu werden Von Mohssen Massarrat, ND 15.10. 05
  4. Marylia Kelley Das Kernwaffenprogramm der USA in W&F 1/05
  5. Eine sichere Welt:: Unsere gemeinsame Verantwortung Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen Nr. 89


* Dieser Beitrag erschien in: Marxistische Blätter, Heft 2, 2006

Die Marxistischen Blätter erscheinen sechs Mal im Jahr und sind zu beziehen bei:
Marxistische Blätter
Hoffnungstr. 18
D-45127 Essen
(Tel.: 0201/236757; e-mail: MarxBlaetter@compuserve.de)



Zurück zur Seite "Atomwaffen"

Zurück zur Homepage