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US-Strategie im "Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen"

Dokumentation: Sachstandsbericht des US-Außenministeriums - und ein kritischer Bericht über US-Nukleardoktrin

Anlässlich des Beginns der 7. Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags veröffentlichte das US-Außenministerium einen Sachstandsbericht, ein sog. "Fact Sheet", über den Kampf der Vereinigten Staaten gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Auffällig an diesem Bericht, den wir im Folgenden in einer vom Amerika Dienst besorgten deutschen Übersetzung dokumentieren, ist die vollkommene Ausklammerung des offiziell zunächst als "Abrüstungskrieg" bezeichneten Angriffskriegs gegen Irak im März 2003. Aber auch wieder logisch, denn mittlerweile haben die USA selbst letztinstanzlich eingestanden, dass der Irak über keine atomaren Massenvernichtungswaffen verfügt habe, der Krieg also mit dem Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen also nichts zu tun hatte.

Nicht eingegangen wird in dem Fact Sheet auch auf die Bemühungen der US-Administration, eine neue Generation von Atomwaffen zu bauen: kleine, Bunker brechende Raketen, die sich zum Einsatz als "Gefechtswaffen" eignen sollen. Dafür existieren entsprechende Berichte und Doktrinen aus dem Hause Bush, wie der nachfolgende Zeitungsbericht verdeutlichen soll: "Atomkrieg, unterirdisch".



Die Vereinigten Staaten erneuern ihre Strategie im Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen

Eine Übersicht

Nachfolgend dokumentieren wir eine aktuelle Übersicht des Amts für Nichtverbreitung (Bureau of Nonproliferation) im amerikanischen Außenministerium über die Maßnahmen der Vereinigten Staaten im Kampf gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vom 2. Mai 2005. Übersetzung: Amerika Dienst.

Die Vereinigten Staaten führen die globalen Bestrebungen zur Verhinderung der Verbreitung von atomaren, chemischen und biologischen Waffen an. Im Kampf gegen die Verbreitung dieser Waffen engagieren sich die Vereinigten Staaten zusammen mit ihren Verbündeten im globalen Krieg gegen den Terror, ihren traditionellen Bündnispartnern und den Vereinten Nationen in zahlreichen multilateralen Initiativen. Die Vereinigten Staaten vertreten die Auffassung, dass die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen durch Schurkenstaaten und Terrororganisationen eine der größten Bedrohungen nicht nur für ihre eigene Sicherheit, sondern die Sicherheit der ganzen Welt darstellt. Eine aktives Vorgehen bei der Verhinderung der Verbreitung von Waffen ist ein Kernstück der globalen Strategie der Vereinigten Staaten.

Die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die darauf folgenden Anthraxanschläge verdeutlichten die Entschlossenheit von Terrororganisationen wie der Al Kaida sowie die Verfügbarkeit ihrer Ressourcen, und bekräftigten zudem die Bedeutung der Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Um den Kampf gegen die von Massenvernichtungswaffen ausgehende Bedrohung effektiver zu gestalten, hat Präsident Bush eine Reihe von Initiativen mit folgender Zielsetzung vorgelegt: die Erhöhung der für Programme zur Unterstützung von Nichtverbreitung bereitgestellten Ressourcen, die Behinderung des Handels mit proliferationsrelevanten Materialien und Technologien, sowie die Erhöhung der Wirksamkeit des atomaren Nichtverbreitungsregimes.

UN-RESOLUTION 1540

Wie die gesetzwidrigen Aktivitäten des Netzwerks von A. Q. Khan, dem ehemaligen Leiter des pakistanischen Atomwaffenprogramms, zeigten, haben diejenigen, die die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen betreiben, Erfahrungen zur Umgehung von Exportkontrollen durch die Fälschung von Endverbraucherinformationen und -dokumentationen oder Ladungsverzeichnissen sammeln können. Illegal agierende Lieferanten und Spediteure arbeiten oft zusammen und nutzen Transportrouten und Umschlaghäfen in Ländern, die keine strengen Kontrollen und Strafverfolgungsmechanismen haben.

Als Reaktion auf dieses Problem brachte Präsident Bush im April 2004 Resolution 1540 ein, die vom UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet wurde. Die Resolution verlangt von allen Staaten die Durchsetzung effektiver gesetzlicher und regulativer Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von atomaren, chemischen und biologischen Waffen, ihrer Trägersysteme und verwandtem Material. Resolution 1540 fordert, dass alle Staaten "wirksame Maßnahmen ergreifen und durchsetzen werden, um innerstaatliche Kontrollen zur Verhütung der Verbreitung von nuklearen, chemischen oder biologischen Waffen und ihren Trägersystemen einzurichten, einschließlich angemessener Kontrollen über verwandtes Material". Die Resolution fordert die Staaten auf, einen Bericht mit den Schritten einzureichen, die sie zur Umsetzung der Resolution unternommen haben oder unternehmen wollen. Resolution 1540 ist die erste Resolution, in der der Sicherheitsrat den UN-Mitgliedstaaten spezielle Maßnahmen im Umgang mit der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vorschreibt.

Mehr als 115 Länder haben den von der Resolution geforderten Bericht eingereicht. Es müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden, und die Vereinigten Staaten haben ein starkes Interesse daran, mit allen Nationen zusammenzuarbeiten, um die vollständige Umsetzung der Resolution zu erreichen. Zudem sind sie bereit, anderen Ländern wo möglich Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu bieten.

DIE INITIATIVE ZUR BEKÄMPFUNG DER WEITERVERBREITUNG (PROLIFERATION SECURITY INITIATIVE - PSI)

Die Initiative zur Bekämpfung der Weiterverbreitung ist eine vorausschauende und notwendige Reaktion auf die zunehmende Bedrohung durch die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, ihrer Trägersysteme und verwandtem Material auf der ganzen Welt. Die Initiative wurde im Mai 2003 von Präsident Bush angekündigt und baut auf innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft bestehenden Verträgen, Abkommen und Exportkontrollregimen zur Verhinderung der Verbreitung auf. Die Initiative führte auch zum Abschluss bilateraler Verträge über das Betreten von Schiffen, die das Verbot von Massenvernichtungswaffen und verwandtem Material erleichtern sollen. Die Vereinten Nationen haben die tragende Rolle der Initiative bei der Weiterverfolgung der internationalen Zielsetzungen im Bereich der Nichtverbreitung erkannt. Der Bericht der Hochrangigen Gruppe für Bedrohungen, Herausforderungen und Wandel des UN-Generalsekretärs kommt zu dem Schluss, dass "unlängst gesammelte Erkenntnisse über die Aktivitäten des Netzwerks von A. Q. Khan die Notwendigkeit und den Wert von Maßnahmen gegen den gesetzwidrigen und versteckten Handel mit Komponenten für Atomprogramme belegen". Der Generalsekretär erkannte auf dem Terrorismusgipfel in Madrid die Bedeutung der Initiative an und sagte: "Ich begrüße die Anstrengungen im Rahmen der Initiative zur Bekämpfung der Weiterverbreitung, eine bestehende Lücke in unserer Verteidigung zu schließen." Die Initiative unterstreicht die Bedeutung der intensiven Zusammenarbeit der Vereinten Nationen bei der Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Die an der Initiative teilnehmenden Länder sind zutiefst über diese Bedrohung und die Gefahr besorgt, dass Massenvernichtungswaffen in die Hände von Terroristen geraten könnten, und setzen sich zusammen für eine Unterbindung der Transportströme von mit Massenvernichtungswaffen verwandtem Material aus und in Länder und an nichtstaatliche Akteure ein, die der Verbreitung von Waffen verdächtigt werden.

Mehr als 60 Länder haben ihrer Unterstützung der Initiative Ausdruck verliehen. In den Prinzipien der Initiative werden konkrete Schritte festgelegt, wie Transporte von Massenvernichtungswaffen wirksam abgefangen werden können und die Schlüsselfiguren der Verbreitung daran gehindert werden können, diesen tödlichen Handel auf dem See-, Land- oder Luftweg zu betreiben. Seit September 2003 haben sich Dutzende von Ländern an einer oder mehreren im Rahmen der Initiative durchgeführten Abfangaktionen beteiligt oder sie verfolgt. Eine Mitwirkung an der Initiative erfolgt freiwillig und die durchgeführten Aktionen stützen sich auf nationale und internationale Behörden. PSI-Partner halten alle Länder dazu an, die Initiative öffentlich zu unterstützen und die in ihren Prinzipien skizzierten Schritte umzusetzen. Dazu gehört auch die Unterstützung von PSI-Einsätzen. Die schnelle Ausweitung der Initiative kommt einer Anerkennung der Notwendigkeit stärkerer Maßnahmen gegen diejenigen, die die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen durch wirksame Zusammenarbeit mit anderen Ländern betreiben gleich.

Die Vereinigten Staaten sind der Auffassung, dass die Initiative zur Bekämpfung der Weiterverbreitung hauptsächlich aufgrund des internationalen Konsenses erfolgreich ist, dass die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eine Bedrohung des globalen Friedens und der Sicherheit darstellt und, weil die PSI-Partner erkannt haben, dass die Verbreitung von Waffen eine Bedrohung für ihre nationale Sicherheit zur Folge hat.

PROGRAMME ZUR UNTERSTÜTZUNG DER NICHTVERBREITUNG: WEITERFÜHRUNG DER KOOPERATIVEN BEDROHUNGSREDUZIERUNGSPROGRAMME VON NUNN-LUGAR

Die Vereinigten Staaten haben stark in das Kooperative Bedrohungsreduzierungsprogramm von Nunn-Lugar und ähnliche wichtige kooperative Programme investiert, um auf die Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen in der ehemaligen Sowjetunion zu reagieren. Seit ihrer Inkraftsetzung Ende 1991 wurden im Rahmen dieser Programme technisches Fachwissen aus den Vereinigten Staaten und mehr als neun Milliarden Dollar für kooperative Projekte zur Sicherung und Zerstörung von Massenvernichtungswaffen, verwandtem Material, Technologien und Infrastruktur und der Verhinderung der Verbreitung von Fachwissen über Massenvernichtungswaffen bereitgestellt. Im Haushaltsjahr 2005 wird sich die amerikanische Regierung zu einer weiteren Milliarde Dollar verpflichten. Der selbe Betrag wurde für das Haushaltsjahr 2006 gefordert. Zu den bis heute von den Vereinigten Staaten im Rahmen dieser Programme deaktivierten oder zerstörten Waffensystemen zählen:
  • 6.312 atomare Sprengköpfe,
  • 537 Interkontinentalraketen (Intercontinental Ballistic Missiles - ICBM),
  • 459 ICBM-Raketensilos,
  • 11 mobile ICBM-Abschussvorrichtungen,
  • 128 Bomber,
  • 708 atomare Boden-Luft-Raketen,
  • 408 Abschussvorrichtungen auf U-Booten,
  • 496 U-Boot-gestützte Flugkörper,
  • 27 Atom-U-Boote sowie
  • 194 Tunnel für Atomtests.
  • Zudem sind die Ukraine, Weißrussland und Kasachstan aufgrund der gemeinsamen im Rahmen des Nunn-Lugar-Programms durchgeführten Bestrebungen heute atomwaffenfrei.
Voriges Jahr billigte der Kongress die Erweiterung des Nunn-Lugar-Gesetzes, das dem Präsident die Verwendung von Mitteln aus dem Nunn-Lugar-Fonds in Höhe von bis zu 50 Millionen Dollar für Maßnahmen außerhalb der ehemaligen Sowjetunion ermöglicht. Präsident Bush unterzeichnete die Genehmigung für Maßnahmen im Rahmen des Nunn-Lugar-Programms in Albanien.

Zusätzlich zum Kooperativen Bedrohungsreduzierungsprogramm im Rahmen von Nunn-Lugar erweiterte und beschleunigte Präsident Bush die Programme des Energieministeriums und des Außenministeriums zur Verhinderung der Weiterverbreitung. Im Rahmen dieser Bestrebungen haben die Vereinigten Staaten:
  • Die Sicherheit von ungefähr 236 Tonnen spaltbarem Material erhöht,
  • die Sicherheit von rund 60 Lagern für nukleare Sprengköpfe verbessert,
  • in etwa 208 Tonnen hoch angereichertes Uran in niedrig angereichertes Uran umgewandelt,
  • die Sicherheit von 35 Prozent der russischen Chemiewaffeneinrichtungen verbessert und den Bau einer Einrichtung zur Zerstörung von Nervengaskampfstoffen finanziert, die für Weiterverbreitungsdrohungen besonders geeignet sind,
  • friedliche gemeinsame Forschung mit Russland an 49 ehemaligen Einrichtungen für biologische Waffen betrieben und sicherheitstechnische Verbesserungen an vier Einrichtungen für biologische Waffen in die Wege geleitet,
  • durch die Internationalen Zentren für Wissenschaft und Technologie in Russland und der Ukraine, deren Hauptgeldgeber die Vereinigten Staaten sind, 58.000 ehemalige Waffenforscher für friedliche Arbeit gewonnen,
  • durch das Internationale Programm für die Verhinderung der Verbreitung (International Proliferation Prevention Program) 750 Projekte mit 14.000 ehemaligen Waffenforschern unterstützt und rund 580 neue friedliche Arbeitsplätze im High-Tech-Bereich geschaffen.
DIE GLOBALE INITIATIVE DER G8 GEGEN DIE VERBREITUNG VON MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN UND -MATERIAL

Die Globale G8-Partnerschaft gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen und -material, vorgeschlagen von Präsident Bush, wurde im Juni 2002 beim Gipfel von Kananaskis von den Staats- und Regierungsoberhäuptern der G8 begründet. Ziel dieser Partnerschaft ist es zu verhindern, dass Terroristen und Staaten, die sie unterstützen, Massenvernichtungswaffen entwickeln oder erwerben. Zur Unterstützung von Projekten der Globalen Partnerschaft verpflichteten sich die G8-Mitglieder zur Bereitstellung von 20 Milliarden Dollar über 10 Jahre. Als Reaktion auf die Zusage der Vereinigten Staaten, die Hälfte dieser 20 Milliarden Dollar beizusteuern, bewilligten die anderen G7-Länder und die Europäische Union bis heute etwa sieben Milliarden Dollar, und Russland sagte zwei Milliarden Dollar zu. Die Vereinigten Staaten befinden sich mit ihren Beiträgen in Höhe von einer Milliarde Dollar im Jahr seit Kananaskis auf dem richtigen Weg, ihre Verpflichtung zu erfüllen.

13 weitere Staaten sind der Globalen Partnerschaft seit Kananaskis als Geberländer beigetreten. Finnland, die Niederlande, Norwegen, Polen, die Schweiz und Schweden traten 2003 bei, Australien, Belgien, Dänemark, Irland, die Republik Korea, Neuseeland und die Tschechische Republik 2004. Gemeinsam sagten sie mehr als 250 Millionen Dollar für die Globale Partnerschaftsinitiative zu. Die G8 erkannten die Ukraine im September 2004 offiziell als neues Empfängerland für die Zusammenarbeit mit der Globalen Partnerschaft an. Weitere Staaten der ehemaligen Sowjetunion bewerben sich momentan um diesen Status.

ZERSCHLAGUNG DES VERBREITUNGSNETZWERKS VON A.Q. KHAN

Über mehrere Jahre deckten die Vereinigten Staaten und Großbritannien die großangelegten Aktivitäten des sich über drei Kontinente erstreckendenden Verbreitungsnetzwerks von A.Q. Khan auf. Beispielsweise nutzten Khan und seine Anhänger eine Fabrik in Malaysia zur Herstellung von wichtigen Teilen für Zentrifugen und kauften weitere erforderliche Teile durch in Europa, im Nahen Osten und in Afrika stationierte Agenten des Netzwerks. Libyen, Iran und Nordkorea waren Kunden des Khan-Netzwerks.

Aufgrund von über nachrichtendienstliche Einsätze gewonnenen Informationen stoppten die Behörden das Schiff BBC China auf dem Weg nach Libyen und beschlagnahmten eine Reihe von Containern mit hochentwickelten Zentrifugenteilen, die in der Einrichtung in Malaysia hergestellt wurden. Das Abfangen der BBC China und die darauf folgende freiwillige Aufgabe des libyschen Atomprogramms ist ein Beispiel für das, was mit der Initiative zur Bekämpfung der Verbreitung erreicht werden kann und warum die Einhaltung der Resolution 1540 des UN-Sicherheitsrats so dringend erforderlich ist.

Die Zerschlagung derartiger Verbreitungsnetzwerke, die Sicherstellung, dass sie nicht wieder aufgebaut werden und die Verhinderung der Bildung neuer, ähnlicher Netzwerke ist für die Sicherheit der internationalen Gemeinschaft unerlässlich.

ABSCHAFFUNG DER LIBYSCHEN PROGRAMME FÜR MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN

Im Dezember 2003 gab Libyen eine klare Zusage zur Abschaffung aller seiner Programme für Massenvernichtungswaffen und Langstreckenraketen. Seitdem arbeitet Libyen in Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten, Großbritannien, der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) an der Erfüllung seiner Zusagen.

Libyen erlaubte den Vereinigten Staaten, eine große Zahl proliferationsrelevanter Materialien fortzuschaffen, einschließlich von Entwürfen für Atomwaffen von A.Q. Khan, über 1.000 Tonnen Nuklearmaterial und SCUD-C-Raketen sowie deren Abschussvorrichtungen. Zudem organisierten die Vereinigten Staaten die Verbringung von mehr als 15 Kilogramm frisch hoch angereichertem Uran-Kernbrennstoff nach Russland. Libyen zerstörte außerdem mehr als 3.000 chemische Waffenmaterialien und konsolidierte seine Lager für Chemiewaffenwirkstoffe und deren Vorläufer.

Im Verlauf dieses kooperativen Projektes wurde aufgrund der libyschen Erfahrung ein neues Modell für die Rückkehr eines isolierten Landes in die internationale Gemeinschaft durch überprüfbare Beseitigung illegaler Programme für Massenvernichtungswaffen und Langstreckenraketen aufgestellt.

EXPORTKONTROLLEN UND ÄHNLICHE GRENZSCHUTZHILFEN

Ein Schlüsselelement zur Bekämpfung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, ihrer Trägersysteme und verwandter Technologien sind effektive Export- und Grenzkontrollen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten die Vereinigten Staaten daran sicherzustellen, dass potenzielle Lieferanten angemessene Kontrollen über den Export von Rüstungsmaterialien, Mehrzweckgütern und verwandten Technologien ausüben. Sie arbeiten daran zu gewährleisten, dass Länder mit häufig angelaufenen Transitpunkten und Umschlaghäfen die Instrumente für das Abfangen illegaler Transporte durch ihr Staatsgebiet und für Kontrollen zur Vermeidung von Transportumleitungen an der Hand haben.

Das vom US-Außenministerium koordinierte Programm für Exportkontrollen und verwandte Grenzschutzhilfen (Export Control and Related Border Security Assistance - EXBS) ist das vorrangige Instrument der Vereinigten Staaten für die Unterstützung ausländischer Regierungen bei der Einführung und Umsetzung effektiver Export- und Grenzkontrollen, die internationalen Standards entsprechen. Zudem haben die Vereinigten Staaten im Rahmen des Zollprogramms des Verteidigungsministeriums zahlreiche Übereinkommen zu Massenvernichtungswaffen unterzeichnet und leisten technische Unterstützung in ganz Europa und Eurasien.

Die Hilfe im Rahmen des EXBS-Programms unterstützt die Ziele der Resolution 1540 des UN-Sicherheitsrats und ist Ländern bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen in anderen Bereichen behilflich, beispielsweise bezogen auf die Teilhabe an oder die Einhaltung multilateraler Nichtverbreitungsregime sowie die Teilnahme an der Initiative zur Bekämpfung der Weiterverbreitung.

Unter Einbeziehung der Erfahrungen des Außenministeriums, des Ministeriums für innere Sicherheit, des Wirtschafts-, des Energie- und des Verteidigungsministeriums sowie des Privatsektors ist das EXBS-Programm Ländern auf der ganzen Welt dabei behilflich, ihre Fähigkeiten zur Verhinderung und zum Abfangen von Lieferungen gefährlicher Waffen, Materialien und Technologie durch das Angebot einer Vielzahl praktischer, auf die Bedürfnisse des jeweiligen Landes zugeschnittener Hilfsmaßnahmen zu verbessern. Das EXBS-Programm unterstützt die Regierungen bei der Stärkung ihrer Exportkontrollen durch die Verbesserung ihres rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmens, ihrer Lizenzierungsverfahren, des Grenzschutzes, ihrer ermittlerischen Möglichkeiten, der Kontakte mit der Wirtschaft und der behördenübergreifenden Absprache.

Im Hinblick auf das globale Wesen der Verbreitungsbedrohung haben die Vereinigten Staaten die Schwerpunkte des EXBS-Programms maßgeblich erweitert. Außer potenziellen Quellenländern für Massenvernichtungswaffen in der ehemaligen Sowjetunion schließt das Programm jetzt auch potenzielle Quellenländer in Südasien sowie wichtige Hersteller von Kontrollen unterliegenden Waffen und Materialien sowie Haupttransitländer und -umschlaghäfen in Südosteuropa, dem Mittelmeerraum, dem Nahen Osten, Südostasien und Afrika ein.

Originaltext: Fact Sheet: U.S. Recaps Strategy to Stop Spread of Weapons of Mass Destruction
(siehe http://usinfo.state.gov)





Atomkrieg, unterirdisch

Von Rainer Rupp*

Während die UNO in New York den Atomwaffensperrvertrag behandelt, setzt das Pentagon auf Führbarkeit begrenzter Atomkriege. US-Army fordert neue Waffen

Ausgerechnet an dem Tag, an dem in New York die UN-Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags begann, veröffentlichte die Japan Times Details der neuen US-Doktrin für Nuklearwaffeneinsätze. Demnach sollen Atomwaffen miniaturisiert und somit genauso einsatzfähig gemacht werden wie konventionelle Waffen. Über diesen Plan kam es inzwischen zu Kontroversen zwischen Washington und seinen westlichen Bündnispartnern. Diese vermuten dahinter offenbar das Vorhaben Washingtons, begrenzte atomare Erstschläge vorzubereiten.

Auf der am Montag eröffneten internationalen Großkonferenz bei der UNO, die bis Ende Mai über die weltweite atomare Abrüstung verhandeln soll, wollen die 188 Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags (NVV) darüber debattieren, wie das seit 35 Jahren geltende Vertragswerk effizienter umgesetzt werden kann. Dabei wurde bereits im Vorfeld deutlich, daß es massive Kritik an den USA gibt. Insbesondere – so eine britische Nachrichtenagentur – wird kritisiert, daß »die USA zu wenig tun, um ihr eigenes Nuklearwaffenarsenal zu reduzieren«. Die Intention seitens der Washingtoner Regierung und ihrer engsten Partner, die Nuklearprogramme Irans und Nordkoreas verurteilen zu lassen, ist heftig umstritten.

Derweil verbreitete die Japan Times am gestrigen Montag den von den Stabschefs der US-Army verfaßten Entwurf eines Strategiepapiers mit dem Titel »Doktrin für vereinte Nuklearoperationen«. Dabei handelt es sich um die Umsetzung von Empfehlungen des bereits vor drei Jahren von der Bush-Administration abgesegneten Berichts zur »Nuclear Posture Review« (Überprüfung der Nuklearstrategie). Der neue Entwurf erlaubt nun den regionalen Kommandeuren der US-Streitkräfte, bei »Präventivschlägen« gegen Massenvernichtungswaffen von sogenannten Schurkenstaaten auch taktische Atomwaffen einzusetzen. Für die Freigabe der Waffen können diese sich direkt an den US-Präsidenten wenden.

Zudem macht das Papier klar, gegen wen sich in Zukunft Atomschläge richten können. »Es gibt zahlreiche nichtstaatliche terroristische und kriminelle Organisationen und etwa 30 Staaten mit Programmen für Massenvernichtungswaffen«, formulierten die US-Stabschefs wörtlich. Unter Verweis auf die angebliche Bedrohung durch Nordkorea, Iran und einige andere Staaten führt das Dokument dann Eventualitäten auf, für die der Einsatz von Atomwaffen vorbereitet werden müßte. Dafür wird dringend die Entwicklung von tief in den Boden eindringenden Atomwaffen zur Zerstörung unterirdischer Bunkeranlagen gefordert. Daß bei der Explosion einer solchen Waffe riesige Mengen hochverstrahlter Partikel in die Luft geschleudert werden, spielt keine Rolle.

Und auch bei einer Anhörung vor dem US-Senat am vergangenen Mittwoch hatte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld von Senatoren geäußerte Bedenken forsch beiseite gewischt. 70 Länder hätten inzwischen Bauprogramme für unterirdische Bunkeranlagen, so Rumsfeld. Deshalb mache das von ihm verlangte Entwicklungsprogramm für kleinere Atomwaffen zwecks Zerstörung dieser Anlagen »allen Sinn der Welt«.

* Aus: junge Welt, 3. Mai 2005


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