Große Betroffenheit nach dem Scheitern der Atomwaffenkonferenz
Globales Netzwerk für die Abschaffung aller Atomwaffen: "USA verantwortlich" - Brief des Bürgermeisters von Hiroshima
Am 26. Mai 2005 stand fest, dass die vierwöchige 7. Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag in New York endgültig gescheitert war. Am 27. Mai war es dann auch soweit. Im Folgenden informieren wir über das Ende der Konferenz anhand von drei Berichten:-
einem von der Deutschen Welle ausgestrahlter Bericht "Atomwaffensperrvertrag in der Krise" (Autorin: Julia Elvers),
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einer Presseerklärung von "Abolition 2000" (Globales Netzwerk für die Abschaffung aller Atomwaffen),
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einem "Offenen Brief" des Bürgermeisters von Hiroshima an den Präsidenten der Konferenz.
Atomwaffensperrvertrag in der Krise
Allein die Einigung auf eine gemeinsame Tagesordnung in New York dauerte fast zwei Wochen. Eine weitere Woche war nötig, bis sich das Plenum der 188 Vertragsstaaten auf die Besetzung der Arbeitsgremien einigen konnte. Für die eigentliche Arbeit zur Stärkung des Sperrvertrags blieben nur noch wenige Tage Zeit.
Das Durcheinander war abzusehen. Xanthe Hall von der Organisation "Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" (IPPNW) berichtet, dass es in den letzten drei Jahren jeweils eine Konferenz gab, auf denen die Tagesordnung festgelegt werden sollte. Doch die Teilnehmer konnten sich nie einigen.
Xanthe Hall befürchtet, dass die Konferenz am Freitag (27.5.) ohne jegliche Einigung zu Ende gehen wird. Ein schlechtes Signal für die Abrüstungsexpertin der IPPNW: "Das wird die Staaten, die die USA als Feinde bezeichnet haben, motivieren Atomwaffen zu entwickeln, um sich vor den USA zu schützen."
Eigentlich gilt der Atomwaffensperrvertrag als der erfolgreichste weltweite Abrüstungsvertrag. Fast alle Staaten der Welt gehören ihm an. Er verpflichtet die offiziellen Atommächte zur Abrüstung, untersagt allen anderen Ländern Nuklearwaffen und garantiert ihnen gleichzeitig die zivile Nutzung der Atomenergie.
Doch hier liegt auch die Crux: Während die Vereinigten Staaten fordern, die nuklearen Ambitionen Irans und Nordkoreas scharf zu verurteilen, verlangen die blockfreien Staaten weiterhin konkrete Abrüstungsschritte der Atommächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China.
Xanthe Hall hält es für einen Fehler des Atomwaffensperrvertrag, allen Vertragspartnern den Zugang zu Technologien der Anreicherung und Wiederaufarbeitung zu versprechen. Ihrer Meinung nach besteht immer die Gefahr, dass ein Land, das Atomenergie nutzt, irgendwann auch Atombomben baut. "Japan hat genügend Plutonium, um Atomwaffen zu bauen und könnte sagen: 'OK, wenn Nordkorea das macht, dann machen wir es auch'," sagt die Rüstungsexpertin.
Bei den letzten beiden UN-Konferenzen 1995 und 2000 hatten sich die Nuklearmächte noch zu konkreten Abrüstungsschritten verpflichtet. Doch seit dem 11. September 2001 spalten die Auslegung des Vertrages und der Umgang mit Nuklearmaterial die Weltgemeinschaft.
Washington fühlt sich seit den Terroranschlägen nicht mehr an alte Abrüstungs-Versprechen gebunden. (...)
Den USA ist vor allem der Iran ein Dorn im Auge. Der Iran beharrt darauf, dass die Uran-Anreicherung und Wiederaufarbeitung von nuklearem Brennstoff nach dem Atomwaffensperrvertrag sein gutes Recht seien. "Falls der Iran seine legitimen Rechte nicht nutzen kann, dann wird er diesen Vertrag auch nicht länger respektieren", sagte der iranische Verhandlungsführer Hassan Rowhani in New York.
"Die Drohung mit dem Ausstieg gleicht der Absicht, Atomwaffen zu entwickeln," sagt Xanthe Hall. "Die USA und Israel haben suggeriert, den Iran in diesem Falle anzugreifen." Angesichts dieser gefährlichen Entwicklung ist die Rüstungsexpertin frustriert darüber, dass Atomenergie die Bevölkerungen nicht weiter aufrege. So sei die UN-Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag weitestgehend an der Weltöffentlichkeit vorbei gegangen.
Auszüge aus einem Beitrag der Deutschen Welle vom 27. Mai 2005 (Autorin: Julia Elvers)
Quelle: http://www.dw-world.de
Presseinformation
Das Imperium schlägt zu!
USA für Scheitern der Atomwaffenkonferenz verantwortlich
Globales Netzwerk für die Abschaffung aller Atomwaffen Abolition 2000
New York, 26. Mai 2005: Eine Koalition von mehr als 2000 Gruppen aus 90 Ländern beschuldigt die USA und andere Atomwaffenstaaten, dabei versagt zu haben, das globale Nichtverbreitungssystem in den vier Wochen der Atomwaffenkonferenz bei den UN zu stärken.
„Die Vereinigten Staaten hatten vier Wochen Zeit, um die internationale Führung beim Thema Nichtverbreitung zu übernehmen. Sie haben jedoch nur ein demokratisches Defizit aufgezeigt,“ klagt Susi Snyder, Generalsekretärin der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF). „Offensichtlich wollte die US-Delegation niemals den Vertrag stärken. Stattdessen hat sie vier Wochen lang hinter verschlossenen Türen sogar abgelehnt jene Übereinkommen anzuerkennen, die sie vor fünf bzw. vor zehn Jahren getroffen hatten. Sie hat jegliche inhaltliche Diskussion blockiert, in dem sie um obskure Verfahrensmaßnahmen feilschte. Sie zeigte keine Kompromissbereitschaft und einen Widerwillen, das globale Nichtverbreitungssystem vorwärts zu bringen.“
„Es ist wie im Wilden Westen“, sagt Alice Slater, Mitbegründerin von Abolition 2000, dem globalen Netzwerk für einen Vertrag zur Abschaffung aller Atomwaffen. „Es herrscht eine totale Missachtung aller Rechtsgrundsätze. Die USA verleugnen einen Deal, den sie vor zehn Jahren gemacht haben. Sie hatten im Tausch gegen eine unbefristete Verlängerung des Vertrages u.a. versprochen, den Atomteststoppvertrag zu unterstützen. Dennoch will diese Administration nicht mal den Vertrag vor den Senat bringen, um über die Ratifizierung abzustimmen. In der Zwischenzeit praktiziert sie durch ihr massives Atomwaffenarsenal in Höchstalarmbereitschaft und die Entwicklung neuer, kleiner und einsetzbarerer Atomwaffen zudem Proliferation.“
„Es gibt ernsthafte Bedenken über die Verbreitung nuklearer Technologie. Es ist jedoch unmöglich, dies zu verhindern, während die Atomwaffenstaaten darauf bestehen, große Atomwaffenarsenale zu behalten,“ bemerkt Alyn Ware von der Juristenvereinigung gegen Atomwaffen. „Das gleicht einem Elternteil, das seinem Kind das Rauchen verbieten während er vor ihm eine Schachtel Zigaretten pafft. Das funktioniert nicht und wir erwarten ein besseres Führungsbeispiel von den Weltmächten.“
„Wir glauben, dass Staaten moralisch und politisch verpflichtet sind, Atomwaffen abzuschaffen. Sie haben darüber hinaus eine rechtliche Verantwortung, das zu tun,“ sagt Ware. Er zitiert die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes von 1996, dass die Androhung oder der Einsatz von Atomwaffen generell völkerrechtswidrig sei und die einstimmige Schlussfolgerung, dass Staaten rechtlich verpflichtet seien, die atomare Abrüstung zu vollenden. „Angesichts der fehlenden Umsetzung erörtern wir, ob wir vor Gericht gehen, um die Erfüllung dieser Verpflichtung zu erzwingen.“
„Es ist einfach, Iran, Ägypten oder andere für das Scheitern der Überprüfungskonferenz verantwortlich zu machen,“ sagt Snyder. „Aber das wirft einige Fragen auf. Ägypten beispielsweise unterstrich sehr nachdrücklich die wichtige Rolle der Anerkennung vergangener Übereinkünfte und der Einbeziehung Israels in den Vertrag. Iran fordert immer wieder eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten. Beide Maßnahmen würden das Nichtverbreitungssystem stärken. Wenn die USA nicht mal bereit sind, diese Fragen zu diskutieren, dann sind sie es, die den Vertrag sabotieren.“
Die massive Anwesenheit von über 400 Jugendlichen in diesem Monat gebe die wachsende Sorge unter jungen Menschen über die von Atomwaffen ausgehenden Gefahr wider, so Sophie LeFeez, eine Jugendvertreterin aus der französischen Friedensbewegung.
„Wir haben uns hier die Zeugenaussagen der Opfer aus Hiroshima und Nagasaki gehört und gleichzeitig verspürten wir die Absicht einiger, diese Konferenz zum Scheitern zu bringen, sowie die Hilflosigkeit der Mehrheit das Scheitern zu verhindern,“ so Lefeez. „Wir machen uns große Sorgen darüber, weil diese Generation uns, der nächsten Generation, eine atomwaffenfreie Welt verweigert. Wir wollen keine Welt erben, in der Atomwaffen unsere Sicherheit, unsere Umwelt und unser Leben bedrohen.“
Hilda Lini, Leiterin des Sekretariats für einen atomwaffenfreien und unabhängigen Pazifik, kündigt an, dass Nichtregierungsorganisationen (NGO) das Führungsvakuum ausfüllen würden, dass viele nationale Regierungen hinterlassen hätten.
„Egal welches Ergebnis diese Konferenz haben wird, es wird die Zivilgesellschaft nicht entmachten jene Arbeit fortzuführen, die sie seit Jahrzehnten bereits macht,“ führ Lini aus. „Die Führungsrolle der Zivilgesellschaft wächst jeden Tag. Wir haben die Mehrheit der Weltbevölkerung für eine Abschaffung aller Atomwaffen hinter uns und vernetzen uns weiterhin, wie wir auch unsere Regierung auffordern, die Arbeit für die Eliminierung der Bedrohung der Atomwaffen aufzunehmen.“
„Im Hintergrund arbeiten NGOs mit den Delegationen an den notwendigen rechtlichen, technischen und politischen Komponenten für eine atomwaffenfreie Welt,“ sagt Ware. „Wir haben beispielsweise den Entwurf einer Atomwaffenkonvention entwickelt, die die Möglichkeit einer schrittweisen Eliminierung der Atomwaffen unter strikter und effektiver Kontrolle zeigt. Wir arbeiten mit all jenen Staaten zusammen, die atomwaffenfreie Zonen betreffen und die sich zum ersten Mal kurz vor der Überprüfungskonferenz in Mexiko City trafen. Wir werden, wenn es sein muss, auch weiterhin mit ähnlich denkenden Staaten arbeiten, um gegebenenfalls außerhalb des NVV-Rahmens Fortschritte zu erzielen.“
Slater verweist auf andere „parallele Prozesse“, die zu internationalen Abrüstungsabkommen führen können, z.B. einem neuen Abolition 2000-Arbeitsausschuss, um Druck auf NATO-Mitglieder auszuüben, die Stationierung von US-Atomwaffen in ihren Ländern abzulehnen. Ein gewisser Fortschritt wurde jüngst erzielt, als der belgische Senat beschloss, die NATO aufzufordern, Atomwaffen aus Belgien abzuziehen. „Die Nuklearmächte wissen Bescheid. Es bleibt nichts wie es war,“ so Slater.
„NGOs können bedeutende Informationen und Wissen mit den Regierungen teilen,“ schließt Lini. „Unser Wunsch ist es, dass die Regierungen der Atomwaffenstaaten enger mit den Kollegen und Kolleginnen in den akademischen, wissenschaftlichen und sozialen Gemeinschaften zusammenarbeiten, um den Fortschritt zu erzielen, den sie alleine nicht erzielen konnten.“
Kontakt:
Chris Cooper oder Alice Slater: ccooper@abolitionnow.org
Susi Snyder: susi@reachingcriticalwill.org
Alyn Ware: alyn@pnnd.org
Hiroshimas Bürgermeister sucht neue Wege für Abrüstung
Offener Brief an den Präsidenten der NVV-Überprüfungskonferenz
H.E. Mr. Sergio de Queiroz Duarte
Präsident der 7. Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages
Konferenz-Sekretariat
Vereinte Nationen
27. Mai 2005
Sehr geehrte Excellenz,
vielen Dank für den herzlichen Empfang der Delegation der „Bürgermeister für den Frieden“ auf der Überprüfungskonferenz. Mit getrennter Post schicke ich Ihnen die endgültige Liste der UnterzeichnerInnen der internationalen Erklärung der Bürgermeister. 208 andere Repräsentanten von Städten schlossen den 456 UnterzeichnerInnen an und drückten ihre Unterstützung der 2020 Vision Kampagne in anderer Form aus. Es mag Sie ebenfalls interessieren, dass die Zahl der Mitglieder der „Bürgermeister für den Frieden“ von unter 600 auf über 1000 angestiegen ist, seit unsere Kampagne im November 2003 initiiert wurde. Dieser Zulauf an Mitgliedern steigt stetig.
Ich hoffe, Sie verzeihen mir den Einsatz eines Offenen Briefes, um mit Ihnen und allen TeilnehmerInnen der Überprüfungskonferenz – ob TeilnehmerIn einer Regierungen oder von Nicht-Regierungsorganisationen – zu kommunizieren. Ich habe nicht den leisesten Zweifel daran, dass Sie und die große Mehrheit der TeilnehmerInnen jede erdenkbare Anstrengung unternommen haben, um ein bedeutsames Ergebnis zu erreichen. All jene, die sich in gutem Glauben angestrengt haben, haben meinen tiefsten Dank für eine – wie es scheint – undankbare Aufgabe.
Ich wünsche Ihnen Kraft und Inspiration, wenn Sie versuchen, eine Akzeptanz für eine Erklärung des Präsidenten bei der Konferenz zu erreichen. Aber ich bin sicher, Sie sind sich mit mir darin einig, dass die Erklärung des Konferenzpräsidenten kein Ersatz ist für eine sorgfältig beratenes und akzeptiertes Schlussdokument, wie das Schlussdokument der 2000- Überprüfungskonferenz. Als ein Veteran der Abrüstungskonferenz, hatten Sie sicher keine Illusionen über die Tiefe der Krise, mit der die atomare Nichtverbreitungs- und Abrüstungsagenda konfrontiert sind. Es war unwahrscheinlich, dass Hindernisse, die in den letzten fünf Jahren in Genf nicht überwunden werden konnten, in vier Wochen in New York mit fast den gleichen Parteien zu lösen wären. Und um nach vorne zu schauen, wenn noch mehr auf dem Spiel stand und es trotzdem zu keiner Kooperation kam, welche Chance wird dann für die Abrüstungskonferenz bestehen, ihre Aufgabe nun zu erfüllen?
Sowohl in Genf als auch in New York, haben wir Länder gesehen, die die Arbeit zu aüßerst wichtigen Aufgaben durch grobe Ausnutzung von Konsensregeln blockieren. Mit Verfahrensfragen kann eine kleine Zahl von Staaten der großen Mehrheit ihren Willen aufzwingen. In Anbetracht dessen, was für die Menschheit auf dem Spiel steht, ist das intolerabel. Dass ein solches Land dann den Spieß herumdreht und die multilateralen Institutionen als ineffektiv kritisiert, ist recht empörend. Wir müssen diejenigen, die sich auf diese Weise verhalten – mit den Worten von Präsident Abraham Lincoln warnen:
„Man kann das ganze Volk eine Zeit lang täuschen und man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, aber man kann nicht das ganze Volk die ganze Zeit täuschen.“
Wir werden die Abrüstungskonferenz mit einem wachsamen Auge begleiten. Währenddessen, glauben wir, wäre es klug, die ein alternatives Treffen vorzubereiten, das nicht von Verfahrensfragen gelähmt wird. Sie werden sich daran erinnern, dass ich in meinem Brief an die TeilnehmerInnen der Atlanta-Konsulationen II, erklärt habe, dass die Bürgermeister für den Frieden bereit sind, sich für sorgfältige Überlegungen über neue Wege zu engagieren, sollten die etablierten Gremien blockiert bleiben. Diese Aufgabe ist heute nötiger denn je. Nichts würde mich mehr freuen, der Welt in meiner Friedenserklärung zum 60. Jahrestag die Entwicklung einer realisierbaren Option zu verkünden. In jedem Fall werden die Bürgermeister für den Frieden Ratschlag von allen Menschen mit gutem Willen suchen, als wir uns vorwärts bewegen.
Die 2020-Vision und die Erklärung der „Bürgermeister für den Frieden“ rufen dazu auf, in diesem Jahr Verhandlungen zu beginnen. Das Fehlen einer positiven Vision, was mancherorts offensichtlich wurde, ist natürlich enttäuschend. Aber Enttäuschung ist nicht gleich Mutlosigkeit. Der Wille einer großen Mehrheit wird eine demokratische Entsprechung in unseren Städten, Ländern und der Welt finden. Wir fahren fort, dieses Jahr eine Entscheidung zu suchen, um die substantielle Arbeit an einem Programm für die vollständige Abschaffung von allen nuklearen Arsenalen in Gang zu bringen. Wir machen weiter, überzeugt, dass Lektionen gelernt worden sind und Taten folgen werden.
Danke Ihnen für die historische Aufgabe, die Sie mit Geduld und Ausdauer geschultert haben.
Respektvoll
Tadotoshi Akiba
Bürgermeister von Hiroshima
Präsident der Bürgermeister für den Frieden
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