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Lebensmittelhilfe gekürzt

Die Vereinten Nationen fahren ihr Welternährungsprogramm zurück. Empfindliche Einschnitte für Flüchtlingslager und in Kriegsgebieten

Von Rainer Rupp *

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) muß wegen Geldmangels seine Lebensmittelhilfen in die von Krisen, Krieg und Hungersnöten gezeichneten Länder der Dritten Welt zurückfahren. Das hat anfangs der Woche die Geschäftsführerin der in Rom residierenden UN-Organisation, Ertharin Cousin, erklärt. Um seine Aufgabe zu erfüllen, fehlten dem WFP für 2014 zwischen einer und 1,3 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Der gesamte Haushalt des WFP für 2013 betrug 4,4 Milliarden Dollar.

Lebensmittelhilfen für Länder wie Haiti, Niger und Mali sowie für das Flüchtlingslager Dadaab in Kenia sind bereits im Dezember um zehn Prozent gekürzt worden. Im Januar wurden sie um ein weiteres Zehntel heruntergefahren. Auch Rußlands Beitrag an das WFP Anfang dieser Woche in Höhe von fünf Millionen Dollar zur Verwendung in Sudan und Kirgistan ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Zwar sollen mit dem Geld auch im Sudan 70 000 Menschen ein Jahr lang ernährt werden, aber das WFP rechnet für das laufende Jahr damit, daß es für vier Millionen sudanesische Flüchtlinge Lebensmittel bereit stellen muß.

Größtes Flüchtlingslager

Die im trockenen Nordosten Kenias liegende Provinz Dadaab gilt mit über einer halben Million Menschen seit 2011 als das größte Flüchtlingslager der Welt. Die Zeltlager bedecken eine Gesamtfläche von 50 Quadratkilometern im Radius von 18 Kilometern um die Provinzhauptstadt Dadaab. Es bietet den Flüchtlingen aus den verschiedenen ostafrikanischen Konfliktregionen notdürftigen Schutz und gerade genug Essen, um nicht zu verhungern. Und das wenige ist jetzt noch weiter reduziert worden.

WFP-Beamte machen die Kosten für komplexe Operationen des Kriegs in Syrien und der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) für die gigantische Lücke im Haushalt der Vereinten Nationen verantwortlich. So versucht die Organisation in einer extrem schwierigen Sicherheitslage insgesamt 4,25 Millionen Menschen mit 40 Millionen Dollar pro Woche mit dem zum Überleben Notwendigen zu unterstützen. Unter bürgerkriegsähnlichen Bedingungen müssen in der ZAR fast 800000 Menschen mit Nahrung, Wasser und Schutz vor Wind und Wetter versorgt werden.

In der zurückliegenden Woche war die Geschäftsführerin Cousin in Australien und Asien, um bei den dortigen Regierungen um zusätzliche Finanzhilfe zu betteln. Appelle an die reichen westlichen Regierungen blieben weitgehend unbeantwortet oder es wurden minimal kleine Spenden mit Verweis auf Wirtschaftskrise und Sparzwänge bewilligt. Aber als es 2008 darum ging, die privaten Zockerbanken zu retten, da konnten die selben Regierungen – auch die deutsche – in wenigen Stunden Hunderte von Milliarden Dollar und Euros locker machen.

Auch Länder wie die USA, Frankreich, Katar und Saudi Arabien tun sich schwer, zusätzliches Geld zur Lebensmittelhilfe zur Verfügung zu stellen. Und dabei sind sie es, die mit Milliarden für Terroristen oder korrupte Regierungen die Kriege in Syrien, in der ZAR und den meisten anderen Konfliktzonen schüren – mit der geheuchelten Besorgnis um Demokratie und Menschenrechte. Letztlich geht es ihnen darum, ihre geostrategischen Interessen oder den Zugang zu Rohstoffen durchzusetzen.

870 Millionen hungern

Laut UNO sind 870 Millionen Menschen unterernährt, die meisten von ihnen in Entwicklungsländern – aber auch in hochentwickelten und sehr reichen Ländern wie den USA und neuerdings auch in Ländern der EU. Laut amtlicher Statistik aus den USA lebt einer von sechs US-Bürgern in Armut und 146 Millionen (fast die Hälfte der Bevölkerung) sind entweder arm oder leben an der Armutsgrenze. Da auf Grund mangelhafter Sozialprogramme in den USA ein Teil der Armen keine Lebensmittelmarken bekommt, gibt es auch in den USA millionenfachen Hunger, besonders bei Kindern.

Selbst im reichen Deutschland gibt es offiziellen Zahlen zufolge 2,5 Millionen in Armut lebende Kinder, von denen viele morgens hungrig zur Schule gehen. Und laut des von den großen Medien schleunigst im Gedächtnisloch entsorgten Armutsberichts der EU vom Dezember 2012 ist der Hunger für erschreckend große Teile der Bevölkerung der meisten Mitgliedsstaaten zur Normalität geworden. Die Regierungen müssen angeblich sparen, weil sie die Staatshaushalte durch die Billionen Euro teure Rettung privater Zockerbanken überschuldet haben.

* Aus: junge Welt, Samstag, 8. Februar 2014


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