Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Biodiesel treibt den Hunger voran

Geheimstudie der Weltbank zu Ursachen für den exzessiven Anstieg der Nahrungsmittelpreise *

Für das enorme Ansteigen der Nahrungsmittelpreise wird nach britischen Medienangaben in einer bislang geheim gehaltenen Studie der Weltbank die Erzeugung von Biokraftstoff maßgeblich verantwortlich gemacht.

Bis zu 75 Prozent der Preissteigerungen sind der Studie zufolge auf den Verbrauch von Agrarprodukten und -flächen für die Herstellung von sogenanntem Biodiesel zurückzuführen, berichtete die Zeitung »The Guardian« am Freitag. »Ohne den Zuwachs bei Biokraftstoffen wäre das weltweite Getreide- und Maisaufkommen nicht so spürbar zurückgegangen und Preissteigerungen durch andere Faktoren wären nur moderat ausgefallen«, zitierte das Blatt aus der ihm nach eigenen Angaben vorliegenden Studie. Höhere Energie- und Düngemittelpreise seien seit Anfang 2002 bis Februar 2008 lediglich zu 15 Prozent am Steigen der Nahrungsmittelpreise beteiligt gewesen, während die Hauptursache dafür der Ausbau der Biodieselerzeugung sei.

Der bereits im April fertiggestellte Weltbank-Bericht wurde nach Überzeugung von Entwicklungshilfe-Experten unter Verschluss gehalten, um die Regierung von US-Präsident George W. Bush nicht zu brüskieren. Die Einschätzungen der Studie stünden im Gegensatz zu Behauptungen der US-Regierung, wonach die Erzeugung pflanzlicher Kraftstoffe lediglich zu weniger als drei Prozent an den Agrarpreissteigerungen beteiligt sei. »Politische Führer scheinen darauf bedacht zu sein, die Beweise dafür zu unterdrücken, dass Biokraftstoff ein Hauptfaktor der jüngsten Steigerung der Nahrungsmittelpreise ist«, sagte Robert Baily, politischer Berater der Hilfsorganisation Oxfam, der Zeitung. »Während Politiker sich darauf konzentrieren, die Industrie bei Laune zu halten, können Menschen in armen Ländern sich nicht genug Essen leisten.«

Entwicklungs- und Naturschutzorganisationen haben vor dem G8-Gipfel in Japan an die Verantwortung der starken Industrienationen für arme Länder appelliert. Sie seien als reiche Staaten völkerrechtlich verpflichtet, das Recht auf Nahrung zu garantieren und die armen Länder bei der Hungerbekämpfung zu unterstützen, forderte Flavio Valente vom Netzwerk FIAN International am Freitag in Köln. Die größten Wirtschaftsmächte müssten ihre Mitschuld an der Hungerkrise anerkennen und einen Kurswechsel einleiten.

Unterdessen hat der Chef des UNO-Klimarates (IPCC), Rajendra Pachauri, die Europäer zu mutigeren Schritten gegen den Treib-hausgaseffekt aufgerufen. Wenn die EU ihrem Führungsanspruch nicht gerecht werde, drohe den internationalen Klimabemühungen das Aus, warnte Pachauri die Umweltminister bei einem informellen Treffen unter Frankreichs Vorsitz in Saint-Cloud bei Paris. Der Klimaschutz ist eines der zentralen Themen des G8-Gipfels ab Montag.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Juli 2008


Zurück zum Thema "Armut, Hunger, Massenelend"

Zur Umwelt-Seite

Zurück zur Homepage