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Zum Antikriegstag 2001

Gemeinsamer Aufruf des DGB Region Südniedersachsen-Harz und des Göttinger Friedensbündnisses

Schon kurze Zeit nach Ende des zweiten Weltkrieges wurde der 1. September als internationaler Gedenktag für den Angriff Nazi-Deutschlands auf Polen im Jahr 1939 zum Antikriegstag erklärt. Dass der Krieg gegen Polen völkerrechtswidrig war, ergibt sich aus dem "Briand-Kellogg-Pakt" von 1928, der Angriffskriege verbietet. Somit gedenken wir der zivilen Opfer der Kriege und nicht der Soldaten als Täter.

In Deutschland trugen Kirchen, Gewerkschaften und die Sozialdemokratie anfangs den Antikriegstag. Davon verabschiedeten sich die führenden Kräfte dieser Gruppen doch sehr bald. In den 1970er und 80er Jahren übernahmen die "Grünen" diese Aufgabe. Jetzt sind, bei wenigen Ausnahmen, in den Kirchen, Gewerkschaften, in der SPD und bei den "Grünen" die FriedensfreundInnen an den Rand gedrängt. Die "Bündnis-Grünen" waschen in Göttingen das Antikriegsdenkmal "Rostiger Reiter" am Neuen Rathaus (GT vom 16.08.2001), machen aber nur sehr zögerlich reale Antikriegspolitik. Erneut begeht die Bundesrepublik Deutschland den Antikriegstag im Jahr 2001 in kriegerischer Zeit:
Wir könnten hier neben Israel/Palästina, Äthiopien/Eritrea, Irak und Tschetschenien noch viele andere Gebiete und Staaten nennen, die in Kriege oder Bürgerkriege verwickelt sind. Die Ursachen dieser Konflikte sind vielschichtig. Religiöse und ethnische Spannungen stehen in der öffentlichen Wahrnehmung meist im Vordergrund, doch die wirklichen Kriegsgründe sind wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeiten. Waffenexporte auch aus Deutschland tragen zur weltweiten Aufrüstung bei und machen die Kriege durchführbar. Statt soziale und gerechte Lösungen zu unterstützen, werden immer restriktivere Maßnahmen gegen Flüchtlinge ergriffen.

Die breite Antiglobalisierungsbewegung zeigt, dass viele Menschen die Zusammenhänge verstehen und dass immer mehr Menschen wieder bereit sind, für Gerechtigkeit und Frieden auf die Straßen zu gehen. Die Regierungen reagieren darauf mit Kriminalisierungskampagnen und Repressionen, wie jüngst in Genua auf dramatische Weise deutlich wurde. Gewalttätige Demonstrationen lehnen wir ab, aber Augenzeugenberichte vom 16.06. in Göttingen und vom 20.07. in Genua belegen, dass die Gewalt zunehmend von der Polizei ausgeht. Unsere Solidarität gilt daher den verletzten und inhaftierten GlobalisierungskritikerInnen. Seit Rot-Grün regiert, werden wichtige Teile der Friedensbewegung im Verfassungsschutzbericht des Bundesinnenministeriums genannt, obwohl doch gerade die Bundesregierung mit der Umstrukturierung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee die Verfassung bricht (Artikel 87a GG).

Der Umbau der Bundeswehr wird die Außenpolitik der Bundesrepublik nachhaltig verändern. In der bundeswehreigenen Publikation des Jahres 2000 "Die Bundeswehr an der Schwelle zum 21.Jahrhundert" heißt es : "Die Landes-verteidigung ist der unwahrscheinlichste Einsatzfall der Bundeswehr geworden." Die "Weizsäcker-Kommission" benennt es eindeutig: "Ziel ist es, zukünftig zwei Kriegseinsätze in verschiedenen Regionen gleichzeitig durchführen zu können."

Wer will anhand solcher Aussagen noch vom verfassungsgemäßen Verteidigungsauftrag an die Bundeswehr reden?

Der neuen NATO-Strategie aus dem Kriegsjahr 1999 entsprechend wird die Bundeswehr zu einer flexiblen und schnellen Eingreiftruppe in Europa und gegebenenfalls in der gesamten Welt für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland, der EU und der NATO. In diesem Zusammenhang sprechen US-amerikanische Regierungsquellen unverhohlen auch von Wirtschaftsinteressen. Kern der Neuausrichtung der Bundeswehr ist die Verdreifachung derjenigen Truppenteile ("Einsatzkräfte"), die für den militärischen Einsatz außerhalb des NATO-Gebietes vorgesehen sind. Ihre Zahl wächst von 53.600 auf 150.000!

Zu diesem umfangreichen Politikwechsel gehört ebenfalls, dass die ehemals rein zivile EU zu einem Militärbündnis umfunktioniert wird. 60.000 SoldatInnen sollen den neu geschaffenen EU-Einsatzkräften angehören, 18.000 davon aus Deutschland. Deutschland stellt diese 18.000 SoldatInnen zusätzlich zu den 150.000 nationalen Einsatzkräften zur Verfügung.

Die Bewaffnung der Bundeswehr soll für den neuen Zweck "modernisiert" werden. So sollen die neuen Kriegsschiffe "hochseetauglich" sein und in "flachen, fremden Gewässern Ziele zur See und an Land bekämpfen" können. In einer aktuellen Schrift der Bundesmarine weist man uns darauf hin, dass die Erde zu zwei Dritteln aus Meeren besteht und diese Meere ein "Medium zum Export von Werten" darstellen. Auch der Luftraum ist als "Exportmedium für Werte" entdeckt worden: so soll die Bundeswehr große Transportflugzeuge bekommen. In Potsdam soll bis zum Herbst 2003 ein neues alle Teilstreitkräfte umfassendes Kommando - eine Art Generalstab - entstehen. In Calw wird gerade das "Kommando Spezialkräfte", die "Elite" der angriffsfähigen Kräfte, aufgebaut. Dies wäre alles nicht nötig, wenn man sich auf die Landes- und Bündnisverteidigung beschränken wollte.

Der verfassungswidrige Aufbau einer Angriffsarmee kostet aber mehr Geld als eine Verteidigungsarmee. Die geplante teure Rüstung macht es für die Bundesregierung nötig, die Armee arm zu lügen. Der Rüstungshaushalt wird verschleiert, in dem Einzelposten (z. B. Offizierspensionen oder Teile der Aufwendungen für Auslandseinsätze) in anderen Haushaltstiteln versteckt werden. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit sind nicht mehr gewahrt.

Dass selbst der offizielle Rüstungshaushalt mit 24,5 Mrd. € deutlich zu hoch ist, ist allerdings zu erkennen. Besonders, wenn man berücksichtigt, dass für die zivile Konfliktvermeidung und -lösung nur 17,5 Mio € zur Verfügung stehen (1€ = 1,96 DM).

Die zivil-militärische Zusammenarbeit wird ausgeweitet. Rahmenverträge der Bundeswehr mit der deutschen Wirtschaft und auch der Deutschen Krankenhausgesellschaft dokumentieren diesen Sachverhalt. Im vergangenen Jahr hat das Göttinger Friedensbündnis in mehreren Vorträgen darauf aufmerksam gemacht.

Im Zusammenhang des Umbaus der Bundeswehr in eine Interventionsarmee ist auch der geplante Mazedonien-Einsatz zu sehen. Bei dem Konflikt geht es nicht um die Stärkung der Rechte der albanischen Minderheit. Nach den letzten Parlamentswahlen bildete sich Ende Dezember 1999 eine neue Regierung in Mazedonien. An dieser ist die "Demokratische Partei der Albaner, DPA" beteiligt. Im "Fischer-Weltalmanach 2001" heißt es: "Ende Juli (2000) legalisiert das Parlament die bisher nicht anerkannte albanische Hochschule in Tetovo, die 1994 nach der Schließung der Universität Pristina in Kosovo gegründet wurde." Im "ai-Jahresbericht 2001" wird erklärt: "Politische Machtkämpfe waren allerdings nicht ethnisch motiviert. Die Regierung setzte sich aus einer Koalition von Parteien zusammen, deren Mitglieder entweder Mazedonier (Slawen) oder ethnische Albaner waren oder die von beiden Gruppen getragen werden." Die UCK mag an der Regierung nicht beteiligt sein, die Albaner sind es aber dennoch. Die UCK hat in Mazedonien, genau wie zwei Jahre zuvor im serbischen Kosovo, gezielt angegriffen, um die Region zu destabilisieren. Diese Taktik hatte im Fall Kosovo funktioniert. Diesmal soll es nach Meinung der UCK genauso gehen. In Aracinovo wurden drei Polizisten im Januar 2001 ermordet, die mazedonische Regierung musste reagieren. Auf beiden Seiten kam es nun zunehmend zu Gewaltakten. Wie schon in Serbien unterstützt die NATO einseitig die UCK. Die Waffenlieferungen der USA sind schon lange kein Geheimnis mehr. Als vor wenigen Wochen im Rahmen eines örtlich begrenzten Waffenstillstands ein Abzug der UCK aus der Region Aracinovo vereinbart wurde, trafen die internationalen Beobachter auf sieben US-Bürger, die sich als Ausbilder der UCK zu erkennen gaben. Auf Druck der NATO muss nun Mazedonien die Verfassung ändern, um nicht etwa nur den Albanern, sondern besonders der UCK mehr Rechte zu geben. Die albanischen Polizisten in Mazedonien werden aus der UCK hervorgehen und weiter dem Ziel eines Großalbaniens dienen. Teile der UCK haben bereits jetzt erklärt, dass sie ihren bewaffneten Kampf fortführen werden und den Friedensvertrag vom 13.08. nicht anerkennen. Diese Tatsachen wohl wissend, treibt die Bundesregierung unser Land erneut in ein kriegerisches Abenteuer. Solche Unternehmungen braucht die Bundesregierung zur Legitimation der horrenden Aufrüstung.

Wir fordern daher:
  • den Stopp des Umbaus der Bundeswehr
  • die Auflösung der bereits im Aufbau befindlichen Einsatzkräfte (Interventionskräfte) (Unterstützen Sie bitte unsere Unterschriftenaktion speziell zu dieser Forderung.)
  • den Stopp der Aufrüstung- und den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland
  • den Stopp aller Rüstungsexporte
  • die Zivilisierung der deutschen Außenpolitik
  • eine humane Politik zur Aufnahme von Deserteuren
  • keine Beteiligung der Bundeswehr am Mazedonien-Einsatz
Bitte unterstützen Sie unsere Anliegen. Schreiben Sie Briefe an Ihre Abgeordneten oder beteiligen Sie sich an Aktionen gegen die Aufrüstung.


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