Mit Galileo in den Sternenkrieg?
Weltraum-Aufrüstung der USA vor allem durch Privatunternehmen
Von Susanne Härpfer *
Putins Rede auf der Münchener Sicherheitskonferenz und schon zuvor Chinas demonstrativer
Abschuss eines eigenen Satelliten haben die Debatte um die Militarisierung des Weltraums neu
entfacht. Bislang weitgehend unbemerkt blieb dabei eine Sensation der neuen US-amerikanischen
Weltraumdoktrin: Private Unternehmen und nicht das Pentagon sollen vor allem für die Bewaffnung
im All verantwortlich sein.
Ungewöhnliche Zeiten brechen in den USA an: Das Militär soll nur noch als Hauptmotor bei der
Entwicklung neuer Waffensysteme für den Weltraum dienen, wenn es keine günstigeren
kommerziellen Anbieter gibt. Dazu zählen explizit sogar ausländische. Diese werden nicht nur
ausdrücklich von der Bush-Regierung genannt, sondern ausländische Unternehmen sollen sogar
den Vorzug vor einheimischen bekommen. Damit würden auch europäische Konzerne wie EADS in
den USA stärker präsent werden; einerseits eine Chance für mehr Umsatz, andererseits eine
europäische Beteiligung an US-amerikanischer Aufrüstung im Weltraum.
Außerdem heißt es in dem entsprechenden Regierungsdokument: Der US-Geheimdienstkoordinator
soll mit den Informationen aus dem Orbit nicht nur das eigene Militär unterstützen, sondern auch der
inneren Sicherheit sowie der einheimischen Wirtschaft dienen. Die Möglichkeit zur
Wirtschaftsspionage als nationales Ziel – das ist neu. Damit bekommt die Kooperation mit
ausländischen kommerziellen Anbietern aber auch eine zweifelhafte Note.
Allerdings verpflichtet sich die US-Regierung ebenso, Firmen ausländischen Anbieter zu schützen,
wenn diese amerikanischen Interessen dienen. Zwar fällt nicht ein einziges Mal das Wort Galileo,
aber das europäische Satellitennavigationssystem ist zur Zeit neben dem europäischen Egnos
(Europäischer Geostationärer Navigations Overlay Service) das einzige, auf das diese Regelung der
Bush-Regierung anzuwenden ist. Egnos ist der Vorläufer Galileos.
Auf jeden Fall zeigt die aktuelle Debatte, wie nötig eine eigene, europäische Haltung zur
Weltraumrüstung ist. Früher oder später drohe ein Terrorangriff auf Satelliten, warnt etwa Günter
Verheugen für die Europäische Kommission. Dafür müsse man gewappnet sein, auch in Europa. Betroffen von einem Angriff auch auf das US-amerikanische Satellitennavigationssystem »Global
Positioning System« wäre jeder. Denn ob Flugzeug, Schiff oder Bahn, alle verlassen sich inzwischen
auf GPS. Kaum eine Güterlieferung geschieht noch ohne, ein Ausfall des Systems würde weltweit
die Wirtschaft treffen.
Aufrüstung helfe aber nicht, widersprechen die Experten Michael Katz-Hyman und Michael Krepon
im Fachblatt »DefenseNews«. Satelliten seien extrem verwundbar. Dies blieben sie auch, wenn die
USA aktive Waffensysteme im All installierten. Ein besserer Schutz sei es, sich nicht zu sehr auf
Satellitennavigation zu verlassen.
Die neue US-amerikanische Weltraumdoktrin hat aber die Entscheidungshoheit gerade weitgehend
aus der Hand gegeben – an Firmen, die eher an der Militarisierung des Weltraums interessiert sind
als an Abrüstung. So hat sich das Pentagon formal aus der Schusslinie gebracht. Der US-Bundesrechnungshof, das Government Accountability Office. kritisiert nämlich, dass sich das
Verteidigungsministerium zu früh in Projekte stürze, bevor die Technik ausgereift sei. So seien über
Jahrzehnte die Kosten für Weltraumtechnik aus dem Ruder gelaufen. Damit schreibt die neue
Weltraumpolitik von Präsident Bush das fort, was die US-amerikanische »Denkfabrik« der Rand
Corporation bereits 1995 gefordert hatte. In dem Papier heißt es nämlich, dass private Unternehmen
GPS finanzieren sollten, wenn eigene Steuergelder dafür nicht mehr ausreichen. Selbst
ausländische Regierungen könnten als Geldgeber in Frage kommen.
Andererseits haben die US-Militärs in der Vergangenheit bereits negative Erfahrungen mit einer
Mischfinanzierung gemacht. Aus Geldknappheit wurde in den 90er Jahren erwogen, den
internationalen Anbieter von maritimen Satellitensystemen Inmarsat GPS ausbauen zu lassen.
Diese Firma aber erhob auf der Weltfunk-Konferenz 1997 den Anspruch auf die GPS-Frequenzen,
um ihr mobiles System MSS anbieten zu können.
Beinahe also hätte ausgerechnet das US-Militär Frequenzen an eine private Firma verloren. Und
das, obwohl Washington immer wieder betont, welch tragende Rolle GPS für die nationale
Verteidigung habe. Außerdem stimmten die USA damals zu, GPS durch die europäische
Satellitenentwicklung Egnos ergänzen und erweitern zu lassen. Damit sind aber auch die
Auseinandersetzungen zwischen den USA und der EU um Galileo möglicherweise in einem anderen
Licht zu sehen. Denn Egnos ist ja der Vorläufer von Galileo. Führte also das US-amerikanische
Finanzierungsproblem in Wahrheit zu einer Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten und
Europa auf dem Gebiet der Satellitennavigation? Dagegen sprechen die harschen Töne der USA,
als die Europäer Galileo als eigene Variante präsentierten. Dafür sprechen die kooperative
Entwicklung und die gerade vorgestellten Raumfahrt-Projekte.
* Aus: Neues Deutschland, 15. Februar 2007
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