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"Ein großer Schritt in die richtige Richtung"

Zivilklausel der Uni Münster: "Formular zum Kriegswaffenkontrollgesetz" muß bei Forschungsvorhaben ausgefüllt werden. Ein Gespräch mit Jörg Rostek


Jörg Rostek ist studentischer Vertreter im Senat der Universität Münster.


Der Senat der Universität Münster hat in der vorigen Woche die Einführung einer »Zivilklausel« in die Hochschulverfassung beschlossen. Damit soll Militärforschung untersagt werden. War der Beschluß denn nötig?

Zwar findet nach unserem Kenntnisstand aktuell keine Militärforschung an der Uni statt – in der Vergangenheit gab es aber einige wehrmedizinische Projekte mit der Bundeswehr. 2004 und 2005 hat die Uni Münster dafür mehr als 60000 Euro vom Verteidigungsministerium bekommen. Da solche Forschungsprojekte dazu dienen, Krieg als politisches Mittel zu optimieren, anstatt ihn zu verhindern, gehören sie nicht an eine zivile Hochschule. Mit der Zivilklausel wollen wir dafür sorgen, daß Kriegsforschung nicht noch mal stattfindet.

Die Leitung der Münsteraner Universität gilt eher als konservativ. Wie kam es zu dem einstimmigen Beschluß?

Wir haben schon seit zwei Jahren für die Einführung der Klausel gearbeitet, viele Veranstaltungen organisiert sowie im Studierendenparlament und im Allgemeinen Studierendenausschuß darüber diskutiert. Es herrschte weitestgehend Einigkeit darüber, daß wir in Münster eine Zivilklausel brauchen. Deshalb haben wir einen Entwurf dafür auf die Tagesordnung der Senatssitzung am 17. Juli gesetzt. Zunächst sah die Rektorin Professor Dr. Ursula Nelles unseren Antrag als Mißtrauensvotum gegen sich. Sie hat klargestellt, daß sie Forschungsprojekte mit militärischem Hintergrund unterbinden würde. Mit einer Zivilklausel diesen friedenspolitischen Anspruch zu unterstützen, lag da nicht fern. Sowieso herrschte im Senat Einigkeit darüber, daß Kriegsforschung an der Uni Münster erst einmal nichts zu suchen hat. Wo Kriegsforschung beginnt, ist aber weiterhin strittig.

Die Zivilklausel in Münster lautet nun konkret: »Forschung, Lehre und Studium an der Universität Münster sind auf zivile und friedliche Zwecke ausgerichtet.« Entsprechende Klauseln an anderen Universitäten sind schärfer formuliert.

Ja, unsere Formulierung wurde vom Senat noch mal überarbeitet und entschärft. Dagegen konnten wir leider nichts machen: Es gibt 23 Senatoren, und die Stimmenmehrheit liegt bei den Professoren. Die Entschärfung ist wohl vor allem der Meinung geschuldet, daß Militär als solches kein verwerfliches Instrument sei. Der Senatsvorsitzende machte in der Sitzung deutlich, daß er nicht jeden aktuellen Einsatz der Bundeswehr ablehnt. Den Sprung, »Gewalt« als politisches Mittel grundsätzlich zu ächten, haben die Professoren im Senat nicht mitgemacht. Trotzdem ist die beschlossene Zivilklausel ein großer Schritt in die richtige Richtung. Sie wird sich in Zukunft aber noch bewähren müssen.

Wird ihre Einhaltung überprüft?

Ein renommierter Philosophie-Professor wurde beauftragt, die Forschungsprojekte an der Uni Münster im Auge zu behalten und möglichen Verstößen nachzugehen. Außerdem soll er dem Senat jährlich über Auffälligkeiten und ethisch kritische Forschungs- und Lehrvorhaben Bericht erstatten. Hinzu kommt noch ein »Formular zum Kriegswaffenkontrollgesetz«, das jeder Wissenschaftler vor Beginn eines Forschungsvorhabens ausfüllen muß. Dabei wird er etwa gefragt, ob er an Waffen forscht, ob sein Projekt für einen Angriffskrieg genutzt werden könnte und ob er mit einer in- oder ausländischen Militäreinrichtung zusammenarbeitet. Die Unirektorin hat in der Senatssitzung deutlich gesagt, daß sie kein Forschungsvorhaben erlaubt, wenn auch nur eine der Fragen mit ›Ja‹ beantwortet wurde.

An immer mehr Universitäten setzen sich Studierende für Zivilklauseln ein. Wie sehen Sie die Zukunft dieser Bewegung?

Es geht voran und immer mehr Hochschulen schreiben in ihre Hochschulverfassung Klauseln gegen Militärforschung. Zwar gibt es auch Rückschläge wie neulich in Köln, wo der Senat eine Zivilklausel abgelehnt hat, trotzdem sehe ich die Bewegung auf einem guten Weg. Allerdings sollte noch mehr auf institutioneller politischer Ebene gearbeitet werden: Das Bundesland Bremen überlegt, Zivilklauseln im Hochschulgesetz festzuschreiben. Und in Nordrhein-Westfalen läuft eine Debatte um das sogenannte »Hochschulzukunftsgesetz«. Es muß das Ziel sein, schon dort eine Zivilklausel zu integrieren, damit sie nicht an jeder Universität einzeln erstritten werden muß.

Interview: Michael Schulze von Glaßer

* Aus: junge Welt, Dienstag. 23. Juli 2013


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