Soll eine Zivilklausel im neuen Landeshochschulgesetz verankert werden?
AStA der Uni Köln befragt die Parteien - Es antworten DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und die FDP (Dokumentation)
Der Arbeitskreis Zivilklausel und der Asta der Uni Köln haben - angesichts der Landtagswahl und der anstehenden Novellierung des Landeshochschulgesetzes - den bisher im Landtag vertretenen Parteien sowie den Piraten folgende Fragen zu hochschulpolitischen Themen gestellt. Geantwortet haben DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, die Piraten und die FDP. Wir dokumentieren im Folgenden Fragen und Antworten.
Fragen des AK Zivilklausel und des AStA der Universität Köln an die zum Landtag kandidierenden Parteien
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Universitäten in Nordrhein-Westfalen sind in den letzten Jahren durch
permanente Unterfinanzierung und ihrer unternehmerische Ausrichtung u. a. durch
Bestimmungen des Hochschulfreiheitsgesetzes daran behindert worden, eine
Forschung, Lehre und Bildung in gesellschaftlicher Verantwortung zu entwickeln.
Studierende, Lehrende, Gewerkschafter*innen und Friedensinstitutionen engagieren
sich angesichts dessen bundesweit für eine wissenschaftliche Tätigkeit, die auf die Lösung der drängenden gesellschaftlichen Probleme gerichtet ist und zur
Verwirklichung einer zivilen Entwicklung der Gesellschaft, zu Abrüstung und zur
allgemeinen Verbesserungen und Humanisierung der Lebensbedingungen beiträgt.
Angesichts der anstehenden Landtagswahlen in NRW und der geplanten
Novellierung des Landeshochschulgesetztes haben der AK Zivilklausel und der AStA
der Universität Köln folgende Fragen an die für den Landtag NRW kandidierenden
Parteien:
1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, damit die Hochschulen Ihrer
gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und zu einer zivilen,
demokratischen und sozialen Entwicklung der Welt beitragen?
DIE LINKE setzt sich für eine Forschung, Lehre und Wissenschaft ein, die
sich der Geißel des Krieges und den damit verbundenen wirtschaftlichen
Industrieinteressen entgegenstellt. In unserem Entwurf des neuen
Hochschulgesetzes in NRW fordern wir deswegen folgerichtig, eine
Forschungsfolgenverantwortung im Sinne einer Zivilklausel für alle
Hochschulen in NRW fest in den Grundordnungen der Hochschulen
vorzuschreiben.
Um die zivile, demokratische und soziale Entwicklung der Welt positiv zu
beeinflussen, müssen die Hochschulen NRWs zuallererst selbst diesem
Ansinnen entsprechen. Unsere Vorstellungen dazu finden Sie in den
folgenden Antworten auf Ihre Fragen.
Piraten: Die Hochschulen nehmen eine zentrale Rolle in
dem bildungspolitischen Konzept der Piratenpartei NRW ein. An den
Fachhochschulen und Universitäten wird neues Wissen geschaffen und das
bisherige Wissen an die nächste Generation weitergegeben. Sie leisten damit
einen unvergleichbaren und wertvollen Beitrag für die Gesellschaft. Nur durch
eine ausreichende finanzielle Versorgung sind die Hochschulen von externen
Geldgebern unabhängig und können ihrer gesellschaftlichen Verantwortung
gerecht werden.
FDP: Nach dem Verständnis der FDP kommt den Hochschulen in erster Linie
keine Erziehungsfunktion zu, steuernd und meinungslenkend in die
Gesellschaft einzugreifen. Dies widerspricht unserer Auffassung von freier
Entfaltung, vom freiem Studenten und freier Wissenschaft. Wir wollen die
liberale Bürgergesellschaft, in der der Einzelne nicht losgelöst von seinen
Mitbürgern lebt, sondern gemeinsam mit ihnen in einer Wertegemeinschaft.
Diese ist geprägt von Weltoffenheit, Toleranz und Solidarität und ist der
Menschenwürde verpflichtet. Ohne Zweifel sind Hochschulen akademische
und gesellschaftliche Institutionen, denen die verschiedensten Funktionen
zukommen und die unterschiedlichste Aufgaben wahrnehmen. So vermitteln
sie wissenschaftliche Lehre (Studium und Weiterbildung), betreiben Forschung
und schaffen damit neues Wissen, verleihen Studienabschlüsse als
akademische Grade. Schließlich findet man bei ihnen auch vielfältige Formen
des gesellschaftlichen Engagements. Die Aufgaben schließen sich gegenseitig
nicht aus, sie lassen sich vielmehr zum individuellen Profil einer jeden
Hochschule verbinden. Über das Engagement von Hochschulen in Forschung
und Lehre hinaus gibt es vielfältige Aktivitäten, die die Liberalen befürworten
und unterstützen: etwa in der Weiterbildung, im Technologietransfer, im Dialog
mit der Öffentlichkeit, in der Kulturarbeit, der Integration oder kommunalen
Entwicklung.
Grüne: Wir Grüne wollen einen Beitrag zu einer gerechteren, friedlicheren,
ökologischeren, wirtschaftlich zukunftsfähigeren und nachhaltigeren Welt
leisten. Dazu gehören vielfältige Maßnahmen an den Hochschulen:
-
Die Hochschulen sollen verstärkt als Vorbild in Sachen Demokratie,
Familienfreundlichkeit, Gleichstellung und Diversität fungieren
- Die Zivilgesellschaft, z. B. Nichtregierungsorganisationen aus dem
Umwelt- und Eine-Welt-Bereich, soll stärker in die Entwicklung der
Hochschulen eingebunden werden
- Forschung und Lehre an den Hochschulen (und
Forschungseinrichtungen) sollen friedlichen und zivilen Zwecken
dienen und neben einer regionalen auch eine globale Perspektive
einnehmen
- Der Zugang an die Hochschulen soll erleichtert und die
Studienbedingungen stärker an den Bedürfnissen der Studierenden
ausgerichtet werden, damit mehr Menschen ein Studium erfolgreich
absolvieren können
2. Halten Sie die zunehmende finanzielle Abhängigkeit der Hochschulen
von Drittmittelgeber für problematisch oder ausbauwürdig?
DIE LINKE hält die grundsätzliche wirtschaftliche Abhängigkeit der
„unternehmerischen Hochschule“ für bedenklich und steuert dieser entgegen.
Allerdings sind nicht die Hochschulen die „Bösewichter“, die drittmittelstarke
Forschungszweige fördern und andere reduzieren bzw. ganz schließen.
Hochschulen handeln, wie vom damaligen CDU/FDP-Gesetzgeber
gewünscht, wirtschaftlich rational, denn sie erhalten auch mehr staatliche
Mittel bei höheren Drittmitteln - Forschung, Bildung und Wissenschaft müssen
sich nach diesem System rechnen. Diesem Gedanken stellt sich DIE LINKE
entgegen. Bildung ist für uns keine Ware, Menschen keine Produktionsmasse
und Individualität (wie Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung,
Hautfarbe, sozialer Status usw.) kein Opportunitätskostenfaktor. Hochschulen
müssen dringend wieder zurück zu ihrem gesellschaftlichen Auftrag, nämlich
Hochschulbildung für alle Menschen anzubieten, kritisch reflektierte
Wissenschaft zu ermöglichen, um so Forschung und Fortschritt über die
größtmögliche Heterogenität ihrer Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten
zu gewährleisten. So lange aber die chronische Unterfinanzierung der
Hochschulen noch andauert und Drittmittel einen wichtigen Faktor im
Hochschuletat einnehmen, sollten diese (nur zu zivilen Zwecken
eingeworbenen Mittel) zumindest zu 20 Prozent in den allgemeinen Haushalt
der jeweiligen Hochschule fließen, um Infrastrukturmaßnahmen wie
Kinderbetreuungsplätze, Sportanlagen etc. zu ermöglichen. Über die genaue
Verwendung müsste dann der paritätisch besetze Senat entscheiden.
Piraten: Die Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln hat mittlerweile ein
problematisches Ausmaß erreicht. Die Piratenpartei NRW setzt sich dafür ein,
den Hochschulen ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen, um ihren
aufgetragenen Aufgaben gerecht zu werden. Wenn Drittmittel aus der
Privatwirtschaft für Forschung eingesetzt werden, so fordert die Piratenpartei
eine Offenlegung der Geldgeber sowie die Öffentlichmachung der
Forschungsergebnisse. Die Piraten wenden sich gegen auf diese Art
entstandene Patente.
FDP: Drittmittel für Forschung und Lehre sind ein wesentliches Element des
Wettbewerbs zwischen den Hochschulen und eine wichtige zusätzliche
Finanzquelle. Drittmittel sind für die Hochschulen in der heutigen Zeit
existenziell für die Forschung. Aber auch die Lehre profitiert hiervon. Um die
Hochschulen vor dem Vorwurf der Abhängigkeit zu bewahren, regen die
Liberalen an, dass sich Hochschulen bei Zuwendungen Privater einen Kodex
geben und diesen auch befolgen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Kodex der
Goethe-Universität Frankfurt: „Die Freiheit von Forschung und Lehre und die
Unabhängigkeit der Goethe-Universität von wirtschaftlichen und partikularen
Interessen sind zu gewährleisten.“
Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass den Hochschulen zur Erfüllung
ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre langfristig die Möglichkeit eingeräumt
werden sollte, eigenes Vermögen zu bilden. Stiftungsrecht, Erbrecht und
Steuerrecht sind so zu verändern, dass es für Privatpersonen und
Unternehmen attraktiver wird als bisher, Hochschulen finanziell zu
unterstützen. Das Hochschulsponsoring soll nicht durch bürokratische
Hemmnisse behindert werden. Die Unternehmen sollen ermutigt werden,
Stiftungsprofessuren zu vergeben. Drittmittel und Spenden dürfen jedoch nicht
auf die Grundausstattung angerechnet werden.
Grüne: Problematisch für den Betrieb der Hochschulen ist vor allem die
Entwicklung der letzten Jahre, dass die Grundfinanzierung gegenüber
Drittmitteln an Bedeutung verliert. Daraus entsteht eine Abhängigkeit von
Drittmitteln. Daher ist es wichtig, dass alle Bundesländer – und auch der Bund
– sich für eine Stärkung der Grundfinanzierung der Hochschulen einsetzen
Wir sehen die Situation mit den Drittmitteln nicht als unproblematisch an. Zwar
stammen 75% der Drittmittel an den Hochschulen in Deutschland von der
öffentlichen Hand – das Problem an diesen ist vor allem die
Projektorientierung zu Lasten der Grundfinanzierung. Die übrigen 25 %
kommen aber aus der Privatwirtschaft. Diesbezüglich haben in letzter Zeit
einige Fälle gezeigt, dass die dabei bestehende Abhängigkeit der
Hochschulen zu Intransparenz und einem steigenden Einfluss der
Drittmittelgeber führen. Daher bedarf es dringend mehr Transparenz bei
Kooperationen zwischen Privatwirtschaft und Hochschulen, um zu verhindern,
dass diese zu Lasten der Hochschulen und der grundgesetzlichen Freiheit von
Forschung und Lehre ausgestaltet werden. Wir werden uns dafür einsetzen,
dass hierfür ein landesweiter Kodex erstellt und an allen Hochschulen
angewandt wird.
3. Wie soll eine ausreichende öffentliche Finanzierung der Hochschulen
ermöglicht werden, ohne in anderen gesellschaftlichen Bereichen der
öffentlichen Daseinsvorsorge finanzielle Kürzungen vorzunehmen?
DIE LINKE: Eine der wesentlichen Forderungen der LINKEN ist es, die
Einnahmenseite des Landes NRW zu stärken. Mit einer Steuer auf große
Vermögen über 1 Mio.€ kämen allein dem Landeshaushalt 16 Mrd.€ mehr zu
Gute und damit wäre genügend Geld für die Hochschulen in NRW vorhanden,
unabhängig von Drittmitteln Wissenschaft, Forschung und Lehre der
Gesellschaft anzubieten; Studienplatzengpässe würden der Vergangenheit
angehören und die Hochschulen könnten auch sozial Schwächeren, chronisch
Kranken, studierenden Eltern und Frauen ein beliebter Arbeits- und
Studienplatz sein.
Piraten: Eine Möglichkeit für die direktere Finanzierung von
Hochschulen besteht in der Umverteilung von Drittmitteln aus staatlichen
Förderprogrammen. Diese Fördergelder sollten den Hochschulen direkt als
Erstmittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Hochschulen ihrer
gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden können. Letztendlich sehen
die NRW-Piraten Grundlagenforschung und wissenschaftliche Lehre als einen
gesamtgesellschaftlichen Auftrag an. Auf Landesebene setzt sich die
Piratenpartei NRW für eine solide Haushaltspolitik und für Steuererhöhungen
ein. Das bedeutet, dass eine ausreichende Finanzierung von Hochschulen
nicht zwangsläufig auf Kosten anderer Bereiche erfolgen muss.
Studiengebühren lehnen die Piraten weiterhin ab.
FDP: Gute Hochschulbildung erfordert auch eine angemessene finanzielle
Ausstattung. Unter Regierungsbeteiligung der Liberalen bis 2010 wurde die
Zeit der chronischen Unterfinanzierung der nordrhein-westfälischen
Hochschulen beendet. Mit der FDP wird diese Zeit auch nicht zurückkehren.
Für uns ist klar, dass im Hochschulbereich gerade angesichts der gewaltigen
Herausforderungen der Zukunft nicht gespart werden darf. Da es für das Land
jedoch schon eine enorme finanzielle Herausforderung ist, die
Grundausstattung dem Bedarf anzupassen, ist nach Auffassung der Liberalen
die von Rot-Grün mangelhaft und ausschließlich über Neuschulden finanzierte
Kompensation des Wegfalls der Studienbeiträge ein falscher Schritt gewesen,
der faktisch zu einem Mittelentzug geführt und die Hochschulen geschwächt
hat.
Wir halten es für äußerst problematisch, dass entgegen allen rot-grünen
Beteuerungen die Einnahmeverluste der Hochschulen durch den Wegfall der
Studienbeiträge nicht umfassend und verteilungsgerecht kompensiert werden.
Die Summe der „Kompensationsmittel“ beträgt statisch 249 Millionen Euro –
eine Anpassung an den neuen Rekordstand bei den Studienanfängern erfolgt
nicht. Diese Summe reicht bei weitem nicht, um die erreichten
Verbesserungen der Studienbedingungen zu erhalten. Die Zahlen machen
deutlich, welche finanzielle Lücke bereits jetzt bei den Hochschulen klafft: Im
Wintersemester 2009/2010 als Basisjahr der „Ausgleichsmittel“ studierten rund
500.000 junge Menschen in Nordrhein-Westfalen. Im Wintersemester
2011/2012 sind es bereits über 586.000. Nach Einschätzung der Vorsitzenden
der Landesrektorenkonferenz, Ursula Gather, könnte die Finanzierungslücke
im Jahr 2013 auf 50 Millionen Euro anwachsen. Bei den wegen des doppelten
Abiturjahrgangs weiter ansteigenden Studierendenzahlen werden sich die
derzeit absehbaren Qualitätseinbußen daher weiter verfestigen und die
Planungssicherheit für die Hochschulen wird weiter abnehmen. Das ist für uns
nicht hinnehmbar.
Wenn wir das akademische Niveau unserer Hochschulen erhalten und
verbessern wollen, müssen in Zeiten begrenzter Haushaltsmittel auch
Hochschulabsolventen einen verantwortungsvollen finanziellen Beitrag leisten.
Diese Studienbeiträge sollen künftig nachgelagert einkommensabhängig mit
Eintritt ins Berufsleben fällig werden. Das ist fair, auch gegenüber dem
Handwerksmeister, der für seine Ausbildung selbst aufkommen muss. Dabei
ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, dass die Beiträge den Hochschulen
als zusätzliche Mittel ausschließlich für die Verbesserung der Bedingungen
von Studium und Lehre zur Verfügung gestellt werden und damit unmittelbar
den Studierenden zugute kommen. Zudem müssen die Studierenden ein
Mitspracherecht bei der Mittelverwendung haben.
Grüne: Die finanzielle Förderung von Wissenschaft und Hochschulen muss
endlich als eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern verstanden
werden. Dazu gehört, dass auch der Bund seiner Pflicht nachkommt und
deutlich mehr Finanzmittel für die Hochschulen bereitstellt. Deutschland hat
sich darauf verpflichtet künftig 10 % des Bruttoinlandsprodukts für Bildung
auszugeben. Die hierzu noch fehlenden Mittel sollen nicht nur in die
Forschung oder fehlgeleitete Kurzfristprojekte fließen, sie müssen auch der
Grundfinanzierung der Hochschulen zu Gute kommen. Daher wollen wir uns
dafür einsetzen, dass die grundgesetzlichen Hürden für eine dauerhafte
finanzielle Beteiligung des Bundes an Hochschulen abgeschafft werden und
dass der Hochschulpakt ausgeweitet wird.
4. Wie soll das Landeshochschulgesetz dahingehend überarbeitet werden,
dass kollegiale Zusammenarbeit und demokratische Partizipation
ermöglicht werden?
DIE LINKE: Die Hochschulen in NRW bedürfen einer dringenden
Demokratisierung, welche auch in der Vergangenheit nicht stattgefunden hat. DIE LINKE will auf mehreren Ebenen versuchen, demokratische
Mitbestimmung und Partizipation von Gesellschaft und Mitgliedern
herzustellen. Innerhalb der Hochschule bedarf es da paritätisch besetzter und
entscheidender Gremien (Senat, Fakultätsräte, Ausschüsse usw.), die nur in
Ausnahmefällen (!) eine Mehrheit der ProfessorInnenschaft vorsehen können.
Die Hochschulfreiheit muss in eine wissenschaftliche Hochschulautonomie
umgewandelt werden, mit Landesbediensteten und sozial abgesicherten und
personalratlich vertretenden studentischen und nichtstudentischen
Angestellten.
Die Kontrolle der Hochschulen (von außerhalb) durch die Gesellschaft muss
ebenfalls gewährleistet werden. Um zu überprüfen, ob die autonomen
Hochschulen ihren gesellschaftlichen Aufgaben auch nachkommen, bedarf es
vor Ort eines Gremiums, bei dem die örtlich demokratisch legitimierten
Entscheidungsträger sich in Kommunikation mit der Hochschule anhand deren
Rechenschaftsberichte und Zukunftsplanungen beteiligen können. Nur so
kann unter anderem eine Zivilklausel als Forschungsfolgenverantwortung
praktikabel sichergestellt werden.
Piraten: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat mit dem
Hochschulfreiheitsgesetz die Hochschulen in eine Scheinfreiheit entlassen.
Die Piratenpartei NRW setzt sich für eine Abschaffung der Hochschulräte ein.
Dadurch soll den Hochschulen ein Teil ihrer Autonomie zurückgegeben
werden. Wir streben eine Gleichberechtigung von Mitarbeitern, Studierenden
und Professoren in den Hochschulgremien an.
FDP: Die FDP NRW bekennt sich ausdrücklich zur studentischen
Mitbestimmung. Es ist wichtig und richtig, dass das Hochschulfreiheitsgesetz
studentische Mitbestimmungsrechte über die verfasste Studierendenschaft,
Studierendenparlament (StuPa) und Allgemeinen Studierendenausschuss
(AStA) vorsieht. Möglichst viele Studierende sollten von diesen
Mitbestimmungsmöglichkeiten auch Gebrauch machen. Sorge bereitet uns in
diesem Zusammenhang vor allem die bei nur 10 bis 20 Prozent liegende
niedrige Wahlbeteiligung bei den Studierendenparlamentswahlen.
Repräsentativität ist bei einer solch niedrigen Wahlbeteiligung nur sehr schwer
zu erzielen. Hier wollen wir ansetzen. Demokratische Prozesse, für die der
Meinungspluralismus unabdingbar ist, leben von der Beteiligung. Wichtig ist
uns ebenfalls, dass StuPa und AStA verantwortungsvoll und transparent mit
dem in sie gesetzten Vertrauen der Studierenden und den ihnen zur
Verfügung gestellten Mitteln umgehen.
Grüne: Mit der Novelle des Hochschulgesetzes NRW wollen wir landesweite
Regelungen für mehr Mitbestimmung und Partizipation in Arbeit und Studium
an den Hochschulen umsetzen. Dazu gehört vor allem eine deutliche Stärkung
der Mitbestimmungsrechte der Studierenden und des Mittelbaus. Dies soll
unter anderem durch die Einführung der Viertelparität in allen Gremien und
durch die Stärkung der Senate erreicht werden.
5. Soll bei den Ba/Ma Studiengängen der Master-Abschluss zum
Regelabschluss werden?
DIE LINKE: Bei der Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, was
unter „Regelabschluss“ zu verstehen ist. Nach dem Verständnis der LINKEN
muss gewährleistet sein, dass alle Studierenden mit Bachelorabschluss einen
Master machen können, wenn sie denn wollen! Allerdings muss den
Studierenden die Entscheidung auch offen stehen - und wir meinen damit:
ohne jeglichen sozialen oder wirtschaftlichen Zwang - nach dem Bachelor
einen Arbeitsplatz anzutreten. Allerdings muss der individuelle Studienverlauf
auch individuell studierbar gestaltbar sein. Wir wollen niemandem
vorschreiben, dass sie oder er den Master machen muss, um gesellschaftlich
partizipieren zu können! Grundsätzlich bedarf es dabei aber auch noch vieler
Änderungen im Hochschulgesetz hinsichtlich der Studierbarkeit der
Studiengänge, der Berufsbilder, der Mobilität von Hochschule zu Hochschule
(auch unabhängig von FH und Uni) und der Berücksichtigung der
vorgeschriebenen „Regelstudienzeit“; diese Faktoren dienen derzeit alle als
Selektionsfaktoren bei der Entscheidung pro oder kontra Masterstudienplatz.
Piraten: Die Piratenpartei NRW setzt sich dafür ein, dass jeder
Studierende nach Abschluss seines Bachelors die Möglichkeit erhält, ein
Master-Studium aufzunehmen. Insgesamt jedoch muss der Bologna-Prozess
weiter ausgearbeitet werden.
FDP: Diese Auffassung teilt die FDP nicht. Wir wollen keinem Bachelor-
Absolventen diktieren, dass er einen Master machen muss bzw. wann und wo
er diesen zu machen hat. Sowohl Bachelor- als auch Masterstudium haben
eigenständige Profile. Sie sollen der Vielfalt der individuellen, akademischen
und arbeitsmarktbedingten Bedürfnisse gerecht werden. Der Bachelor-
Abschluss ist der erste berufsqualifizierende Abschluss. Das ist der Kern des
Bachelor-Master-Systems sowohl im europäischen Kontext als auch in den
gemeinsamen Strukturvorgaben der Länder. Einen Masterabschluss als Muss
für alle zu fordern, verkennt, dass mit dem Bachelor ein echter akademischer
Abschluss für den Einstieg in den Arbeitsmarkt vorhanden ist und missachtet
dessen Rolle in einem zweistufigen Studiensystem.
Grüne: Zentral ist hierbei – und dies wollen wir erreichen –, dass alle, die ein
Bachelor- oder Masterstudium beginnen wollen, auch einen Studienplatz
erhalten. Es gilt alle Talente zu fördern und so für mehr Chancengleichheit und
soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Dies gilt es auch vor dem Hintergrund der
notwendigen Fachkräftesicherung zu garantieren. In diesem Zusammenhang
fordern wir vom Bund gemeinsam mit den Ländern den Hochschulpakt um
eine Masterkomponente auszuweiten, damit zusätzliche Master-Studienplätze
finanziert werden können.
6. Sollen die Hochschulräte abgeschafft werden?
DIE LINKE: Ein ganz klares: JA! Weder sind Hochschulräte demokratisch
legitimiert, noch sind sie kompetent, eine Hochschule steuern zu können. Die
Bertelsmänner dürfen gerne weiterhin unternehmerische Organisationsformen
dieser Art entwerfen. Allein DIE LINKE wird diesen Modellen nicht folgen! Eine
sozial gerechte, inklusive Hochschule braucht keinen Aufsichtsrat und
niemanden, der außerhalb der gesetzgeberischen Kompetenz über die
Hochschule entscheidet. DIE LINKE hat übrigens bereits einen
Gesetzesantrag in den Landtag eingebracht, der bislang aber noch nicht
entschieden wurde. Rot/Grün hatte Angst, ihre eigenen Wahlversprechen, die
im Koalitionsvertrag vernachlässigt wurden, einzuhalten. Wir stehen zu
unserem Wort und werden nach Einzug in den Landtag ein neues
Hochschulgesetz ohne Diktatur der Hochschulräte vorlegen und dafür
kämpfen!
Piraten: Die Piratenpartei NRW fordert in ihrem aktuellen Wahlprogramm, den
Hochschulrat als undemokratisches Gremium umgehend wieder
abzuschaffen. Wir wollen eine kritische Prüfung und eine Revision des
Hochschulfreiheitsgesetzes.
FDP: Die FDP will den Hochschulrat als Beratungs- und Aufsichtsgremium
erhalten. Er ist unverzichtbarer Bestandteil der Hochschulfreiheit und hat
dringend benötigte Kompetenzen in die Hochschulen eingebracht. Als
Aufsichtsgremium stellt er sicher, dass die Selbständigkeit der Hochschule
durch das Land oder das Wissenschaftsministerium nicht eingeschränkt wird.
Der Rat berät die Hochschule bei der Arbeit, Lehre und Forschung und hilft
ihnen, ihre Ressourcen optimal einzusetzen. Und nicht zuletzt bringt er der
Hochschule durch seine Zusammensetzung wichtige Fürsprecher in
Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, wodurch es zu einer deutlich engeren
Verbindung zwischen Hochschulen, Gesellschaft und Wirtschaft kam und
kommt. Bei den gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Hochschulräte sind
im Zuge der von uns angestrebten wissenschaftlichen Evaluation des
Hochschulfreiheitsgesetzes Weiterentwicklungen denkbar wie z.B. hinsichtlich
der Abberufung von Hochschulratsmitgliedern, der Zusammensetzung oder
der doppelten Legitimierung durch Hochschule und Staat.
Grüne: Wir wollen die Hochschulräte abschaffen. Die derzeitige Konstellation,
die mit dem schwarz-gelben Hochschulfreiheitsgesetz geschaffen wurde, ist
nicht hinnehmbar. Es handelt sich um Strukturen, die nicht mit dem Leitbild
selbstverwalteter Hochschulen in Einklang stehen und an deren
demokratischer Legitimation zu zweifeln ist. Mit der Einrichtung von
Hochschulräten ist auch eine nicht adäquate Schwächung der Senate
einhergegangen. Daher wollen wir die Senate wieder stärken.
7. Soll eine Zivilklausel im neuen Landeshochschulgesetz verankert
werden?
DIE LINKE: Ganz klar und explizit: JA! (siehe Frage 1). Kampfmittel- und
Kriegsforschung stehen dem Ziel einer sozial gerechten, inklusiven
„Hochschule für Alle“ entgegen! Forschung darf nur zum Wohle der
Menschheit ohne militärische Mittel durchgeführt werden.
Piraten: Eine Zivilklausel sehen wir als eine Selbstverpflichtung von
Hochschulen an, sich an keinen militärischen- oder rüstungstechnischen
Forschungszwecken zu beteiligen. Als Teil unseres Konzeptes der
Selbstverwaltung von Hochschulen wollen wir diese über eine solche
Selbstverpflichtung zu einer Zivilklausel selbst entscheiden lassen. Eine
Zivilklausel in einem Landeshochschulgesetz zu verankern wird von der
Piratenpartei NRW nicht gefordert.
FDP: Dass Lehre, Forschung und Studium an den Hochschulen der
freiheitlich-demokratischen Grundordnung entsprechen, ist für die Liberalen
evident. Schon die Präambel unserer Verfassung nimmt auf den Frieden der
Welt Bezug.
Grüne: Wir wollen einen Beitrag zu einer gerechteren, friedlicheren,
ökologischeren, wirtschaftlich zukunftsfähigeren und nachhaltigeren Welt
leisten. Daher haben wir in unserem Wahlprogramm die Ablehnung von
Militär- und Rüstungsforschung an Hochschulen festgeschrieben und wollen
stattdessen die Friedens- und Konfliktforschung in NRW stärken. Hierzu
wollen wir eine Zivilklausel im Hochschulgesetz
festschreiben. Gleichzeitig haben wir auch einen hohen Anspruch an die
ethische Verantwortung von Forschung und setzen uns deshalb aktiv für
Technikfolgenabschätzung ein. Diese Schwerpunkte sollen sich auch
in der Lehre wiederspiegeln.
Mit freundlichen Grüßen
AK Zivilklausel der Universität Köln, AStA der Universität Köln
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