Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Master in "Peace and Conflict Studies"

Die neuen Studiengänge in Deutschland

Von Dominic Raphael Schwickert (Universität Münster)*
(Teilweise aktualisiert, AGF)

Zu Infos über:

0. Vorbemerkung

Ab dem Wintersemester 2004/05 werden an fünf Hochschulen in Deutschland Masterstudiengänge in "Peace and Conflict Studies" angeboten, die in ihrer strukturellen und inhaltlichen Ausrichtung europäischen Standards entsprechen und die Rolle der Friedensforschung in der Hochschullandschaft der Bundesrepublik stärken werden.


Wichtiger Hinweis:
Von den hier vorgestellten fünf Masterstudiengängen ist der Marburger im März 2004 ohne Auflagen akkreditiert worden, und der Hagener befindet sich noch vor dem Akkreditierungsprozess. Der erst in der Entwicklung befindliche entsprechende Masterstudiengang in Frankfurt/ M. wird frühestens im Wintersemester 2005/2006 anlaufen, so dass dieser zu einem späteren Zeitpunkt im AFB-INFO vorgestellt wird. Die anderen Studiengänge (Hamburg, Magdeburg) laufen bereits seit einiger Zeit bzw. beginnen wie Marburg und Tübingen zum Wintersemester 2004/2005.


Im internationalen Vergleich liegt Deutschland mit seinem Angebot wissenschaftlicher Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung weit zurück. So besitzt die Bundesrepublik Deutschland weder für Studierende noch für WissenschaftlerInnen eine nennenswerte internationale Attraktivität auf diesem Gebiet, obwohl der gesellschaftspolitische Bedarf an Fachpersonal in der Friedens- und Konfliktforschung groß ist. Bislang gab es fachliche Zertifikationen in Deutschland lediglich in Tübingen als Schwerpunktstudium Internationale Beziehungen/ Friedens- und Konfliktforschung im Hauptfach Politikwissenschaft des Magisterstudiums, in Marburg als Nebenfachstudiengang in Magister- und Diplomstudiengängen und in Hagen als kostenpflichtiges Weiterbildungsstudium "Friedens- und Konfliktforschung" zu erwerben. Die jetzt eingeleitete Umstrukturierung des Ausbildungssystems an den Hochschulen infolge der Einführung neuer Masterstudiengänge im Bereich der Friedenswissenschaften ist der Versuch, das Ausbildungsangebot in diesem Feld so auszubauen, dass angehende WissenschaftlerInnen mit einem besonderen wissenschaftlichen Interesse an friedensrelevanten Fragestellungen nun auch in Deutschland die notwendige Zertifikation in anspruchsvollen Programmen erwerben können.

1. Die AdressatInnen

Die AdressatInnen der an den Universitäten in Hamburg, Magdeburg, Tübingen, Marburg sowie an der FernUniversität Hagen offerierten neuen Studiengänge sind motivierte und leistungsbereite Studierende mit einer absolvierten B.A.- Prüfung oder einem gleichrangigen Abschluss in Politikwissenschaft oder einem artverwandten sozialwissenschaftlichen Fach. Mit diesen Studiengängen sollen all diejenigen Studierenden angesprochen werden, die besonders an Fragen der Friedens- und Konfliktforschung sowie der internationalen Politik interessiert sind, ihre Kompetenzen auf diesem Feld erweitern und ihr Wissen vertiefen möchten.

Speziell für Studierende, die eine Tätigkeit in friedenwissenschaftlichen, friedens- und sicherheitspolitischen Arbeitsbereichen anstreben, soll die Möglichkeit geschaffen werden, ihr Studium ausschließlich auf das breite Feld der Friedensforschung und der internationalen Politik zu konzentrieren. Aufgrund des in Deutschland bestehenden großen Bedarfs an hoch qualifizierten Fach- kräften im Bereich der Friedens- und Konfliktforschung - nicht zuletzt wegen der jüngsten weltpolitischen Entwicklungen sowie einem offensichtlichen Personalmangel im Bereich der zivilen Friedensdienste - werden die Beschäftigungsmöglichkeiten der AbsolventInnen der hier vorzustellenden Masterstudiengänge gemeinhin als sehr hoch eingeschätzt.

2. Inhalte

Durch das Hochschulrahmengesetz und den Bericht der Kultusministerkonferenz zur Stärkung der internationalen Wettbewerbs- fähigkeit des Studienstandorts Deutschland vom 24. Oktober 1997 sind eine Reihe wichtiger Rahmenbedingungen für die Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen festgelegt worden. Ein wichtiges Charakteristikum entsprechender Bachelor- und Master-Studiengänge ist ganz allgemein die Modulariserung, d.h. die Leistungserbringung über studienbegleitende Prüfungen und die Vergabe von Leistungspunkten. Damit soll eine kalkulierbare Akkumulation und ein leichterer Transfer von Prüfungs- und Studienleistungen gewährleistet und die individuelle Gestaltung des Studiums bei gleich bleibender Inanspruchnahme der Kapazitäten ermöglicht werden.

Im friedenswissenschaftlichen Kontext sollte das Grundlagen-Modul in die Grundfragen der Friedensforschung einführen, ihre Methoden, Probleme und Theorien behandeln sowie Kenntnisse über die Grundzüge der Weltpolitik vermitteln. Ferner sollte das Grundlagenmodul einen Einblick in die Ethik von Politik, insbesondere der internationalen Beziehungen, geben und nicht zuletzt Frieden als Leitwert beruflichen und insbesondere auch wissenschaftlichen Arbeitens nahe bringen. Die Wahlpflicht-Module sollten möglichst breit das Gesamtspektrum der Themenfelder der Friedensforschung abdecken und den Studierenden eine Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten anbieten. Die Wahlpflichtmodule umfassen Außenpolitikanalysen, Untersuchung internationaler Institutionen, Fragen von Krieg und Frieden sowie von Entwicklung und Unterentwicklung. Die angebotenen Seminare und Vorlesungen sollen also einen fundierten Einblick in verschiedene Bereiche der internationalen Politik unter friedenswissenschaftlicher Perspektive geben.

Bei diesem innovativen Konzept der Master in "Peace and Conflict Studies" handelt es sich um den Versuch, den Studierenden in einer interdisziplinären Lehr- und Lernumgebung einerseits einen Zugang zu unterschiedlichen theoretischen und methodischen Ansätzen der Friedensforschung zu eröffnen, andererseits aber auch die konkrete Umsetzung friedenspolitischer Theorien in der Praxis nahe zu bringen. Es wird also in den Lehrveranstaltungen eine enge Verbindung von Theorie und Praxis angestrebt. Somit zielt die Förderung gleichermaßen auf die Ausbildung junger WissenschaftlerInnen, aber auch auf Berufsfelder außerhalb der Hochschulen.

Die Abschlüsse der Masterstudiengänge sind allgemein als international kompatibel einzustufen, da sich die inhaltliche und didaktische Konzeption an aktuellen internationalen Trends orientiert und die Lehrveranstaltungen zu einem großen Teil auf Englisch abgehalten werden. Auf die Internationalisierung wird also höchsten Wert gelegt und so ist allgemein vorgesehen, den Anteil fremdsprachiger Lehrveranstaltungen im Laufe der Zeit weiter auszubauen.

3. Die einzelnen Programme

Mit der im Jahre 2000 gegründeten Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) besitzen Wissenschaft und Politik in Deutschland erstmals nach dem Ende der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK, aufgelöst 1982-1984) ein "Instrument", friedenswissenschaftlichen Nachwuchs in konzentrierter Weise zu fördern. Die DSF verfolgt die Zielsetzung, die Ausbildungsmöglichkeiten für junge WissenschaftlerInnen in Deutschland nachhaltig zu verbessern und bestehende Defizite abzubauen. Allerdings ist das Stiftungskapital des DSF mit einem finanziellen Gesamtvolumen von rund 5 Millionen Euro für diesen Bereich gegenwärtig noch immer sehr gering, so dass die Institution ihrer Aufgabe der Stärkung friedenswissenschaftlicher Strukturen nur begrenzt nachkommen kann.

Die Masterstudiengänge an der Universität Tübingen ("Friedensforschung und Internationale Politik"), an der Fernuniversität Hagen ("Master in Peace Studies") sowie am Zentrum für Konfliktforschung an der Universität Marburg ("Master in Peace and Conflict Studies") zeichnen sich durch eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung aus und stellen allesamt sehr weit entwickelte Studienprojekte dar, so dass sie von der DSF mit einer fünfjährigen Initiativförderung in Form von Personal- und Sachmitteln unterstützt werden. Um eine angemessene Personalausstattung der Studiengänge zu gewährleisten, finanziert die Stiftung aus Mitteln der Exzellenzförderung DozentInnenstellen, die wahlweise als Junior- oder C3- Professur ausgeschrieben wurden. Darüber hinaus fördert die DSF seit Oktober 2002 den einjährigen Postgradualen Masterstudiengang (P.MA) "Friedensforschung und Sicherheitspolitik" an der Universität Hamburg, der vom Kooperationsverbund Deutscher Friedensforschungsinstitute getragen wird. Der Vorteil der neuen Masterstudiengänge liegt in der Möglichkeit der Studierenden, schon innerhalb des Studiums Praxiserfahrung sammeln und reflektieren zu können. Dabei verstehen sich die postgradualen Studiengänge als praxisorientiert in einem doppelten Sinne: Zum einen wird Friedensforschung als Wissenschaft begriffen, welche problemorientiert ihre Themen aus der Praxis (Realität) wählt und für die Praxis (Veränderung der Realität) bearbeitet. Zum anderen verstehen sich die Studiengänge selbst weitgehend auch als Teil der Praxis, begreifen das Studieren als "learning by doing". Dieser doppelten Anforderung entsprechend sollen die Studiengänge in Zusammenarbeit mit einer Reihe von (eher) praxisbezogen arbeitenden Institutionen kooperativ durchgeführt werden.

3.1 Hamburg

Der einjährige P.MA-Studiengang in Hamburg ist trans- und interdisziplinär sowie praxisorientiert ausgerichtet. Er versteht sich als Kombination von friedenswissenschaftlicher und sicherheitspolitischer Wissensaneignung sowie praxisgerichteten Übungen ("learning by doing"). Die Bewerbungsfrist für das Studium beginnt am 1. Januar eines jeden Kalenderjahres und endet am darauf folgenden 30. April, wobei die Zulassung zum Studium beschränkt ist. Der Gemeinsame Ausschuss des Studienganges vergibt in Zusammenarbeit mit dem Kooperationsverbund "Friedensforschung und Sicherheitspolitik" zusätzlich in begrenzter Anzahl Stipendien aus Fördermitteln der DSF und des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD). Über die Zulassung und die Vergabe von Stipendien entscheidet n der Gemeinsame Ausschuss der Universität Hamburg und des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).

Ziel des Studienganges ist es, hochqualifizierte AbsolventInnen eines geistes- oder naturwissenschaftlichen Studiums an einer deutschen oder ausländischen Universität oder Hochschule sowie akademisch ausgebildete erfahrene PraktikerInnen in friedenspolitischen Tätigkeiten auf anspruchsvollem Niveau in friedens- und sicherheitspolitische Fragestellungen und in die Grundlagen ihrer praxisorientierten Bearbeitung einzuführen. Anliegen ist es dabei, Methoden und Ergebnisse der Friedensforschung zu vermitteln und dadurch die MA-Studierenden auf Tätigkeiten in der friedenswissenschaftlichen Forschung und Lehre bzw. berufsfeldorientiert (z.B. peace-keeping, monitoring, verification, development aid, mediation, arbitration, conversion, administration) auf eine Tätigkeit bei nationalen und internationalen Organisationen, Verwaltungen, Verbänden oder Unternehmen vorzubereiten.

Ein großer Vorteil dieses Studienganges liegt in der Kooperation der Universität mit ausgewiesenen wissenschaftlichen Einrichtungen der Friedensforschung und sicherheitspolitischen Analyse in der Bundesrepublik Deutschland. Neben der gezielten Vermittlung akkumulierter Expertise dieser Einrichtungen in Lehre und praxisorientierter Forschung an die Studierenden dient diese Kooperation gleichzeitig der engeren Verknüpfung von Lehr- und Forschungsaktivitäten der friedenswissenschaftlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland und somit der Ausschöpfung synergetischer Effekte durch Zusammenarbeit.

Der Studiengang ist - wie alle Masterprogramme - modular aufgebaut. Während das erste Semester grundlegenden Lehrveranstaltungen mit wahlobligatorischen Vorlesungen, Vertiefungseminaren, Intensivkursen und fakultativen Ergänzungskursen vorbehalten bleibt, stehen im zweiten Semester Praxiselemente im Mittelpunkt: Dazu zählt die obligatorische Beteiligung an Forschungsprojekten sowie an Querschnittsaufgaben einer am P.MA beteiligten wissenschaftlichen Einrichtung, fakultative Interviews bei berufsfeldorientierten nationalen und internationalen Einrichtungen, die Anfertigung der Masterarbeit, das Midterm- sowie das Final Colloquium. Das Studium endet mit der Verleihung des akademischen Titels eines "Masters of Peace and Security Policy Studies" (M.P.S.).

Eine Evaluierung dieses Studienganges wurde unter Beteiligung aller Studierenden und der meisten DozentInnen des Studienganges für das erste Semester des ersten Akademischen Jahres (2002/2003) im Zeitraum Februar - April 2003 durchgeführt. Dabei wurden die interdisziplinäre Struktur und der modulare Charakter des Studienganges sowohl von den Studierenden als auch von den DozentInnen als nützlich und gewinnbringend beurteilt. Auch wurde die Einbeziehung von Lehrenden aus den Residenzinstituten und externer ReferentInnen aus der Praxis sowie das Zusammentreffen von Studierenden mit unterschiedlichem Bildungsweg und Erfahrungshintergrund als sehr bereichernd empfunden. Die "thematische Dichte" sowie das Anforderungsniveau einzelner Veranstaltungen wurden angesichts des knappen Zeitbudgets als sehr hoch eingeschätzt, v. a. bezüglich der geforderten Leistungsnachweise. Die didaktische Qualität wurde von den Studierenden insgesamt als hoch bewertet.

3.2 Tübingen

Beim Studiengang in Tübingen handelt es sich um einen zweijährigen Studiengang (Regelstudienzeit), bei dem die Leistungen größtenteils studienbegleitend durch den Erwerb von benoteten Scheinen mit Leistungspunkten erbracht werden. Neben Vorlesungen aus der Politikwissenschaft gehören auch thematisch geeignete Lehrveranstaltungen aus anderen Fächern (Psychologie, Philosophie, Rechtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Ethnologie, Kulturwissenschaften usw.) zum Studienprogramm in Tübingen. Das Studienprogramm teilt sich in verschiedene Module, wobei die Module "Grundlagen der Analyse internationaler Politik aus friedenswissenschaftlicher Perspektive" und "Analyse zentraler Konflikte der internationalen Politik und ihrer Bearbeitung" obligatorisch sind. Darüber hinaus müssen nach freier Wahl zwei weitere Module belegt werden, die sich mit Weltordnungsproblemen und internationalem Regieren, mit der Frage nach Krieg und Frieden, mit Europa und mit globalen Akteuren beschäftigen sowie gewaltträchtige Konflikte in außereuropäischen Regionen untersuchen.

Ferner gehören fakultativ zum Studienprogramm die Teilnahme an einem Simulationsprojekt zur Arbeitsweise der Vereinten Nationen, verknüpft mit einer Studienreise nach New York, sowie eine Exkursion nach Wien, Straßburg und Brüssel zu internationalen Organisationen, die sich mit Fragen europäischer Sicherheit befassen. Daneben wird ein Seminar zu Verhandlung und Mediation angeboten, das auch die mehrtägige Simulation eines Verhandlungsprojekts vorsieht. Bei einem erfolgreichen Abschluss dieses Studiengangs nach abgelegter mündlicher Prüfung und erfolgreich absolvierter Masterarbeit verleiht die Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften der Universität Tübingen den akademischen Grad "Master of Arts Friedensforschung und Internationale Politik". In der entsprechenden Studienordnung heißt es in § 1, dass "durch die Master-Prüfung die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Arbeiten sowie die Vertrautheit mit den grundlegenden Theorien und Methoden und den wesentlichen Befunden der Friedens- und Konfliktforschung über Entwicklungen und Probleme der internationalen und transnationalen Politik festgestellt" werde.

3.3 Marburg

Das Marburger Studienprogramm stützt sich bei seinem Programm "Master of Peace and Conflict Studies" auf die siebenjährige Erfahrung im Nebenfachstudiengang Frie- dens- und Konfliktforschung und somit auf einen bewährten institutionellen, strukturellen, personellen und didaktischen Rahmen. Der Nebenfachstudiengang Friedens- und Konfliktforschung der Phillips-Universität Marburg war bis vor kurzem der einzige Präsenzstandort, an dem man Friedens- und Konfliktforschung studieren konnte, geht aber bezüglich des Studienumfanges sowie methodisch und inhaltlich weit darüber hinaus.

Der Studiengang "Peace and Conflict Studies" will Studierende dazu qualifizieren, politische Konflikte im nationalen und internationalen Kontext erforschen und analysieren zu können. Neben dieser analytischen gibt es aber auch eine voluntaristische Dimension, dass nämlich die AbsolventInnen in der Lage sein sollen, Konfliktregelungsmöglichkeiten erarbeiten und selbst an der Regelung von Konflikten (z.B. Mediation) mitwirken zu können. Vermittelt werden sollen ein profundes Grundlagenwissen über die Kernbereiche der Friedens- und Konfliktforschung, analytische Fähigkeiten zur systematischen Untersuchung von Konflikten nach Konfliktgegenstand, -ursachen und -regelung sowie Forschungskompetenz bei der Anwendung sozialwissenschaftlicher Methoden und Theorien auf empirische Konfliktlagen im interdisziplinären nationalen und internationalen Kontext. Daneben sollen aber auch Medien-, Kommunikations- und Organisationskompetenz sowie soziale und interkulturelle Kompetenz auf der individuellen Ebene des Studierenden gefördert werden.

Konkret sieht der Studienplan im ersten Semester des Masterstudienganges vor, dass zunächst in die Friedens- und Konfliktforschung, in sozialwissenschaftliche Konflikttheorien und in Formen von Konfliktregelung eingeführt wird. Die gewonnenen (Er-)Kenntnisse über den Fachgegenstand sollen dann im zweiten Semester in einer Erschließung und Analyse relevanter politischer Konfliktlagen angewendet werden. Bei dieser systematischen Betrachtung von Konflikten nach bestimmten Merkmalen sollen auch ökonomische, politische, kulturelle und ökologische Dimensionen von Konflikten mit einbezogen werden, so dass Konflikte mit unterschiedlichen Strukturen den Kernbereich des zweiten Semesters bilden. Die eher problembezogen organisierten Veranstaltungen des ersten Studienjahres werden durch zwei Basisvorlesungen (Völkerrecht, Internationale Beziehungen oder Conflict Resolution) ergänzt.

Damit es nicht bei einem analytischen Nachvollzug von Konfliktstrukturen bleibt, sollen im dritten Semester Konflikte in interdisziplinären Forschungsseminaren durch eigene Recherche selbst erschlossen werden. Der Praxisbezug soll durch obligatorische Praktika in der vorlesungsfreien Zeit sowie durch die Einbeziehung von ExpertInnen beispielsweise aus der OSZE oder von NGOs hergestellt werden. Das vierte Semester stellt die Examenseinheit dar, in der die Masterarbeit verfasst und Studieninhalte mündlich geprüft werden.

Eine zentrale Vorrausetzung für die Zulassung bildet ein sozialwissenschaftlicher Studienabschluss, wobei Kenntnisse und Fähigkeiten der empirischen Sozialforschung die ent- scheidenden Kriterien darstellen. Die vorgesehenen 30 Studienplätze werden jeweils im Wintersemester zu 100% nach Qualifikationskriterien vergeben, die u.a. im Rahmen eines Auswahlgesprächs geprüft werden.

Die Federführung für die fachbereichsübergreifende interdisziplinäre Lehre in der Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Marburg liegt beim Fachbereich "Gesellschaftswissenschaften und Philosophie". Insgesamt arbeiten z. Zt. ca. 50 WissenschaftlerInnen aus 16 Disziplinen am Zentrum für Konfliktforschung in Marburg mit, wobei die Forschungen gegenwärtig sechs Schwerpunkte umfassen: Alltagsgewalt, innere und äußere Sicherheit, ökologische Konfliktlagen,Reproduktionsmedizinsowiesozialwissenschaftliche Konflikttheorien und Formen der Konfliktregelung. In einem sehr intensiven Begutachtungsverfahren hat die Deutsche Stiftung Friedensforschung (DSF) besonders die "didaktische Aufbereitung des Lehrinhalts, das integrative Konzept zur Interdisziplinarität, die Praxisbezüge und auch das breit gefächerte Lehrangebot" des Marburger Masterprogramms hervorgehoben.

3.4 Hagen

Beim modularen Fernstudiengang an der Universität Hagen sind drei Studienjahre vorgesehen. Ein modulunabhängiges Einführungsseminar, das zusammen mit Modul 1 und 2 im ersten Studienjahr absolviert werden muss, versteht sich als ein interdisziplinärer Aufriss friedenspolitischer Problemstellungen und in tendiert die Problematisierung des für Friedenswissenschaft konstitutiven Theorie- Praxisbezuges und die Vorstellung einschlägiger Methoden des friedenswissenschaftlichen Arbeitens. Das Modul 1 stellt eine klassische und systematische Einführung in die Thematik dar und dient der Reflexion wissenschaftstheoretischer Grundlegungen und der Aneignung analytischer Kompetenzen. Es soll zunächst einen Überblick über das breite Feld der Friedens- und Konfliktforschung geben und insbesondere Galtungs Friedens- und Entwicklungstheorie vorstellen. Im Modul 2 werden dann Theorien zu gewaltförmigen Konflikten behandelt und Konfliktstrukturen auf personelle, kulturelle und gesellschaftliche Dimensionen hin untersucht.

Nach erfolgreichem Abschluss der Module 1 und 2 sollen im zweiten Studienjahr in Modul 3 aktuelle Probleme des Friedens und ihre interdisziplinäre Theoretisierung beleuchtet werden. Dies umfasst u. a. Themen wie mediale Konstruktionsprozesse, Globalisierungsprozesse, intrapersonelle Prozesse der Gewaltformation sowie naturwissenschaftliche Aspekte des Friedens, also z.B. Fragen der (Ab-)Rüstung. Im 4. Modul geht es um Formen gewaltarmer Konfliktregelung, um Modelle präventiver Konflikttransformation und um friedenspolitische Instrumentarien zur Konfliktdeeskalation. Im dritten und letzten Studienjahr stehen dann - nach einem erfolgreich absolvierten Praktikum - bestimmte Methoden und Verfahren der Konfliktbearbeitung auf der Agenda. Dabei sollen Praxiserfahrungen reflektiert, Fallstudien erarbeitet und kommunikative Kompetenzen der Studierenden gefördert werden. Durch die drei Studienjahre hindurch zieht sich das Modul 6, in dem das Thema "Organisationen und Verwaltungshandeln" behandelt wird. Dabei sollen Organisationstheorien mit der friedenswissenschaftlich relevanten Praxiserfahrung der Studierenden verknüpft werden.

Nach erfolgreichem Bestehen der Module 1-5 werden im Master-Abschlussmodul Lerninhalte vertieft und die erlernten Methodologien problemorientiert angewendet. Am Ende steht für alle Studierenden die Erstellung einer Masterthesis und eine mündliche Abschlussprüfung und nach erfolgreichem Abschneiden die Anerkernung eines "Master of Peace Studies". Die Wissensund Methodenvermittlung geschieht bei diesem Studiengang über die Vergabe von Studienbriefen, Präsenzblockseminaren und virtuellen Kursen. Die Leistungsnachweise werden über Hausarbeiten, schriftliche Ausarbeitungen und Internetarbeitsgruppen nachgewiesen.

3.5 Magdeburg

Markenzeichen des viersemestrigen Masterstudiengangs „Friedens- und Konfliktforschung“ (FKF) an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sind seine Interdisziplinarität und Internationalität. Neben Lehrveranstaltungen in den Kernbereichen Politikwissenschaft und Soziologie werden auch Seminare aus den Kulturwissenschaften, der Philosophie, Psychologie und Geschichte angeboten. Etwa ein Viertel der Studierenden kommt aus dem Ausland zum Studium der FKF nach Magdeburg, u.a. aus Lateinamerika, Asien und Afrika. Viele von ihnen werden mit Stipendien vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Open Society Institute (OSI) unterstützt.

Ziel des Masterstudiengangs „Friedens- und Konfliktforschung“ ist es, die Studierenden sowohl für einen akademischen Werdegang als auch auf praktische Tätigkeiten etwa für Nichtregierungsorganisationen, nationale und internationale Organisationen sowie für die Arbeit in Verbänden und den Medien vorzubereiten. Durch studienbegleitende Praktika und Sprachkurse sollen die Studierenden neben ihrem theoretischen und methodischen Studium an der Universität erste praktische Erfahrung sammeln und Zusatzkompetenzen erwerben.

Website: http://www.fkf.ovgu.de/Home.html

4. Ausblick

Warum sollte nun diesen neuen Studiengängen so viel Bedeutung und Aufmerksamkeit zuteil werden? Warum widmet das AFB-INFO diesem Thema einen ganzen Leitartikel statt schlichtweg eine Meldung mit Kontaktadresse zu veröffentlichen? Die Antwort liefert Prof. Rittberger, Vorsitzender der DSF: Friedensforschung als Forschung ohne Lehre und ohne langfristige, kontinuierliche Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird sich seiner Auffassung nach immer wieder um ihre Zukunft gebracht sehen, was die Errichtung und der Untergang der Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung (DGFK) zeige. Die Anfang der 70er Jahre auf Betreiben des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann und der sozialliberalen Bundesregierung gegründete friedenswissenschaftliche Institution konnte sich aufgrund eines mangelnden parteiübergreifenden wissenschaftspolitischen Konsensus auf Bundesebene nicht auf lange Sicht etablieren. Dem zarten Pflänzchen Friedensforschung wurde laut Rittberger die Wasserzufuhr verweigert, bevor die Stengel seiner Knospen Wurzeln schlagen konnten. Obwohl friedenspolitisches Denken seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges tief im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert ist, wurde auf diesem Wege - so Rittberger weiter - die deutsche Friedensforschung, zu einer Nischenwissenschaft degradiert und in eine wissenschaftliche Randposition gedrängt.

Doch gerade die jüngsten Entwicklungen im Bereich der internationalen Politik vom Jugoslawienkrieg über den 11. September bis hin zum Afghanistan- und schließlich zum Irakfeldzug zeigen die Notwendigkeit der Ursachenforschung von Krieg und die Bereitstellung alternativer Friedenskonzepte zu Beginn des neuen Jahrhunderts. Dieser gesellschaftspolitisch so wichtigen Aufgabe - ja Verantwortung - kann man in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit nur in Form einer materiell starken und an den Universitäten durch konkrete Programme institutionalisierten Friedensforschung und -lehre gerecht werden, die auch die Nachwuchsförderung im Blick hat.

Rittberger sieht die Friedensforschung durch die neueren Ereignisse besonders herausgefordert, "sich neuen wie alten Fragen unvoreingenommen zu stellen". Eine der zentralen Funktionen der Friedensforschung sei es, "gestützt auf methodisch gesicherte und theoretisch fundierte Grundlagenforschung Konzepte, Institutionen und Strategien der Gewaltprävention und friedlichen Konfliktbearbeitung kritisch zu bedenken, zu entwerfen und weiter zu entwickeln". Somit stellt die Friedensforschung eine wertgebundene Wissenschaft dar, die den Beteiligten in Konflikten, die ihr friedliches Zusammenleben gefährden, mit geeigneten Modell- und Strategieentwürfen möglichst gewaltfreie Wege der Konfliktbearbeitung aufzeigen will.

Allen wissenschaftspolitisch Verantwortlichen in Deutschland sollte es angesichts der friedenspolitischen Rolle der Bundesrepublik auf der internationalen Bühne ein vorrangiges Ziel sein, die Friedenswissenschaft insbesondere auch durch materielle Unterstützung aus ihrem Nischendasein zu befreien, die friedenswissenschaftliche Infrastruktur in Forschung und Lehre zu verbessern sowie zivile Friedensfachkräfte zu fördern. Das Projekt der neuen Masterstudiengänge, das die Friedensforschung und -lehre an deutschen Hochschulen weiter verankern und damit qualifizierten friedenswissenschaftlichen Nachwuchs rekrutieren wird, ist in diesem Zusammenhang gerade angesichts der wachsenden weltpolitischen Verantwortung Deutschlands ein richtungsweisender Schritt hin zu einer international wettbewerbsfähigen und leistungsstarken Friedensforschung in Deutschland.

Verbunden mit dieser Initiative ergibt sich die Chance zur nachhaltigen Förderung der in den letzten Jahren zwar sich intensivierenden, jedoch noch immer unzureichenden Kooperation zwischen hochschulischen und außerhochschulischen Einrichtungen und damit zwischen Lehre, Forschung und Politik im Bereich sicherheits- und friedenspolitischer Fragestellungen. So ist zu hoffen, dass sich durch die längst überfällige Institutionalisierung der fächerübergreifenden Friedensforschung an deutschen Hochschulen das Wissenschaftsverständnis der internationalen Politik zugunsten eines friedenspolitischen Paradigmas verändern wird.

Anmerkungen
  1. Die oben stehenden Informationen sind hauptsächlich den Internetseiten der entsprechenden Institute entnommen.
  2. Prof. Dr. Hans Joachim Gießmann, Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses und Studienleiter veröffentlichte am 26. Mai 2003 auf der Homepage des Instituts den "Bericht über die 1. Evaluierung des Postgraduiertenstudienganges ‚Master of Peace and Security Studies'".
  3. Vergleiche auch: www.uni-tuebingen.de/uni/spi/studmafip.htm#p1.
  4. Vergleiche auch: Rittberger, Volker: Herausforderungen für die Friedensforschung am Beginn des 21. Jahrhunderts - Die Nischenexistenz der Friedensforschung in der deutschen Wissenschafts- und Hochschullandschaft. www.friedens-warte.de/hefte/ritt_203.pdf.



Kontaktadressen:

Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH),
Falkenstein 1, 22587 Hamburg, Deutschland,
Tel.: +49-40-866-077-0, Fax: +49-40-866-3615,
Dr. Patricia Schneider, e-mail: schneider@ifsh.de
www.ifsh.de/IFSH/studium/mps.htm

Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen, Abteilung Internationale Beziehungen/ Friedens- und Konfliktforschung,
Melanchthonstr. 36, 72074 Tübingen, Deutschland,
Tel.: +49-7071-297-8372, Fax: +49-7071-292-417,
E-Mail: ifp.ircenter@uni-tuebingen.de,
E-Mail Archiv: ifp.irarchive@uni-tuebingen.de,
www.uni-tuebingen.de/uni/spi/ab2mitar.htm

Philipps-Universität Marburg, Zentrum für Konfliktforschung,
Ketzerbach 11, 35032 Marburg/Lahn, Deutschland,
Tel.: +49-6421-2824-598 oder: +49-6421-2824-580, Fax: +49-6421-2828-978,
E-Mail: konflikt@staff.uni-marburg.de,
www.uni-marburg.de/konfliktforschung/index.html

FernUniversität Hagen - GH Institut Frieden und Demokratie,
Im Dünningsbruch 9, Postfach 940, 58084 Hagen, Deutschland,
Tel.: +49-2331-9872-365, Fax. +49-2331-9874-797,
E-Mail: Ingrid.Bussler@FernUni-Hagen.de,
www.fernuni-hagen.de/FRIEDEN

Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Institut für Politikwissenschaft, Zschokkestr. 32, 39104 Magdeburg
Tel.: +49-39167-16657
E-Mail: anna.geis@ovgu.de
http://www.fkf.ovgu.de



* Dieser Beitrag erschien in den Mitteilungen der Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn (AFB), Info 1/2004


Zurück zur Seite "Friedensforschung"

Weitere Informationen über Studiengänge zur Friedens- und Konfliktforschung

Zurück zur Homepage