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Unis im Glauben an das NATO-Bündnis

Millionengelder aus dem Pentagon für deutsche Hochschulen. Trotz Zivilklausel militärische Forschung *

Bundesweit sollen mindestens 22 Hochschulen und Forschungsinstitute Fördergelder vom US-Verteidigungsministerium bekommen haben. Das haben Recherchen der Süddeutschen Zeitung (SZ) und des Norddeutschen Rundfunks (NDR) ergeben. Gelder seien dabei auch an Hochschulen, etwa die Uni Bremen oder die TU Ilmenau, geflossen, die sich durch eine Zivilklausel zur friedlichen Forschung verpflichtet haben. Deutsche Forschungseinrichtungen hätten seit dem Jahr 2000 vom Pentagon über zehn Millionen US-Dollar (7,4 Millionen Euro) für militärische Forschung bekommen.

So erhielt etwa ein Projekt zur Herstellung umweltverträglicher Sprengstoffe an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) insgesamt fast eine halbe Million Dollar. Projektleiter Thomas Klapötke hielt das laut SZ für unproblematisch: »Wenn man an das Nato-Bündnis glaubt, ist es nicht verwerflich, seine eigenen Leute mit gutem Material auszustatten.«

Auch die Universität Hamburg bekam einem NDR-Bericht zufolge 136000 Dollar (100000 Euro) von der US-Marine. Der Betrag sei von der Universität bestätigt worden, allerdings nicht, für welches Forschungsprojekt er verwendet wurde, schreibt Bundestagsabgeordneter Jan van Aken (Linke) in einer Mitteilung. Er ist empört: »Eine Universität, die durch öffentliche Mittel getragen wird, hat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, über die Verwendung von Drittmitteln öffentlich Rechenschaft abzulegen.«

An Panzerglas und an Sprengköpfen habe ein Institut der Fraunhofer-Gesellschaft geforscht. Wissenschaftler der Universität Marburg untersuchten, wie sich Orientierungssysteme für Drohnen und »präzisionsgelenkte Munition« verbessern lassen, heißt es auf tagesschau.de. »Da wird an Drohnen und Sprengstoffen gebastelt und militärische Grundlagenforschung betrieben und keiner weiß Bescheid. Die große Frage ist, ob die Bundesregierung von diesen Aufträgen Kenntnis hatte«, so Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke.

* Aus: junge welt, Dienstag, 26. November 2013

DIE LISTEN

Deutsche Hochschulen, die mit dem US-Verteidigungsministerium kooperieren
19 Hochschulen mit insgesamt 30 Projekten und den jeweiligen Drittmitteln
Forschungseinrichtungen und Stiftungen im Dienst des Pentagon
4 Institute mit 9 Projekten und den jeweiligen Finanzmitteln




Pentagon sponsort Hochschulen

Friedensbewegung und LINKE verurteilen Zahlungen

Die Friedensbewegung hat Zahlungen des US-Verteidigungsministeriums an Hochschulen in der Bundesrepublik verurteilt. »Deutsche Forschung unterstützt völkerrechtswidrige Kriege, das ist eine neue Qualität der Rüstungsforschung an den Hochschulen. Schlimmer kann kaum auf dem Grundgesetz nicht herumgetrampelt werden«, sagte der Geschäftsführer der Juristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und chemische Waffen, Reiner Braun, gegenüber »nd«. Zivilklauseln ohne Verifikationsmechanismen seien praktisch unwirksam, da ähneln sich internationale Rüstungskontrollverträge und Rüstungsforschung, so Braun weiter. »Wer sie eindämmen will, braucht Mechanismen der Kontrolle und Überwachung.«

Nach Angaben der »Süddeutschen Zeitung« und des Norddeutschen Rundfunks bekamen 22 Forschungseinrichtungen und Hochschulen in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren mehr als zehn Millionen US-Dollar (etwa 7,4 Millionen Euro) für Forschungsprojekte aus dem Haushalt des US-Militärs. Die Gelder flossen demnach als sogenannte Drittmittel sowohl in die Grundlagenforschung als auch in die Rüstungsentwicklung, etwa die Sprengstoffverbesserung oder die Steuerung von Drohnen.

»Die große Frage ist, ob die Bundesregierung von diesen Aufträgen Kenntnis hatte oder ob die Auftragsforschung vom US-Verteidigungsministerium ohne ihr Wissen stattfand«, erklärte Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion. »Dazu müssen sich Noch-Bildungsministerin Wanka und die Bundesregierung schnellstens erklären«, fordert die Politikerin.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 26. November 2013


Pentagon an der Uni

Von Jürgen Amendt ***

Dass Wissenschaftler Militärforschung betreiben, ist nicht verwunderlich. Das Militär ist ein sicherer Finanzier und angesichts knapper Kassen ist die Versuchung groß, Geld von den Uniformträgern anzunehmen. Die meisten deutschen Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben sich offiziell auch niemals von diesen Auftraggebern distanziert. Es wäre zudem naiv zu meinen, dass Grundlagenforschung ausschließlich zu zivilen Zwecken genutzt wird. Die Kunst der Wissenschaft und die des Krieges gingen schon in der Antike frucht- und furchtbare Verbindungen ein. Der Überlieferung zufolge hat der geniale Archimedes im Zweiten Punischen Krieg allerlei Kriegsgerät entwickelt, das unmittelbar auf seine Forschungsergebnisse zurückging.

Archimedes hat allerdings auch nie vorher öffentlich erklärt, Pazifist zu sein und die Arbeit fürs Militär grundsätzlich abzulehnen – im Gegensatz zu einigen deutschen Hochschuleinrichtungen, die eine solche Erklärung in Form einer sogenannten Zivilklausel in der Vergangenheit öffentlich abgegeben haben. Wenn also die Universität Bremen jetzt meint, ein vom Pentagon finanziertes Satellitenforschungsprojekt diene ausschließlich der Grundlagenforschung und sei daher mit der Klausel vereinbar, dann zeugt auch das von Naivität.

*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 26. November 2013 (Kommentar)


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