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Deutsche Stiftung Friedensforschung nimmt ihre Arbeit auf

Einer der wenigen Lichtblicke der rot-grünen Regierungskoalition

In einer Pressemitteilung (Nr. 57/2001) teilte die Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn am 27. April 2001 folgendes mit:

Deutsche Stiftung Friedensforschung nimmt heute ihre Arbeit in Osnabrück auf

Bulmahn: "Die Friedensforschung in Deutschland soll damit dauerhaft gestärkt werden"


Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn wird heute die Mitglieder des Stiftungsrats der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF) im historischen Friedenssaal des Rathauses der Stadt Osnabrück berufen. Mit der Gründung der Deutschen Stiftung Friedensforschung wird die in der Koalitionsvereinbarung vereinbarte Wiederaufnahme der "finanziellen Förderung der Friedens- und Konfliktforschung und der Vernetzung bestehender Initiativen" umgesetzt. Ziel und Zweck der Deutschen Stiftung Friedensforschung ist es, die Friedensforschung in Deutschland dauerhaft zu stärken und gleichzeitig zu ihrer politischen und finanziellen Unabhängigkeit beizutragen. Die Stiftung wird insgesamt mit einem Stiftungskapital von 50 Millionen Mark ausgestattet.

"Die Deutsche Stiftung Friedensforschung soll ein neues Instrument der Politikberatung sein und die Bundesregierung bei der Krisenprävention und der Konfliktbeilegung unterstützen," erklärte Bundesministerin Bulmahn heute in Osnabrück. Die Erwartungen an die deutsche Außenpolitik aktiv zur Friedensgestaltung beizutragen seien nach der Wiedervereinigung und dem Ende des Ost-West-Konflikts gestiegen.

Bulmahn: "Ich erwarte von der Friedensforschung Analysen und Konfliktlösungsstrategien für eine Politik der Friedensgestaltung. Die Stiftung soll vorausblickend und kritisch sein sowie neue Initiativen anstoßen."

Die DSF soll die vorhandenen Potenziale der Friedensforschung stärken und neue Kapazitäten an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufbauen. Sie wird wissenschaftliche Vorhaben fördern und initiieren, den wissenschaftlichen Nachwuchs unterstützen und Konferenzen durchführen. Die neue Stiftung führt jedoch selbst keine Untersuchungen durch. Ein Leitmotiv der Stiftung müsse es sein, eine Kultur der Prävention zu fördern. Frieden sei kein gegebener Zustand, sondern Ziel und Ergebnis politischer Gestaltung, erklärte Bulmahn.

Mit der DSF schließt das Bundesforschungsministerium eine im Vergleich zu anderen Staaten bestehende Lücke auf bundesstaatlicher Ebene. Die Deutsche Stiftung Friedensforschung hilft bei der Vernetzung von Forschungsinstitutionen, die sich mit Fragen der Friedensgestaltung national und international befassen. Sie ist damit ein wichtiger Knotenpunkt für die Friedensforschung. Gleichzeitig soll die DSF Hilfestellung im Ausland für die Gründung vergleichbarer Institutionen leisten.

Der Stiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschung setzt sich zusammen aus acht Friedensforscherinnen und Friedensforscher, drei Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie vier Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung.

Prof. Egon Bahr, Bundesminister a. D.
Wolf-Michael Catenhusen, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung
Prof. Dr. Leonie Dreschler-Fischer, Dekanin Fachbereich Informatik der Universität Hamburg
Dr. Uschi Eid, Parlamentarische Staatssekretärin, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Dr. Martina Fischer, Berghof Forschungszentrum für konstruktive Konfliktbearbeitung
Christiane Lammers, Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung
Werner Lensing (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages
Prof. Dr. Dr. Dieter S. Lutz, Direktor Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH) an der Universität Hamburg
Prof. Dr. Harald Müller, Geschäftsführer Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)
Winfried Nachtwei (Bündnis 90 / Die Grünen), Mitglied des Deutschen Bundestages
Dr. Ulrich Ratsch, Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft (FESt)
Heinz Schmitt (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestages
Dr. Walther Stützle, Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung
Dr. Ludger Volmer, Staatsminister im Auswärtiges Amt
Prof. Dr. Rüdiger Wolfrum, Max-Planck-Institut für ausländisches, öffentliches Recht und Völkerrecht

Soweit die Presseerklärung der Forschungsministerin. Im Friedens-Memoranduum 2001 haben wir uns zu den wenigen Lichtblicken des rot-grünen Regierungshandelns, u.a. auch zur Gründung der DSF, wie folgt geäußert:

Bundesregierung: Geld für Friedensforschung, Menschenrechte und Konfliktprävention

Positive Ansätze im Regierungshandeln waren im Berichtszeitraum auf drei Feldern zu beobachten, die inhaltlich unter dem Begriff der "zivilen Konfliktprävention" zusammengefasst werden können. Dabei geht es einmal um die in der Koalitionsvereinbarung von 1998 versprochene "finanzielle Förderung der Friedens- und Konfliktforschung". Nach längerem, teilweise für die interessierte Fachöffentlichkeit nicht ganz transparentem Verfahren wurde schließlich Ende des Jahres die "Deutsche Stiftung Friedensforschung" (DSF) aus der Taufe gehoben mit einem Stiftungskapital von 50 Millionen DM, das sich nach einigen Jahren - so die Konstruktion - selbst verbraucht. Die DSF soll zur Stabilisierung bestehender Friedensforschungsinstitute beitragen, Nachwuchswissenschaftlern eine Chance geben (Stipendien, Projekte), Forschungsarbeiten finanzieren und - last but not least - "Politikberatung" organisieren. In den Gründungsvorstand sind renommierte Friedenswissenschaftler/innen berufen worden, deren Namen auch in der Friedensbewegung einen guten Klang haben.

Zum zweiten wurde das - ebenfalls in der Koalitionsvereinbarung versprochene - "Institut für Menschenrechte" im Kabinett beschlossen und parlamentarisch in "trockene Tücher" gebracht, d.h. am 7. Dezember 2000 im Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen verabschiedet. Das Menschenrechtsinstitut soll Menschenrechtsfragen im In- und Ausland dokumentieren, wissenschaftliche Forschung auf diesem Gebiet fördern sowie "praxisnahe" Politikberatung und öffentliche Bildungsarbeit unterstützen. Das Institut wird seinen Sitz in Berlin haben, aber von der Regierung unabhängig sein. Träger wird ein unabhängiger Verein sein, in dessen Gremien Nichtregierungsorganisationen und andere nichtstaatliche Einrichtungen (Medien, Wissenschaft) die Mehrheit haben sollen. Inwieweit dennoch die Regierungsunabhängigkeit des Instituts sichergestellt werden kann, wo doch die Finanzierung (3 Mio. DM jährlich) aus Mitteln der drei beteiligten Ministerien (Justiz, Auswärtiges Amt, Wirtschaftliche Zusammenarbeit) erfolgt, bleibt abzuwarten. Im Frühjahr 2001 wird das Institut mit den ersten Gründungsversammlungen (Kuratorium, Institutsgremien) seine inhaltliche Arbeit aufnehmen.

Zum dritten schließlich hat das Auswärtige Amt mit der Ausbildung von "zivilen Friedenskräften" für den Einsatz von "Friedensmissionen" begonnen. Die ersten Kurse waren schon im Sommer 1999 durchgeführt worden, im November 2000 wurde zum ersten Mal ein Kurs mit internationaler Beteiligung angeboten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten rund 260 Teilnehmer/innen die Ausbildungskurse durchlaufen. Nach Auffassung des Staatsministers im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, sollte langfristig ein "Pool" von 3.000 Experten aufgebaut werden, die für "Friedensmissionen" der Vereinten Nationen und der OSZE zur Verfügung stehen würden. Die bisher zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von zwei Millionen DM sollten künftig auf vier Millionen aufgestockt werden.

Eine friedenspolitische Bewertung der drei Initiativen bzw. Institute fällt schwer, da deren Arbeit noch keine konkreten Früchte gezeitigt hat. Die Friedensbewegung wird in jedem Fall gut daran tun, diese zarten Pflänzchen einer präventionsorientierten zivilen deutschen Außenpolitik zu hegen und zu pflegen und im Übrigen dafür zu sorgen, dass sie sich selbst als Alternative zur gängigen Art der militärischen Konfliktbearbeitung verstehen.

Aus: Friedens-Memorandum 2001, hrsg. vom Bundesausschuss Friedensratschlag, Kassel 2001, S. 52f

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