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Gelebter Pazifismus

Mit Gandhis Satyagraha gegen Remilitarisierung und Krieg

Von Ulrich Frey *

Er hat den Zweiten Weltkrieg als Flakhelfer erlebt und überlebt: Andreas Buro, 1928 in Berlin in eine bürgerliche Familie hinein geboren. In der Ostzone und der frühen DDR machte er nach einem Forstdienst in Eberswalde und Studium der Forstwirtschaft an der Humboldt-Universität in Berlin schlechte Erfahrungen mit dem realen Sozialismus. Eine berufliche Zukunft schien ihm dort nicht möglich; weshalb er die Grenze gen Westen überschritt.

Buro engagierte sich bei der Internationale der Kriegsdienstgegner in Braunschweig gegen die Remilitarisierung der Bundesrepublik. Ihn beeindruckten die Satyagraha-Normen des Mahatma Gandhi, bei denen es im Kern »um die eigene Haltung dem anderen gegenüber« geht: »Gib dem Kampf einen positiven Inhalt! Dehne die Ziele des Kampfes nicht aus! Schenke dem Gegner Vertrauen!«. Diese Normen prägten fortan Buros Pazifismus, seine Reden und Publikationen, sein privates und öffentliches Handeln. Er wirkte in der Ostermarschbewegung mit und wurde 1964 Sprecher von deren Zentralen Ausschuss. Als die RAF entstand, vermisste Buro, inzwischen studierter und habilitierter Politologe, eine öffentliche Diskussion über grundsätzliche Fragen der Gewaltanwendung. »Das war eine gefährliche Situation für linke Politik, wie auch für die Politik der Gewaltfreiheit«, resümiert er heute. Der Solidaritätskongress für Angela Davis (1972) des Sozialistischen Büros, dessen Mitgründer er war, brach nach Buro die damalige Faszination für Gewalt und machte die »zentrale Frage nach der gewaltsamen Austragung von Konflikten … wieder einer rationalen, ethischen und moralischen Erörterung zugänglich«. Für die Stärkung und den Schutz der Menschenrechte gaben Anfang 1980 Wolf-Dieter Narr, Klaus Vack und Buro den Anstoß zur Gründung des gewaltfrei ausgerichteten Komitees für Grundrechte und Demokratie, das sich auch an den Protesten gegen den NATO-Doppelbeschlusses beteiligte. Die Teilnahme an den Blockaden am Raketenstationierungsort Mutlangen brachte Buro eine Verurteilung wegen Nötigung ein. Vor Gericht verwahrte sich dieser gegen die Kriminalisierung der Gewaltfreiheit, was später von der Rechtsprechung auch anerkannt wurde. In den sicherheitspolitischen Auseinandersetzungen zwischen den Blöcken vertraten Buro und seine Mitstreiter ein striktes Defensivkonzept im Sinne einer »strukturellen Nichtangriffsfähigkeit« und der Förderung von Entspannung und Abrüstung.

Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes 1989 war Buro einer der Gründer der Helsinki Citizens Assembly, eines Netzwerkes von demokratischen Basisgruppen in den KSZE-Staaten. 1992 war er Mitbegründer des Vereins »Den Winter überleben«, der sich später in »Den Krieg überleben« umbenannte und bosnischen Flüchtlingen in Deutschland Zuflucht verschaffte. Er engagierte sich für eine grenzüberschreitende Friedensarbeit im ehemaligen Jugoslawien und gegen den Irakkrieg.

Buro kritisiert weiterhin unermüdlich jegliche Militäreinsätze und setzt sich für zivile Konfliktlösungen ein; er zeichnete u. a. für aufklärende und meinungsbildende Dossiers zu den Krisenherden Naher Osten und Iran verantwortlich.

Die Autobiografie des mit dem Aachener Friedenspreis (2008) geehrten Pazifisten sollte von allen Menschen gelesen werden, die wie er der Meinung sind, dass durch Militär und Rüstung kein Mehr an Sicherheit zu erreichen ist, die wie er entsetzt und empört sind über die neuen Kriege und Kriegsandrohungen und die wie er das nicht hinzunehmen bereit sind.

Andreas Buro: Gewaltlos gegen den Krieg. Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten, Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2011, 328 S., geb., 24,90 €.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 27. September 2012


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