Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die Waffen der ETA

Unilaterale Schritte wirksame Strategie im Friedensprozeß im Baskenland. Untergrundorganisation versiegelt Teil ihres Arsenals

Von Uschi Grandel *

Gute Nachrichten aus dem Baskenland. Ich hoffe, Ihr Friedensprozeß geht weiter«, twitterte der ehemalige US-Präsident William Clinton am Wochenende. Seine Botschaft ist eine der vielen positiven Reaktionen, mit denen Politiker weltweit die in Eigenregie durchgeführte Teilentwaffnung der baskischen Untergrundorganisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) begrüßten. Die ETA hatte im Januar 2014 im Beisein der »Internationalen Kommission zur Überprüfung des Waffenstillstands« (IVC) einen Teil ihres Waffenarsenals inventarisiert und danach versiegelt, um sie für den »operativen Einsatz unbrauchbar« zu machen. Ein Video davon war der britischen BBC übergeben worden. Diese veröffentlichte das Video am vergangenen Freitag, kurz nachdem die IVC auf einer Pressekonferenz im baskischen Bilbo (Bilbao) darüber berichtet hatte. »Die Kommission ist zuversichtlich, daß dieser Schritt bedeutend und glaubwürdig ist«, erklärte deren Sprecher Ram Manikkalingam. »Unseren Erfahrungen aus anderen Prozessen nach«, so Manikkalingam, sei die Inventarisierung und Versiegelung »eine notwendige Phase vor der Entwaffnung«. Die IVC sei »zuversichtlich, daß diese mit Hilfe aller politischen und sozialen Akteure erreicht werden kann«.

Mit dem Beginn ihrer Entwaffnung hat die ETA die Blockade des baskischen Friedensprozesses durch Madrid schwer erschüttert. Entsprechend schmallippig fiel die Antwort der spanischen Regierung aus. Gerade mal ein »positiv« konnte sie sich abringen. Denn immer noch versucht die Führung um Ministerpräsident Mariano Rajoy allen internationalen Appellen zum Trotz, den Friedensprozeß auszubremsen. Im März vergangenen Jahres mußte die ETA-Delegation, die in Norwegen auf Unterhändler der spanischen Regierung gewartet hatte, unverrichteter Dinge wieder abziehen. Die Abgesandten wollten über eine Lösung der Konfliktfolgen – Entwaffnung, Gefangene und die Entmilitarisierung des Baskenlands – verhandeln. Doch dazu ist Rajoy nicht bereit.

Seit dem Ende des bewaffneten Kampfes der ETA im Oktober 2011 verhindert die spanische Regierung jede Bewegung in der Gefangenenfrage mit der Forderung nach der sofortigen Auflösung der ETA, ohne jedoch eine solche Entwicklung durch eigene Beiträge zu fördern. Ihre Unbeweglichkeit kann sie allerdings immer weniger durchhalten. Seit Oktober 2013 mußte Madrid auf Anweisung des Europäischen Gerichtshofs nahezu hundert baskische politische Langzeitgefangene entlassen, deren Haftstrafen die spanische Justiz willkürlich verlängert hatte. Als ein Gericht im Januar 2014 eine Großdemonstration unter dem Motto »Menschenrechte, Lösung, Frieden. Baskische Gefangene ins Baskenland« untersagte, gingen in Bilbo 135000 Menschen gegen das Verbot auf die Straße – mehr als jemals zuvor. Selbst die konservative baskische Partei PNV beteiligte sich an dem Protest, um ihre Glaubwürdigkeit in der baskischen Bevölkerung nicht zu verlieren. Die von ihr geführte Regierung der Baskischen Autonomen Gemeinschaft nannte am Freitag die Aktion der ETA ein »Schrittchen«, erkennt aber im Gegensatz zur spanischen Regierungspartei PP die IVC an und sichert ihr »weitere Zusammenarbeit und die Unterstützung der nächsten Schritte« zu.

Auch in der Gefangenenpolitik könnte der Druck auf die spanische Regierung weiter wachsen. Die französische Tageszeitung Le Monde begrüßte in ihrem Leitartikel vom Samstag die Entwaffnungsaktion und forderte die Regierungen Spaniens und Frankreichs auf, die Politik der »Zerstreuung« – der Verlegung baskischer politischer Gefangener in weit vom Baskenland entfernte Haftanstalten – zu beenden. Das spanische Sondergericht Audiencia Nacional schickte den Kommissionsmitgliedern dagegen die Polizei auf den Hals. Sie erhielten wegen ihrer ETA-Kontakte eine Vorladung für den gestrigen Sonntag morgen.

* Aus: junge Welt, Montag, 24. Februar 2014


Zurück zur Spanien-Seite

Zur Spanien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage