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Die Wüste kommt nach Europa

Spanien verletzt Kyoto-Verpflichtungen und bekommt bereits heute die Folgen zu spüren

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Die Wüsten breiten sich aus, auch im Süden Europas. Spanien ist ein besonders deutliches Beispiel dafür, wie infolge exzessiven Wasserverbrauchs und wachsender Bodenerosion durch Landwirtschaft und Tourismus ganze Landstriche irreparabel zerstört wurden. Fast 40 Prozent des Landes sind offiziell von Desertifikation betroffen.

Die spanische Umweltministerin Cristina Narbona hat der sozialistischen Regierung Ende 2007 neue Daten vorgelegt, die Aufschluss über die fortschreitende Wüstenbildung im Land geben. Nach den Untersuchungen des »Nationalen Aktionsprogramms gegen die Desertifikation« (PAND) weisen zwei Prozent des Landes ein sehr hohes Risiko auf, zur Wüste zu werden. Bei 16 Prozent bestehe ein hohes Risiko, für 20 weitere Prozent ein mittleres. Vor zwei Jahren wurde noch gewarnt, etwa ein Drittel drohte zur Wüste zu werden. Unklar ist, ob in den neuen Zahlen auch die Flächen eingerechnet sind, die bereits Wüsten sind. Bei der UNO-Wüstentagung im September letzten Jahres in der spanischen Hauptstadt Madrid wurde von einer irreversibel zerstörten Fläche von 6 Prozent gesprochen.

Tatsächlich dürfte die Situation noch schlimmer sei. Denn auf den Webseiten des PAND heißt es: »Die Ergebnisse der angewendeten Modelle zeigen, dass ein Problem der Desertifikation auf 31,49 Prozent (stark und sehr stark) der Fläche besteht«. Rechnete man dazu die 16 Prozent hinzu, die nach den neuen Angaben ein »mittleres Risiko« aufweisen, dann wäre tatsächlich schon fast die Hälfte des Landes betroffen. Das passt zu Zahlen aus dem kürzlich veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht: »Auf 46 Prozent des nationalen Territoriums hat die Erosion die tolerablen Grenzen überschritten und 12 Prozent der Fläche sind einer sehr starken Erosion ausgesetzt«, heißt es darin.

Besonders betroffen sind die Südküsten. Der so genannte Qualitätstourismus mit seinem enormen Wasserverbrauch spielt hier eine besondere Rolle. Besonders in jenen Regionen, wo traditionell die ultrarechte Volkspartei (PP) regiert, hat man den Boden fast vollständig zu Bauland erklärt und sogar große Teile von Naturschutzgebieten dem Tourismus und der Intensivlandwirtschaft geopfert. So ist die Provinz Murcia zu fast 100 Prozent von Desertifikation betroffen, ähnlich sieht es in Valencia (93 Prozent) aus. Selbst im nördlichen Navarra (Foto: Streck) finden sich Wüsten. In den angrenzenden Regionen, Katalonien im Norden (42 Prozent) oder Andalusien (22 Prozent) im Süden, sieht es deutlich besser aus.

Der hochintensive Gemüseanbau und der Tourismus verbrauchen mehr Wasser, als zur Verfügung steht. Es wird über massive Umleitungen aus dem Norden herangeschafft oder aus illegalen Brunnen gepumpt. Wird dann die Landwirtschaft wegen Wassermangels aufgegeben, beschleunigt sich die Bodenerosion noch, da es kaum Aufforstungen solcher Brachflächen gibt. Der Berater der »Vereinigung der Forstingenieure«, Gabriel Leblic, vermisst deshalb den politischen Willen zur Verbesserung der Situation. Der Nationale Forstplan, der eine Rückgewinnung von 3,8 Millionen Hektar Walt in 30 Jahren vorsieht, müsse stark ausgeweitet werden. »Es müssen zwei Milliarden Bäume gepflanzt werden«, meint Leblic.

Bis 2010 will das Umweltministerium 6,5 Milliarden Euro für die Aufforstung ausgeben. Auch für Umweltorganisationen ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Greenpeacesprecher Miguel Ángel Soto kritisiert, dass es praktisch keine nationale Planung zur Aufforstung gäbe, der Forstplan werde wegen »Schlamperei« in der Regierung nicht einmal umgesetzt. Dabei könnte Spanien mit dem Vorgehen gegen die Desertifikation auch gleich etwas dafür tun, um sich von den Kyoto-Zielen nicht noch weiter zu entfernen. Denn auch bei Verstößen gegen das Klima-Abkommen ist das Land einer der Spitzenreiter.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Januar 2008


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