Das Baskenland nach der Wahl
Absage an Gewalt - Absage an Madrid
Nachfolgenden Kommentar zu den mit großer Spannung erwarteten Wahlen im Baskenland haben wir der Schweizer Wochenzeitung WoZ entnommen.
Baskenland: Kleiner Kurswechsel nach der Wahl
Neue Rolle für Linke
Von Dorothea Wuhrer
Nicht nur die gemässigten NationalistInnen, auch die Vereinigte
Linke hat vom ETA-Desaster profitiert.
Mit diesem Resultat hat kaum jemand gerechnet, nicht einmal die
Wahlsieger. Selbst die grössten OptimistInnen in der bisher amtierenden
Koalition von PNV und der kleinen Partei EA («Baskische Solidarität»)
dachten nicht im Traum an einen solchen Sieg. Im Vorfeld hatten sich
nämlich die meisten insgeheim schon nach einem neuen Partner
umgesehen, um ein Zusammengehen der beiden grossen
zentralspanischen Parteien – der konservativen Volkspartei PP und der
sozialdemokratischen PSOE – zu verhindern. Zumindest die PSOE
erschien vielen als das kleinere Übel. Gedankenspiele dieser Art sind nun
nicht mehr nötig. PNV und EA haben zwar die absolute Mehrheit verfehlt,
stellen aber die Regierung und den Präsidenten der autonomen Region
Baskenland. Dennoch ist ein dritter Koalitionspartner von Vorteil: Denn
PNV–EA schicken nur 33 Abgeordnete ins neue Parlament, PP– PSOE
verfügen aber über 32 der insgesamt 75 Sitze.
Der alte und vermutlich neue Präsident Juan José Ibarretxe hat bereits
erste Verhandlungsrunden einberufen. Bevorzugter Gesprächspartner ist
die baskische Sektion der Vereinten Linken, Izquierda Unida (IU). Diese
war bis vor kurzem noch eine relativ unbedeutende Kraft im Baskenland,
hat aber in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung
vollzogen. Noch 1994 war sie im baskischen Parlament gar nicht vertreten.
Danach übernahm Javier Madrazo den Vorsitz im Baskenland, stritt mit
der Mutterpartei in Madrid und wurde bald auch von Intellektuellen wie etwa
dem katalanischen Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán unterstützt.
Am Sonntag nun hat IU es geschafft, dem ETA-nahen Wahlbündnis
Euskal Herritarok (EH) mit drei Sitzen die Schlüsselfunktion in der
baskischen Regierung streitig zu machen. Denn die vom Kurs der
ETA-Hardliner enttäuschten EH-WählerInnen wechselten nicht alle in das
Lager der NationalistInnen (PNV–EA gewannen sechs Sitze hinzu),
sondern stimmten teilweise auch für die IU.
Auch wenn den Linken der baskische Nationalismus fern liegt, zeigen sie
in der Konfliktregion mehr Gemeinsamkeiten mit den NationalistInnen als
mit den zentralspanischen Parteien. Entgegen den Vorgaben ihrer
Madrider Zentrale hatte sich die baskische IU-Sektion auch am Pakt von
Lizarra beteiligt – jenem Abkommen von 1998, das Verhandlungen mit den
militanten SeparatistInnen befürwortet und den Waffenstillstand von ETA
überhaupt erst ermöglicht hatte. Im Unterschied zur PSOE etwa tritt
der baskische IU-Vorsitzende Madrazo auch heute noch für einen Dialog
mit den ETA-Militanten ein; mit rein polizeilichen Mitteln könne der Kampf
um die Köpfe nicht gewonnen werden, sagt er. Auch deswegen hatte die
baskische IU eine Koalition mit PP und PSOE von vornherein
ausgeschlossen.
Dass die Linken nicht mit den Konservativen zusammengehen wollten,
liegt auf der Hand. Für die Absage an die sozialistische PSOE gab es vor
allem zwei Gründe. Da war zum einen die Erfahrung aus der spanischen
Parlamentswahl im März 2000, bei der die Linken eine deutliche
Niederlage hinnehmen mussten. Die Wahlabsprache der IU-Führung mit
der PSOE wurde von der Basis nicht honoriert; für die meisten Linken sind
die SozialdemokratInnen kein Bündnispartner mehr. Und im Baskenland
konnte die dortige IU-Sektion der PSOE die enge Zusammenarbeit mit der
in Madrid regierenden PP nicht verzeihen. Die sich möglicherweise
anbahnende Dreierkoalition aus PNV, EA und IU könnte nun die
Block-Konfrontation zwischen «espańolistas» und baskischen
NationalistInnen lockern.
Weniger überraschend als die Niederlage von PP–PSOE – die
«Zerschlagung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung» ist der
Bevölkerung als Wahlprogramm dann doch zu wenig – waren die Verluste
von EH, die die Hälfte ihrer Sitze einbüsste und das schlechteste Ergebnis
seit 1980 einfuhr. Die meisten BaskInnen sind die nicht mehr
nachvollziehbaren ETA-Attentate leid und haben offensichtlich auch von der
schweigsamen Selbstgerechtigkeit der politischen Sprecher genug. Am
Montag forderte der EH-Vorsitzende Arnaldo Otegi die WahlsiegerInnen
von der PNV lediglich auf, die «geliehenen» Stimmen auch richtig zu
nutzen.
Ob das Verbot der militanten Jugendorganisationen Haika drei Tage vor der
Wahl einen Einfluss auf das Ergebnis hatte, lässt sich derzeit kaum
feststellen. Aber auch die neue Regionalregierung wird bald feststellen,
dass viele BaskInnen in den Haika- und ETA-Mitgliedern immer noch
«unsere Jungs» sehen.
Aus: WoZ, 17. Mai 2001
Zurück zur "Spanien"-Seite
Zu anderen Ländern/Regionen
Zurück zur Homepage