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ETA-Erklärung bringt Madrid in Zugzwang

"Permanenter Waffenstillstand" soll den Friedensprozess im Baskenland befördern

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Lange war die Erklärung der baskischen Untergrundorganisation ETA erwartet worden. Am Montag hat sie nun den »permanenten Waffenstillstand« verkündet, »der von der internationalen Gemeinschaft überprüft werden kann«.

Die ETA will damit im »Baskenland eine wirklich demokratische Situation erreichen«. Sie geht auf Forderungen ein, nachdem sie schon im September erklärt hatte, dass sie seit »Monaten keine offensiven bewaffneten Aktionen« mehr ausgeführt habe, um neue Friedensbemühungen nicht zu torpedieren. Seit ihrer Offensive zum 50. Jubiläum im August 2009 hatte sie keine Anschläge mehr verübt.

Doch die September-Verlautbarung reichte weder der linken Unabhängigkeitsbewegung noch dem baskischen Freundeskreis im Europaparlament oder den internationalen Vermittlern. Nun stellt sich die ETA definitiv hinter die Erklärung von Gernika. In der hatten sich die in Spanien verbotene Partei Batasuna, die Baskische Solidaritätspartei, drei weitere Parteien sowie alle baskischen Gewerkschaften die Forderungen der Vermittler zu eigen gemacht. Ende September hatten sie deshalb die permanente und überprüfbare Waffenruhe als »Ausdruck des Willens« der ETA verlangt, bewaffnete Aktivitäten beenden zu wollen.

Das waren die Bedingungen der Vermittler, der auch vier südafrikanische und irische Friedensnobelpreisträger angehören. Ihr Sprecher, der südafrikanische Anwalt Brian Currin, hatte im Herbst den Druck erhöht und der ETA den Januar als Frist gesetzt, weil die internationale Unterstützung für einen neuen Friedensprozess »nicht unbeschränkt andauern kann«. Er kündigte die Bildung einer »internationalen Kontaktgruppe« an, deren Zusammensetzung aber erst verkündet werde, wenn Waffenruhe nach irischem Vorbild bestehe, die schließlich zur Entwaffnung der IRA führte.

Diese Bedingung hat die ETA nun erfüllt, nachdem am Sonnabend in Bilbao etwa 70 000 Menschen für einen Friedensprozess und für die Rechte der etwa 800 Gefangenen auf die Straße gegangen waren, die wegen des politischen Konflikts inhaftiert sind. Die ETA fordert, dass Spanien und Frankreich ihr »repressives Vorgehen« und die Politik aufgeben, welche die Existenz des Baskenlands negieren. Die baskische Zivilgesellschaft solle nun »Abkommen erreichen«, die die Entwicklung »aller politischen Projekte« möglich machen, »einschließlich der Unabhängigkeit«. Die Bevölkerung im Baskenland müsse über die Ergebnisse per Referendum entscheiden. Alle Beteiligten müssten sich verpflichten, die Resultate zu respektieren und es müssten die »nötigen Mechanismen und Garantien« zur Umsetzung gegeben sein.

Während die Freude im Baskenland groß ist, tut das offizielle Spanien so, als sei nicht viel geschehen. Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba erklärte: »Die einzige Erklärung, die wir lesen wollen, ist die vom definitiven und irreversiblen Ende der ETA.« Zwar sei es »keine schlechte Nachricht, aber nicht d i e Nachricht«, fügte er an. Eine internationale Vermittlung, um eine Friedenslösung zu finden, »lehnt die Regierung kategorisch ab«. Allerdings wird nun der internationale Druck auf die Sozialisten steigen, die Chance zu nutzen, angesichts einer nachprüfbaren Waffenruhe den Konflikt zu lösen. Die Gewalt der ETA kann jetzt nicht mehr als Ausrede dienen.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Januar 2011


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