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Vereint gegen die Troika

Portugal und Spanien stimmten sich mit Streiks auf Aktionstag am Sonnabend ein

Von Ralf Streck, San Sebastián *

Durch einen Generalstreik im spanischen Baskenland sowie Arbeitsniederlegungen und Proteste in Portugal kam am Donnerstag das öffentliche Leben auf der Iberischen Halbinsel teilweise zum Erliegen.

Besonders die Einwohner der portugiesischen Hauptstadt Lissabon bekamen gestern Ausstände zu spüren. Die Metro wurde seit Mitternacht vollständig bestreikt. Teilweise wurde die Arbeit auf dem Flughafen, in großen Firmen wie Mercedes und Renault, in Sparkassen, aber auch in der Verwaltung niedergelegt.

Während in Portugal der kommunistisch dominierte Gewerkschaftsverband CGTP zum »Kampftag« aufgerufen hatte, waren es im Baskenland die anarchosyndikalistischen Gewerkschaften CGT und CNT, die zum 8. Generalstreik seit Beginn der Krise antraten. Da sich die großen spanischen Arbeitervertretungen CCOO und UGT diesem Ausstand erneut nicht anschlossen, war er aber nicht umfassend.

Angesichts neuer Auflagen, die Spanien von der EU-Kommission am Mittwoch gemacht wurden, sahen die Basken noch mehr Grund zu streiken. Denn das Rentenalter soll weiter erhöht, die Renten sollen durch einen »Nachhaltigkeitsfaktor« gesenkt und der Kündigungsschutz weiter geschliffen werden. All das, obwohl schon die letzte Reform der konservativen Regierung mit gleicher Tendenz vor einem Jahr zu einer Rekordarbeitslosigkeit geführt hat.

Während in baskischen Städten den ganzen über Tag demonstriert wurde, konzentrierten sich die Protestmärsche in Portugal auf den späten Nachmittag. Damit wurden den zumeist jungen »Indignados« (Empörten), Schülern und Studenten die Beteiligung ermöglicht. Die Empörten-Bewegung nahm das gleichzeitig zum Anlass, auf den für Sonnabend ausgerufenen internationalen Aktionstag gegen die Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank hinzuweisen. Dem Aufruf folgt auch die CGTP. Darin heißt es, dass das Finanzkapital nur »in einem internationalen Kampf« besiegt werden könne. Die Aktivisten versuchen so auch, die konservative Regierung unter Druck zu setzen, die als Troika-Marionette betrachtet wird. Mit einem Generalstreik im Juni soll die Regierung unter Pedro Passos Coelho endgültig »zurückgetreten werden«.

In dem kleinen EU-Land bricht sich derweil eine Debatte um den Austritt aus der Wirtschafts- und Währungsunion Bahn. »Warum wir aus dem Euro aussteigen sollten«, heißt das zur Zeit meistverkaufte Buch in Portugal. Der Ökonom João Ferreira do Amaral ist erfreut, dass das »Thema kein Tabu mehr ist«. Nur durch die Rückkehr zum Escudo und eine Abwertung könnten portugiesische Waren billiger und der Tourismus wettbewerbsfähiger werden, meint er.

Dass die Austeritätspolitik trotz aller Anstrengungen nicht wirke, sei längst klar geworden, erklärt 64-jährige Professor, der früher im Finanzministerium arbeitete. »Portugal hat in einer Währungsunion mit einer so starken Währung keine Chance, schnell zu wachsen«, glaubt Amaral. Doch nur durch Wachstum könnten Arbeitslosigkeit und zunehmende Verarmung der Bevölkerung sowie die ausufernde Verschuldung bekämpft werden. Der Sparkurs hat Portugal in die schärfste Rezession seit der Nelkenrevolution 1974 getrieben. Das Haushaltsdefizit sank nicht, sondern es stieg 2012 unter den Troika-Sparauflagen sogar wieder um zwei Punkte auf 6,4 Prozent, womit die Ziele eklatant verfehlt wurden.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 31. Mai 2013

Die Iberische Halbinsel in der Krise

Portugal:
  • Haushaltsdefizit 2012: bei 6,4 Prozent, soll 2013 gehalten werden und 2014 auf 5,6 Prozent sinken
  • Zinsen für Staatsanleihen: Am 7. Mai erstmals seit Inanspruchnahme internationaler Milliardenhilfen wieder zehnjährige Staatsanleihen platziert, Zinssatz von 5,6 Prozent
  • Arbeitslosigkeit: Rekordstand von 17,7 Prozent im ersten Quartal 2013, Voraussage für 2014 auf 18,5 Prozent; Jugendarbeitslosigkeit zuletzt auf 42 Prozent gestiegen
Spanien:
  • Haushaltsdefizit 2012: mit 10,6 Prozent der Rekord im Euroraum, soll 2014 auf 6,4 Prozent sinken
  • Zinsen für Staatsanleihen: derzeit bei 4,36 Prozent, damit immer noch deutlich höher als etwa die Zinssätze für deutsche Papiere
  • Arbeitslosigkeit: 27,3 Prozent, Prognose der OECD für 2014: 28 Prozent; Jugendarbeitslosigkeit derzeit bei 56 Prozent
Quellen: OECD, INE nd




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