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Kurs auf Eigenständigkeit

Katalonien erklärt sich für »souverän« und will 2014 über Unabhängigkeit abstimmen

Von Carles Solà und Mela Theurer, Barcelona *

Am vergangenen Mittwoch hat das katalanische Parlament mit 85 Ja- gegen 41 Neinstimmen bei zwei Enthaltungen eine Erklärung über das Recht auf Selbstbestimmung der bislang zu Spanien gehörenden Region beschlossen. Geschlossen für den Text stimmten die konservativ-katalanische Regierungspartei CiU, die als zweitstärkste Kraft im Parlament vertretenen republikanischen Katalanisten der ERC sowie die linksökologische ICV-EUiA. Die antikapitalistische CUP manifestierte ihr »kritisches Ja« mit einer Stimme für die Erklärung sowie zwei Enthaltungen, während sich die sozialdemokratische PSC gemeinsam mit den Rechtsparteien PP und Ciutadans gegen die Erklärung stellte.

Das Ergebnis kam nicht überraschend, denn in tagelangen Vorverhandlungen hatten sich die für die Souveränität eintretenden Kräfte auf einen gemeinsamen Text geeinigt. Als Minimalkonsens wird in dem Dokument nun die katalanische Bevölkerung als »eigenständiges politisches und juristisches Subjekt« bezeichnet, das in einem demokratischen Prozeß frei und unabhängig über die Zukunft des Landes entscheiden kann. Dem spanischen Staat, der Europäischen Union sowie der »internationalen Gemeinschaft« wird ein Dialog über die politisch-juristische Umsetzung der Eigenständigkeit angeboten.

Für die PSC bedeutete ihre mehrheitliche Ablehnung der Souveränitätserklärung eine Zerreißprobe, die noch längst nicht überstanden ist. Fünf Abgeordnete hatten sich der Parteidisziplin widersetzt, weil sie die Deklaration nicht ablehnen wollten. Mit Rücksicht auf die Sozialdemokraten war die ursprüngliche Version, die von einem »souveränen Staat« gesprochen hatte, schon auf die Formulierung vom »unabhängigen Subjekt« reduziert worden. Das aber war der PSC nicht genug. Parteichef Pere Navarro fordert eine Änderung der spanischen Verfassung als Voraussetzung für die Abhaltung eines Volksentscheides, während seine eigene Partei in Madrid eine solche kategorisch ablehnt.

Die CUP kritisierte, daß in der Erklärung das Land Valencia, die Balearen und der zu Frankreich gehörende Teil Kataloniens nicht einbezogen wurden. Historisch gehören diese Territorien zu den Països Catalans, den Katalanischen Ländern. Sie müßten deshalb ebenso das Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung haben, so die CUP. Gleichzeitig sprach sie sich gegen einen Beitritt Kataloniens zur Europäischen Union aus, der in dem Dokument als Ziel festgelegt ist.

Die Antwort aus Madrid ließ nicht lange auf sich warten. Hatte die Regierung der Erklärung zunächst jede juristische Legitimität abgesprochen, kündigte Ministerpräsident Mariano Rajoy inzwischen eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit sowie der möglichen Konsequenzen an. Ziel bleibt jedoch, die Deklaration vom Verfassungsgericht annullieren zu lassen. Die katalanische Regierung hingegen sucht den Dialog. Am Donnerstag trifft sich Regierungschef Artur Mas in Madrid mit dem spanischen König Juan Carlos, für Februar ist ein Gespräch mit Rajoy anberaumt.

Unterdessen wird in dieser Woche im katalanischen Parlament über einen Gesetzesentwurf diskutiert, der die Durchführung eines Referendums zur Unabhängigkeit im kommenden Jahr ermöglichen soll. Er soll im Februar verabschiedet werden. Parallel dazu konstituiert sich ein Katalanischer Rat für den Unabhängigkeitsprozeß, der aus Vertretern von Parteien, Gewerkschaften sowie gesellschaftlichen und kulturellen Einrichtungen bestehen soll, die die Volksabstimmung vorbereiten und grundlegende Strukturen eines neuen Staates entwerfen sollen.

* Aus: junge Welt, Montag, 28. Januar 2013


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