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Gemeinsam gegen Madrid

Basken und Katalanen wollen gemeinsame Kandidatur zur Europawahl. Spanische Regierung setzt auf Repression

Von Stefan Natke *

Mehrere Parteien der baskischen und der katalanischen linken Unabhängigkeitsbewegung wollen gemeinsam zur Europawahl im Mai 2014 antreten. Im Rundfunksender Info 7 erklärte der Generalsekretär der sozialdemokratisch orientierten EA (Baskische Solidarität), Pello Urizar, man sei im Rahmen des bei den letzten Regionalwahlen erfolgreichen Wahlbündnisses EH-Bildu dabei, eine gemeinsame Kandidatur mit Kräften aus Katalonien zu planen. Einfach wird das nicht, denn EH-Bildu ist selbst ein Zusammenschluß unterschiedlicher Organisationen, in dem auf die verschieden Befindlichkeiten Rücksicht genommen werden muß. So fühlt sich die EA mit der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC) verbunden, während die Kräfte um die verbotene Partei Batasuna ihren katalanischen Partner in der marxistisch orientierten CUP (Kandidatur der Volkseinheit) sehen. Trotzdem ist Urizar optimistisch, daß eine Bündelung der konsequenten Verfechter eines souveränen Baskenlandes und eines eigenständigen Kataloniens gelingt.

Für die Rechtsregierung in Madrid ist eine gemeinsame Kandidatur der »Separatisten« eine Horrorvorstellung. Zugleich sieht sich das Kabinett des Postfranquisten Mariano Rajoy damit konfrontiert, in Kürze wohl auf einen Beschluß des katalanischen Parlaments reagieren zu müssen. Die dortigen Fraktionen verlangen, der Generalitat in Barcelona legislative Kompetenzen zu übertragen. Auf diese Forderung, die sich auf Artikel 150.2 der spanischen Verfassung stützt, hatten sich am Montag die meisten im katalanischen Parlament vertretenen Parteien geeinigt. Konkret geht es um das Recht, eine Volksbefragung über die Unabhängigkeit der autonomen Region durchführen zu dürfen.

Für eine Kompetenzübertragung gibt es einen Präzedenzfall: 1996 hatte Madrid Barcelona einige Rechte im Bereich der Verkehrspolitik zugeordnet. Im Unterschied zu heute hatte damals die rechte Volkspartei PP keine eigene Mehrheit im spanischen Parlament und war auf die Unterstützung der konservativen Katalanisten der CiU angewiesen. Heute verfügt die PP dagegen über die absolute Mehrheit der Sitze und muß solche Rücksichten nicht mehr nehmen. Statt dessen setzt sie besonders im Baskenland weiter auf die Unterdrückung der Unabhängigkeitsbewegung.

Obwohl nach einem jüngsten Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strasbourg die wegen Zugehörigkeit zur Untergrundorganisation ETA verurteilten Gefangenen, die ihre Strafe abgesessen haben, umgehend aus der Haft entlassen werden müssen, sitzen fast alle von ihnen weiter hinter Gittern. Die reaktionäre »Vereinigung der Opfer des Terrorismus« (AVT) fordert derweil von den Behörden das Verbot einer für diesen Samstag in der baskischen Stadt Gernika (Guernica) angekündigten Demonstration gegen die Repression. Die aufrufende Initiative Tantaz Tanta (Tropfen zu Tropfen) war nach dem Verbot der Gefangenenhilfsorganisation HERRIRA Ende September (jW berichtete) spontan entstanden und tritt für die Rechte der baskischen politischen Gefangenen und die sofortige Aufhebung des Organisationsverbots ein. Ihr Sprecher ist Rafael Larreina, ehemaliger Justizminister der baskischen Regionalregierung.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 6. November 2013


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