Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Rettung für Spaniens Banken

Madrid stellt Nothilfe-Antrag / Bis zu 100 Milliarden Euro im Gespräch

Von Kurt Stenger *

Spanien beugt sich internationalem Druck und wird nun doch Milliarden aus den EU-Rettungsfonds beantragen – zur Stützung der heimischen Banken.

Spaniens Regierung hat die geplanten EU-Hilfen für spanische Banken und Sparkassen als einen Erfolg für Europa bezeichnet. »Gewonnen haben die Glaubwürdigkeit Europas und die Zukunft des Euro«, sagte der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy am Sonntag. Die EU-Hilfen seien Teil eines umfassenden Plans zur Sanierung der spanischen Wirtschaft.

Wie erwartet hatte Madrid am Sonnabend offiziell ein Gesuch für Finanzhilfen aus den EU-Rettungsfonds gestellt. Die Finanzminister der Euroländer gaben noch am gleichen Tag nach einer dreistündigen Telefonkonferenz grünes Licht. »Die Eurogruppe unterstützt die Bemühungen der spanischen Behörden, die Restrukturierung des Finanzsektors mit Nachdruck anzugehen«, hieß es in einer Erklärung. »Die Kredite werden umfangreich genug sein, um einen Damm zu bilden, der alle möglichen Kapitalbedürfnisse auffangen kann.«

Die Kreditsumme soll bis zu 100 Milliarden Euro betragen. Dies umfasst den geschätzten Kapitalbedarf der spanischen Banken »plus eine zusätzliche Sicherheitsmarge«. Eine Untersuchung durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) hatte zuvor einen Bedarf von 40 bis 80 Milliarden ergeben. Madrid will vor einem konkreten Hilfeantrag das Ergebnis einer Untersuchung durch Wirtschaftsprüfer abwarten, das noch im Juni vorliegen soll.

Vertreter von IWF, EU-Kommission und der deutschen Regierung begrüßten das Hilfegesuch. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach von einem »richtigen und notwendigen Schritt«. Dies werde dazu beitragen, »das Vertrauen an den Finanzmärkten zu stabilisieren«.

Anders als in Griechenland, Portugal und Irland wird es erstmals um spezielle Hilfen zur Bankenstabilisierung gehen. Die spanische Regierung hofft, dadurch strengen Auflagen und Kontrollen des Staatsbudgets zu entgehen. Allerdings wird sie verantwortlich für die Rückzahlung sein.

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac warnte vor weiteren Haushaltskürzungen. Spanien habe kein Staatsschuldenproblem, die Krise sei vor allem Folge von Hypothekenspekulation und des Platzens einer riesigen Immobilienblase. »Durch Kürzungspolitik verschärft man das Problem nur«, sagte Cristina Asensi von Attac Spanien. »Statt eines Rettungsschirms für die Banken braucht Spanien einen Rettungsschirm für Arbeitnehmer, Empfänger staatlicher Transferleistungen sowie kleine und mittlere Unternehmen.«

* Aus: neues deutschland, Montag, 11. Juni 2012


Währungsunion im Koma

Von Christa Luft **

Soll die Währungsunion nicht mit unwägbaren politischen Folgen auseinanderbrechen, sind andere Maßnahmen als bisher erforderlich. Der von der deutschen Kanzlerin diktierte Fiskalpakt knebelt die Wirtschaft der Krisenländer, die aufgeblasenen Rettungsschirme schützen deren Banken und Millionäre, nicht die breite Bevölkerung. Die Arbeitslosigkeit steigt rapide, in Spanien bereits offiziell auf über 24 Prozent. In Scharen verlassen Menschen die Heimat, um woanders Arbeit zu suchen.

Griechenlands Austritt aus der Währungsunion scheint nahe. Spanien, die viertgrößte europäische Volkswirtschaft, muss ebenfalls unter den Rettungsschirm. Als sicherer Hafen für Anleger gilt dagegen Deutschland. Der Bund kann sich zur Zeit Geld mit mehrjähriger Laufzeit leihen, ohne Zinsen dafür zahlen zu müssen. Das nährt bei den Krisenländern die Erwartung, das stärkste Land kann die erheblichen Ressourcen für die Euro-Rettung aufbringen, wenn das historisch beispiellose Projekt vom geeinten Europa gesichert werden soll. Eurobonds und Schuldentilgungsfonds sind die Stichworte, auf die die Bundesregierung aber (noch) allergisch reagiert.

Auf dem EU-Gipfel im Juni soll es nun um einen »Masterplan für Europa«, eine Vision für den Kontinent und im Besonderen für die Eurozone gehen. Im Gespräch ist eine Reform der Sozialsysteme nach dem Vorbild der Schröderschen Agenda 2010 (!). Auf Merkels Drängen hin soll als »wachstumsfreundlich« verkauft werden, was in Wahrheit eher den rigiden Sparkurs fortsetzt. Weiter geht es um eine Bankenunion mit gemeinsamer Finanzaufsicht, eine Fiskalunion einschließlich der umstrittenen gemeinsamen Haftung für Staatsschulden sowie eine politische Union.

Der Masterplan soll dazu beitragen, »die Märkte« zu beruhigen. Damit sind Banken, Börsen, Pensions- und Hedgefonds sowie Großspekulanten gemeint. Die gehören aber nicht »beruhigt«, sondern in ihrer nicht legitimierten Macht gezügelt. Dringlich wären ein gesetzlicher Rahmen für die Abwicklung von Pleitebanken, die Regulierung der Rohstoffspekulation sowie der Schattenbanken, die Besteuerung von Finanzgeschäften und eine Abgabe auf Großvermögen. Auch Millionen Menschen sind Marktteilnehmer, als Verbraucher und als Sparer - sie kommen aber im Masterplan nicht vor. Dabei fürchten viele zu Recht um die Sicherheit ihrer Ersparnisse. Die europaweite Garantie von Einlagen auf Tages-, Festgeld- oder Girokonten ist überfällig.

Eine bizarre Idee für die Euroland-Perspektive stellten kürzlich die US-Ökonomen Clyde Prestowitz und John Prout vor. Nicht Hellas solle heraus aus dem Euro, sondern Deutschland. Das Problem läge nicht in relativ schwacher Wettbewerbsfähigkeit einiger Krisenländer, sondern in der deutschen Hyperwettbewerbsfähigkeit. Die freiwillige Rückkehr Deutschlands zur Mark würde sofort zu deren Aufwertung und einer Abwertung des Euro für die verbleibenden Staaten führen. Deutschland würde dadurch mehr kaufen und weniger verkaufen, im Rest der Eurozone wäre es umgekehrt. Recht haben Prestowitz und Prout damit, dass endlose Sparauflagen für Krisenländer keine Lösung sind, sie verschärfen soziale Unruhen und die politische Polarisierung. Die Risiken ihres Vorschlages lassen sie aber im Dunkeln.

** Aus: neues deutschland, Montag, 11. Juni 2012

In der wöchentlichen nd-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wirtschaftsprofessor Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.


Euro-Endspiel

Von Kurt Stenger ***

Dass Spanien und Italien am gestrigen Abend das erste Highlight der Fußball-EM liefern würden, war natürlich reiner Auslosungszufall. Aber dies hatte große Symbolkraft: In diesen beiden Ländern wird sich nämlich, wie das Wochenende ebenfalls zeigte, die vielleicht unwichtigste Hauptsache der Welt - das Schicksal der EU-Währungsunion - entscheiden. Das weiß man natürlich auch in den Hauptstädten der anderen europäischen Länder. Doch wie nach den Hilfsanträgen Griechenlands, Irlands, Portugals und wieder Griechenlands heißt es gerade aus Berlin wieder, damit sind alle schlechten Nachrichten verarbeitet und die Eurozone kann weitermachen wie bisher.

Erfolgreiches Durchmogeln mag es, wie das DFB-Spiel gegen Portugal zeigte, beim Fußball geben, nicht aber in der Finanzpolitik. Der Kapitalbedarf der spanischen Banken lässt sich vielleicht mit den grob veranschlagten 100 Milliarden Euro decken. Allerdings ist wegen der Immobilienkrise und der tiefen Rezession auch die Kassenlage der spanischen Regionen so miserabel, dass hier viel Geld benötigt wird, das der Zentralstaat nicht schultern kann. Und dann ist noch Italien: Wenn die Spekulanten sich nach dem Erfolg in Spanien auch dieses Land vorknöpfen, reißen alle Rettungsschirme.

Noch ist Zeit, neue Wege beim Krisenmanagement und der Ausgestaltung der Währungsunion insgesamt einzuschlagen. Wann Italien an der Reihe sein wird, ist nämlich noch unklar. Für dieses Euro-Endspiel gibt es an den Finanzmärkten bislang noch keine Terminansetzung.

*** Aus: neues deutschland, Montag, 11. Juni 2012 (Kommentar)


Zurück zur Spanien-Seite

Zur EU-Europa-Seite

Zurück zur Homepage