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Spaniens Regierung verweigert Friedensdialog

Zehntausende Basken demonstrieren gegen Razzien und neue Verhaftungen

Von Ralf Streck, San Sebastian *

70 000 Bewohner des spanischen Baskenlandes haben am Sonnabend in Bilbao gegen die Verhaftung von 18 Mitgliedern der Gefangenenhilfsorganisation Herrira (Nach Hause) protestiert.

»Tropfen für Tropfen, eine Flut für die Rechte politischer Gefangener und Flüchtlinge«, stand auf dem Transparent an der Spitze des Demonstrationszuges. Dahinter wurden ungezählte Plakate mit blauen Tropfen in die Höhe gehalten. Darin war das Herrira-Logo zu sehen: zwei Pfeile, die auf das Baskenland zielen. Sie symbolisieren die Forderung, die über ganz Spanien und Frankreich verteilten baskischen Gefangenen in ihre Heimat zu verlegen.

Ende September hatte die Guardia Civil 18 führende Herrira-Mitglieder verhaftet, denen »Mitgliedschaft in einer bewaffneten Vereinigung und Verherrlichung des Terrorismus« vorgeworfen wird. Tatsächlich unterstützt Herrira inhaftierte Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA und deren Angehörige.

Der Herrira-Anwalt Aiert Larrarte warf der Justiz vor, die Organisation durch die vorläufige Schließung ihrer Büros, durch Sperrung von Konten und Webseiten faktisch zu verbieten, um die »Solidarität mit politischen Gefangenen zu kriminalisieren«. Dies geschieht nach Auffassung baskischer Parteien und Gewerkschaften im Dienst der spanischen Regierung. Innenminister Jorge Fernández Díaz hatte Herrira als »Fangarm der ETA« und Nachfolger verbotener Organisationen bezeichnet.

Txiki Muñoz, Chef der Gewerkschaft ELA, warf der regierenden rechten Volkspartei (PP) vor, von wirtschaftlichen Problemen, unsozialer Kürzungspolitik und Korruptionsskandalen ablenken zu wollen. »Die PP ist zu allerhand fähig und benutzt dazu die Justiz«, sagte er in Bilbao.

Die ETA hatte vor zwei Jahren auf Druck der linken Unabhängigkeitsbewegung ihren bewaffneten Kampf eingestellt. »Weil wir einen gerechten Frieden verteidigen, die Wunden schließen und eine neue Etappe des Zusammenlebens öffnen wollen, müssen die Gefangenen und Flüchtlinge nach Hause kommen«, forderten namens der Demonstranten die Journalistin Maite Bidarte und der Schauspieler Carlos Olalla. Während das Strafrecht eine heimatnahe Strafverbüßung vorsieht, sind ETA-Häftlinge meist weit entfernt vom Baskenland inhaftiert.

Von einer Friedenskonferenz am kommenden Wochenende in Donostia-San Sebastian wird erwartet, dass die ETA weitere einseitige Schritte verkündet. Man hofft, dass sie unter Aufsicht internationaler Kontrolleure mit der Entwaffnung beginnt. Spanien verweigert sich bisher der Forderung, mit der Untergrundorganisation in einen Dialog über die Abgabe der Waffen und die Konfliktfolgen zu treten. Wie Pello Urizar, Chef der Baskischen Solidaritätspartei (EA), schließen viele Basen aus den jüngsten Festnahmen, dass »der spanische Staat an einem Frieden nicht interessiert« ist.

* Aus: neues deutschland, Montag, 7. Oktober 2013


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