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Verbote sollen den Baskenkonflikt lösen

Madrid lässt erneut zwei baskische Parteien von Regionalwahlen ausschließen

Von Ralf Streck, San Sebastian *

Wie erwartet hat der Oberste Gerichtshof dem Antrag der spanischen Regierung entsprochen und zwei weitere baskische Parteien verboten. D3M (Demokratie für drei Millionen) und Askatasuna (Freiheit) dürfen nicht an den Wahlen zum Regionalparlament der Autonomen Baskischen Gemeinschaft (CAV) am 1. März teilnehmen.

Die Staatsanwaltschaft habe genug Hinweise darauf geliefert, dass die beiden baskischen Parteien von der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) gesteuert würden, entschieden die Richter am späten Sonntagabend einstimmig. Schon zuvor hatte Ermittlungsrichter Baltasar Garzón Führungsmitglieder beider Formationen inhaftieren lassen. Da sie für ein unabhängiges und sozialistisches Baskenland eintreten, »vervollständigen sie die Strategie der ETA«, meinte er. Eine Verbindung zwischen Batasuna und der Untergrundorganisation ETA wurde allerdings nie bewiesen. Batasuna war aufgrund eines Parteiengesetzes verboten worden, das die Verurteilung der ETAAnschläge fordert.

Keinen Einfluss auf das neuerliche Verbotsurteil vom Sonntag (8. Feb.) hatte ein kritischer Bericht des UNO-Sonderbeauftragten für Menschenrechte. Letzte Woche zeigte sich der Finne Martin Scheinin »beunruhigt darüber, welche Vielfalt an Bestimmungen« des Parteiengesetzes solche Verbote ermögliche. »Schwammige« Formulierungen »können so interpretiert werden, dass sie auch auf jede politische Partei zutreffen, die mit friedlichen Mitteln ähnliche politische Ziele verfolgt wie terroristische Gruppen«. Scheinin hatte gefordert, die »vagen Formulierungen des Gesetzes an die internationalen Kriterien in Bezug auf die Einschränkung der Meinungsfreiheit anzupassen«. Auch die Strafrechtsbestimmungen zu Terrorismus seien zum Teil vage. Es komme dadurch zu einer »Ausweitung des Terrorismuskonzepts auf Handlungen«, die nicht in Verbindung zu schweren Gewaltakten stünden.

Trotz der Einstimmigkeit des Urteils wachsen auch im Obersten Gerichtshof die Bedenken, Parteien zu verbieten, weil sie für ähnliche Ziele wie die Untergrundorganisation ETA eintreten. Zumal sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit dem Batasuna-Verbot beschäftigt. Der UNO-Bericht hat die Besorgnis geschürt, dass die Straßburger Richter das Batasuna-Verbot kippen könnten, womit die folgenden Verbote von mehr als 600 Wählerlisten und Parteien hinfällig würden.

Mit Askatasuna wird nun eine Partei von Wahlen ausgeschlossen, die bereits seit 1998 legal im Wahlregister steht. 2001 kandidierte sie sogar in Konkurrenz zu Batasuna. Selbst die Richter des Tribunal Supremo gaben zu, dass es ihnen schwer fiel, Hinweise auf Batasuna-Verbindungen zu finden. Die 84 Kandidaten auf der Askatasuna-Liste waren in der Vergangenheit kaum öffentlich aufgetreten. Die Verteidiger beider Parteien werden umgehend Widersprüche beim Verfassungsgericht einlegen. Für die Formulierung haben sie ganze 48 Stunden Zeit, denn das Gericht muss noch vor Beginn des Wahlkampfs am Freitag um 0 Uhr endgültig entscheiden.

Die ETA selbst reagierte wesentlich schneller: Bereits wenige Stunden nach der Verkündung des Verbotsurteils meldete sie sich mit einer Autobombe in der spanischen Hauptstadt zu Wort. Der Sprengsatz explodierte am Montag um 9 Uhr in der Nähe des Madrider Messegeländes vor der Firma Ferrovial Agromán und richtete schweren Sachschaden an. Die Firma ist am Bau einer Schnellzugtrasse im Baskenland beteiligt, gegen die es großen Widerstand gibt. Fast 90 Minuten vor der Explosion hatte die ETA telefonisch vor der Bombe gewarnt. Die Polizei sperrte die Gegend daraufhin weiträumig ab, weshalb keine Verletzten zu beklagen sind.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Februar 2009


Anschlag in Spaniens Zentrum

Baskische ETA reagiert mit einer Autobombe auf das bevorstehende Parteienverbot

Von Ingo Niebel *

Um neun Uhr am Montag (9. Feb.) explodierte eine Autobombe im Messeviertel der spanischen Hauptstadt Madrid. Es entstand erheblicher Sachschaden. Menschen wurden nicht verletzt. Nach dem verheerenden Anschlag auf das Parkhaus des Flughafens Barajas im Dezember 2006, bei dem zwei Menschen starben, schlug die baskische Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) erstmals wieder im Zentrum des Zentralstaats zu. Dessen Oberstes Gericht hatte am Abend zuvor die potentielle Teilnahme zweier baskischer Parteien, die der linken Unabhängigkeitsbewegung nahestehen, verboten.

Knapp anderthalb Stunden vor der Detonation ging eine telefonische Warnung beim spanischen Roten Kreuz ein. Ein anonymer Anrufer gab an, er würde im Namen der ETA sprechen und informierte über den Ort und die Uhrzeit der bevorstehenden Explosion. Die Polizei evakuierte das Gebiet weiträumig und identifizierte einen Lieferwagen als potentielles Bombenauto. Der Knall der Sprengladung war in der ganzen Stadt zu hören. Eine schwarze Rauchfahne stand über dem Anschlagsort.

Am Sonntagabend (8. Feb.) hatte das Oberste Gericht den baskischen Linksparteien »Demokratie 3 Millionen« (D3M) und Askatasuna (Freiheit) verboten, an der Regionalwahl in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft am 1. März teilzunehmen. Das Urteil erging einstimmig. Die 16 Richter sahen es als erwiesen an, daß D3M eine Nachfolgeorganisation der verbotenen Batasuna (Einheit) sei und Askatasuna 1998 auf Anweisung der ETA gegründet wurde. Die Verteidigung versucht jetzt, vor dem Verfassungsgericht eine Aufhebung des Verbots zu erwirken. Damit wird sie aller Wahrscheinlichkeit nach scheitern.

Statt dessen wird wohl der Untersuchungsrichter an der Audiencia Nacional, dem Sondergericht für Terror- und Drogendelikte, Baltasar Garzón, am heutigen Dienstag den beiden Parteien ein Betätigungsverbot auferlegen. Diesen Maßnahmen folgt dann das endgültige Parteienverbot. Zwar hat die UNO diese Verbotspraxis offen kritisiert (jW, 9.2.), aber die spanische Mainstreampresse und Politik verschweigen den Bericht. Der UN-Sonderberichterstatter Martin Schenin warnte am vergangenen Freitag, daß das Madrider Parteiengesetz die Gefahr birgt, Verbote von politischen Organisationen über Gebühr auszudehnen. Es garantiere zudem nicht die nötige Rechtssicherheit.

Spaniens Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba (PSOE) hat diese Kritik bisher ignoriert. Der Sozialdemokrat meinte, der ETA-Anschlag rechtfertige sogar das jüngste Verbotsurteil. Auch der baskische Ministerpräsident, Juan José Ibarretxe (PNV), trat dem Chor derer bei, die von der ETA die Selbstauflösung forderten. Gleichzeitig sieht er aber in dem Urteil des Obersten Gerichts den Versuch, dem gesamtspanischen Lager einen Vorteil bei den Regionalwahlen zu verschaffen. Seit 1998 stützten die Parteien der linken Unabhängigkeitsbewegung den Christdemokraten. Damit scheint es vorläufig vorbei.

Die Wahlplattform D3M und Askatasuna planen für den Samstag (14. Feb.) eine Großdemonstration »Demokratie im Baskenland«.

** Aus: junge Welt, 10. Februar 2009


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