Zyperns letzte Chance
Mit der Wahl des neuen Präsidenten entscheidet sich die Zukunft der Insel
Von Christiane Sternberg, Nikosia *
Am Sonntag wählen die griechischen Zyprer ihren Präsidenten. Doch diesmal geht es um mehr als
ein neues Staatsoberhaupt. Sie stimmen ab über das Schicksal der gesamten Insel -- über
endgültige Teilung oder Wiedervereinigung. Wer als Sieger aus dem Rennen hervorgeht, muss sich
dieser seit Jahrzehnten verschleppten Frage konsequent stellen. Sonst trifft die politische Realität
die Entscheidung.
Im Hintergrund steht das gefürchtete Szenario, die Türkische Republik Nordzypern könnte
international anerkannt werden. Das Ansehen der türkischen Zyprer ist gestiegen, seit sie beim
Referendum vor vier Jahren dem Friedensplan von Kofi Annan zustimmten, der von den
Zyperngriechen mehrheitlich abgelehnt wurde. Seitdem gibt es weltweit Bestrebungen, die Isolation
des illegalen Staates aufzuheben. Inoffizielle Besuche internationaler Persönlichkeiten wie der von
Altkanzler Gerhard Schröder werden im Norden als kleine Siege gefeiert, gelten sie doch als Politik
der kleinen Nadelstiche auf dem Weg zur Anerkennung.
Unter diesen für ein einheitliches Zypern düsteren Vorzeichen agieren die
Präsidentschaftskandidaten im Süden. Neun Anwärter ringen um den höchsten Posten in der
Republik Zypern, doch nur drei von ihnen können sich Chancen ausrechnen. Der EU-Abgeordnete
und ehemalige Außenminister Yoannis Kasoulides, unterstützt von der rechten Partei DISY, punktet
mit dem Versprechen, direkt nach seiner Wahl Gespräche mit dem Präsidenten der Zyperntürken
beginnen zu wollen.
Absoluter Sympathieträger ist Parlamentspräsident Dimitris Christofias. Mit ihm schickt die linke
AKEL zum ersten Mal ihren eigenen Mann ins Rennen. Er hat angekündigt, einen letzten Versuch zu
unternehmen, die endgültige Teilung der Insel abzuwenden. Doch haftet ihm und seiner Partei der
Makel an, als Regierungspartner von Präsident Tassos Papadopoulos dessen Hardliner-Politik in
den vergangenen Jahren mitgetragen zu haben.
Zyperns Präsident in erster Wahlrunde ausgeschieden
Bei der Präsidentschaftswahl in Zypern ist Amtsinhaber Tassos Papadopoulos in der ersten Runde ausgeschieden. Nach dem im zyprischen Fernsehen veröffentlichten Endergebnis stehen sich am kommenden Sonntag (24. Februar) der kommunistische Parteichef Demetris Christofias und der konservative frühere Außenminister Joannis Kasoulides in der Stichwahl gegenüber. Demnach kam Papadopoulos auf 31,79 Prozent der Stimmen, Christofias erlangte 33,29 Prozent, und Kasoulides setzte sich mit 33,51 Prozent knapp an die Spitze.
Eine halbe Million Menschen waren am Sonntag (17. Februar) zu den Urnen gerufen. Es war die erste Präsidentschaftswahl seit dem Beitritt der Republik Zypern zur Europäischen Union 2004. Die Insel Zypern ist seit einem Putsch griechischer Nationalisten und einer anschließenden türkischen Militärintervention 1974 geteilt. Der türkische Nordteil der Insel wird nur von der Türkei anerkannt und ist international isoliert.
Agenturmeldung, 17. Februar 2008
Papadopoulos selbst bewirbt sich um weitere fünf Jahre als Präsident. Der Konservative aus den
Reihen der DIKO gilt als kompromissloser Verhandlungspartner und härtester Gegner des Annan-
Plans. Vor dem Referendum 2004 schwor er in einer denkwürdigen Fernsehansprache sein Volk
darauf ein, mit Nein zu stimmen, um die Republik nicht zu verraten. Die alten Fernsehbilder nutzt er
nun als Wahlwerbung und betont immer wieder: »Ich werde unter keinen Umständen eine
Wiederauflage des Annan-Plans oder eine Version dessen unter anderem Namen akzeptieren.«
Nordzypern und die Türkei dagegen halten am Annan-Plan fest. Die UNO und die EU haben sich
bereit erklärt, nach der Präsidentschaftswahl eine neue Initiative zu unterstützen. Sollte dieser
Versuch erneut scheitern, will Ankara die Souveränität der Türkischen Republik Nordzypern
vorantreiben. Dass zeitgleich die internationale Anerkennung eines unabhängigen Kosovo dieses
Vorhaben befördern wird, steht für viele außer Frage.
Keiner der Präsidentschaftskandidaten wird voraussichtlich am Sonntag im ersten Wahlgang die
erforderliche Mehrheit erringen. Laut Umfragen liegt Papadopoulos mit 34 Prozent vorn, gefolgt von
Christofias mit 33,5 Prozent und Kasoulides mit 30,5 Prozent. Die zwei Rivalen mit den meisten
Stimmen steigen eine Woche später erneut in den Ring. Scheidet Kasoulides aus, sind seine Wähler
das Zünglein an der Waage. Die Frage ist, ob die Unterstützer der DISY die tiefe Kluft zwischen
Rechts und Links überwinden, um dem Kommunisten Christofias ins Amt zu verhelfen.
Doch so wichtig die Wahl ist, so verhalten reagieren die politikmüden Wähler. Seit 34 Jahren treten
die Politiker auf der Stelle. Nichts ist aus einer Wiedervereinigung geworden. Die Rückkehr der
Flüchtlinge in ihre Häuser, aus denen sie bei der türkischen Invasion 1974 vertrieben wurden, blieb
bisher nur ein Versprechen. Und die besetzten Gebiete im Norden schicken sich an, ein offizieller
Staat zu werden. Erschreckende 60 Prozent der jungen Leute legen keinen Wert darauf, mit den
türkischen Zyprern zusammenzuleben. Viele von den Älteren haben die Hoffnung auf eine
Wiedervereinigung schon aufgegeben.
Niemand wagt eine Prognose für den Ausgang der Wahlen. Laut Umfragen endet die
Entscheidungsschlacht am 24. Februar hauchdünn für Christofias mit 0,2 Prozentpunkten vor
Papadopoulos. Guter Wille gegen Starrköpfigkeit -- so manifestiert sich der Machtkampf aus
internationaler Sicht. Die politische Unterstützung, die Zypern künftig erhält, wird sich nach dem
Sieger richten.
* Aus: Neues Deutschland, 16. Februar 2008
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