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Rettung für Steueroase

Nach politisch erwünschtem Regierungswechsel in Zypern: Euro-Gruppe stellt dem pleitebedrohten Mittelmeerstaat Hilfspaket in Aussicht

Von Dieter Schubert *

Zypern hat eine neue Regierung – und es scheint die in Brüssel und Frankfurt am Main gewünschte zu sein. Am Sitz von EU-Kommission und Europäi­scher Zentralbank (EZB) konnten die »Retter« nun endlich zur Tat schreiten. Am Montag traf sich das koordinierende Gremium des Währungsverbundes – die Konferenz der Finanzminister der Mitgliedsländer, auch Euro-Gruppe genannt – und versicherte den Verantwortlichen in Nikosia, bis Ende März werde ein Hilfsprogramm stehen. Die Vorbereitung sei schon vorangeschritten, hieß es in einer Erklärung nach der Sitzung der Gruppe am Montag in Brüssel. Die Arbeit an den Eckpunkten einer Vereinbarung sollte nun beschleunigt werden.

Noch nicht ganz offengelegt wurden die Modalitäten der Bezahlung dieser neuen Rettungssause. »Die Euro-Gruppe (…) vereinbarte, die politische Billigung eines Programms etwa für die zweite Märzhälfte anzustreben«, hieß es zum Abschluß der Tagung. Die Finanzminister wollen sich dann erneut treffen, um darüber rasch zu entscheiden.

Zypern ist pleite, weil seine Banken vor dem Bankrott standen und gerettet werden mußten. Doch allein konnte das kleine Land das nicht stemmen. Der Inselstaat hatte schon im Sommer um ein Kreditpaket der Euro-Zone und des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Volumen von 17 Milliarden Euro gebeten – eine Summe, die der gesamten Wirtschaftsleistung eines Jahres entspricht. Allerdings wollte die »Troika« (EU, EZB, IWF) dies nur unter den üblichen zerstörerischen Auflagen bewilligen, mit denen bereits Griechenland und Portugal in die Rezession gezwungen wurden.

Dagegen hatte sich der frühere Euro-Kommunist und Sozialdemokrat in Zyperns höchstem Staatsamt, Dimitris Christofias (AKEL) vehement gestemmt. Vor allem die geforderten Privatisierungen von Staatsbetrieben waren mit dem in Moskau ausgebildeten Staatspräsidenten nicht zu machen.

Geschäftsmodell

Ein weiteres Problem war und ist das Geschäftsmodell des Inselstaates: Steueroase. Im Dumpingwettlauf mit anderen Paradiesen für zahlungsunwillige Einkommensmillionäre hatte Zypern zwischenzeitlich den Vogel abgeschossen und günstigste Bedingungen kombiniert mit Sonne, Strand und Meer offeriert. Welcher Geldhai wollte da noch in die Slowakei und nach Irland flüchten, wenn es am Geburtsort der Aphrodite viel komfortabler war? Die Regierung manches EU-Staates mit Durchschnittssteuersätzen konnte sich deshalb nur schwer für eine Rettung des kleinen Steuerpiratennestes im östlichen Mittelmeer erwärmen.

Das aber wollte man aus diplomatischer Räson nicht so klar formulieren. Deshalb einigten sich Deutschland, Österreich und andere Euro-Länder darauf, die Regierung in Nikosia zum Vorgehen gegen Geldwäscher zu bewegen. Auch dies betrachtete das Kabinett Christofias als Einmischung in die Souveränität des Landes, und es gab kaum Annäherungen. Doch die kürzlich neu gewählte konservative Administration sieht das offenbar anders. Finanzminister Michael Sarris sagte am Montag zu, Zypern werde von unabhängigen Experten prüfen lassen, ob die geltenden EU-Vorschriften gegen Geldwäsche von den Banken auf der Insel auch eingehalten würden. Das macht es den »Rettern« leichter, das nächste Leck im Euro-Dampfer zu verlöten.

Es wird geprüft

Troika-Abgesandte sollen bald nach Nikosia reisen, um die Details des Hilfsprogramms auszuhandeln. Diese seien aber noch umstritten, wie EU-Diplomaten sagten – also Gegenstand weiteren Gefeilsches. Sowohl unter den Euro-Staaten als auch unter den drei beteiligten Institutionen gebe es noch Gesprächsbedarf. Ein kritischer Punkt ist, ob die Gläubiger oder Kunden der Banken an den Kosten beteiligt werden sollen. Dafür setzt sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hinter den Kulissen ein. Denn viele »Anleger«, vor allem aus Rußland, haben hohe Beträge bei zypriotischen Banken gehortet. Das macht es offenbar schwerer als sonst, eine Zustimmung zu neuen Milliardenkrediten im Deutschen Bundestag zu erreichen.

Auch die Wunschregierung unter dem frischgewählten Staatspräsidenten Nikos Anastasiadis lehnt eine solche Beteiligung des Anleger ab. Motto: Das scheue Reh Kapital soll nicht verschreckt werden – und womöglich auf die Kanalinseln oder in die Karibik flüchten. Außerdem ist das Problem Zyperns im Grunde ein griechisches: Die großen Banken der Insel waren extrem in die Finanzierung des hellenischen Staates involviert und mußten nach dessen finanziellem Kollaps und vor allem nach dem Schuldenschnitt schwere Verluste hinnehmen. Es gäbe keine dümmere Idee als diese, sagte Sarris vergangene Woche.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 6. März 2013


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