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Geschenkte Kredite

Rußland sorgt sich um Zyperns Bankgroßkunden, EZB-Chef rüffelt Schäuble: Streit um "Rettung" des Euro-Landes mit Milliardenkrediten geht weiter *

Zypern bleibt weiter ein Streitfall. Innerhalb der EU und der Währungsgemeinschaft herrscht alles andere als Einigkeit, wie mit der Rekordverschuldung des Euro-Mitgliedstaates umgegangen werden soll.

Während die Befürworter eines erneuten Bailouts (Rettung, Heraushauen) – beispielsweise mit der Gewährung von Notkrediten aus den Euro-»Rettungsfonds« – auf baldige Beschlüsse drängen, sehen andere keinen direkten Handlungsbedarf von Euro-Gruppe oder EU. Statt der offiziell nicht erlaubten Weiterfinanzierung eines überschuldeten Mitgliedslandes setzen sie auf ein stärkeres Engagement Moskaus. Der Grund: Es sind hauptsächlich wohlhabende Russen, die in der Steueroase Zypern große Mengen an Geld gebunkert haben.

Einem Bericht des Spiegel zufolge hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bei dieser Streiterei den Unmut des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB, Mario Draghi) zugezogen. Der EZB-Chef soll beim Finanzministertreffen Anfang vergangener Woche einer Einschätzung Schäubles widersprochen und diesen als Nichtfachmann bezeichnet haben. Deutschlands Staatskassenvorsteher habe die Inselrepublik als nicht »systemrelevant« bezeichnet. Deshalb berge eine Pleite des Landes keine Gefahr für das Überleben der Euro-Zone. Draghi habe daraufhin gesagt, so etwas höre er allerorten von Juristen. Die Frage, ob Zypern systemrelevant sei oder nicht, sei aber keine, die Juristen beantworten könnten. Das sei Sache von Ökonomen. Schäuble ist promovierter Jurist.

Unterstützung habe Draghi dem Blatt zufolge von EU-Währungskommissar Olli Rehn sowie dem Chef des Europäischen Rettungsschirms ESM, Klaus Regling erhalten – beide ausgesprochene Befürworter der Bailout-Taktik. Nach ihrer Ansicht würde eine Pleite Zyperns dazu führen, daß die Krise der Insel jene Griechenlands verschärfen würde. Die zwei größten Banken Zyperns seien stark im hellenischen Schwesternstaat engagiert, so daß bei einer Verschärfung der Lage Griechenland ein schwerer Rückfall drohe. Nach Ansicht der drei Spitzenfunktionäre würde eine Bankrotterklärung Nikosias die (vorübergehende) Beruhigung der Euro-Zone beenden.

Zypern hat offiziell Notkredite beantragt, weil wegen der massiven Schieflage seines Bankensystems und der bereits geleisteten »Hilfen« für dessen Stabilisierung die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit bestehe. Rund 17 Milliarden Euro braucht das Land demnach, um nicht den Bankrott erklären zu müssen. Kritiker sind schlicht der Ansicht, daß die Republik Zypern niemals imstande sein werde, diese Summe plus Zinsen zurückzuzahlen. Die in Rede stehende Hilfssumme entspricht fast genau ihrem (jährlichen) Bruttoinlandsprodukt. Im Grunde bedeutet das eine Schenkung aus Mitteln, die letztlich von EU-Steuerzahlern aufgebracht werden. Wer Zypern dieses Geld gibt, sieht zumindest große Teile davon nie wieder. Und es ist natürlich kein Geld für den Staat Zypern, sondern für Banken und deren Anleger. Denen wird, ähnlich wie bei den anderen »Rettungsaktionen« (Griechenland, Spanien, Portugal, Irland), das Risiko genommen, um es dem Steuerzahler aufzubürden.

Auch Rußlands Regierung sorgt sich um ihre »Sparer« – was nicht erstaunen dürfte. Ministerpräsident Dmitri Medwedew zeigte sich zwar bereit, Zypern weiterhin zu helfen, allerdings nicht im Alleingang. Er warnte davor, auch die Anleger bei den Banken bei der Lösung der Probleme zur Kasse zu bitten. »Natürlich wäre es schlecht«, wenn diese »Geld verlieren«, sagte er. Jetzt müsse aber erst einmal die EU ihre Forderungen an das Land formulieren.

»Wir denken, daß die größte Last für die Lösung dieser Probleme von Zypern und den EU-Staaten übernommen werden sollte«, schob der Regierunschef die Verantwortung an die »Schicksalsgemeinschaft« (Guido Westerwelle) weiter, wie das Handelsblatt am Montag berichtete. »Doch wir weigern uns nicht, unter bestimmten Umständen zu helfen.« Erst müßten aber von der EU die Bedingungen für eine Unterstützung vereinbart werden.

»Früher kann es von uns kein Geld geben«, sagte Medwedew. Rußland habe Zypern schon 2011 mit einem Kredit im Umfang von 2,5 Milliarden US-Dollar geholfen.

Zyperns Hilfeersuchen liegt derzeit in Brüssel auf Wiedervorlage. Euro-Gruppe und EU-Kommission wollen offenbar den am 24. Februar stattfindenden zweiten Wahlgang zur Präsidentenwahl abwarten. Das Kalkül dabei: Dem aus dem Amt scheidenden Präsidenten und früheren Kommunisten Dimitris Christofias könnte der konservative Kandidat Nicos Anastasiades nachfolgen. Der dürfte eher als Cristofias geneigt sein, die an derartige »Hilfsprogramme« gekoppelten Auflagen zu akzeptieren.

Aus: junge Welt, Dienstag, 29. Januar 2013


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