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Betteln für die Banken

Zypern beantragt Hilfen bei Rettungsfonds / Spanische Institute herabgestuft

Von Kurt Stenger *

Rettet uns, damit wir unsere Banken retten können – kurz vor Beginn des EU-Gipfels in dieser Woche schlüpft Zypern als fünftes Euroland unter den Rettungsschirm.

Nach Spanien hat nun auch Zypern wegen des Kapitalbedarfs heimischer Kreditinstitute einen förmlichen Antrag auf Finanzhilfen aus den EU-Rettungsfonds gestellt. Die zyprische Regierung begründete dies am Montagabend mit den Auswirkungen der Griechenland-Krise. Unklar ist bisher die Höhe des Hilfsantrages. »In den nächsten Tagen werden Experten der EU nach Zypern kommen, um zu sehen, was wir brauchen«, erklärte Regierungssprecher Stefanos Stefanou am Dienstag. Zyprische Medien bezifferten den Bedarf auf sechs bis zehn Milliarden Euro.

Zypern ist nach Griechenland, Irland, Portugal und Spanien das fünfte Euro-Mitglied, das ein Rettungsprogramm braucht. Die drittkleinste Volkswirtschaft im Währungsraum übernimmt am 1. Juli den EU-Ratsvorsitz. Aus Brüssel hieß es, noch sei offen, ob Zypern nach dem Vorbild Spaniens nur um Unterstützung für die Sanierung seines Bankensektors oder für den Gesamthaushalt bitte. Davon seien die Auflagen abhängig. In Nikosia wird bereits mit der Verkündung von Sparmaßnahmen durch die Regierung gerechnet.

Zyperns Banken halten eine große Zahl griechischer Anleihen und haben beim Nachbarn viele Kredite an Unternehmen vergeben. Gleichzeitig leidet die Inselrepublik an einem Einbruch der Exporte nach Griechenland. Zypern hatte bereits im Dezember einen russischen Staatskredit in Höhe von 2,5 Milliarden Euro erhalten. Auch jetzt gibt es Pläne, Drittländer wie Russland oder China anzupumpen. »Wir untersuchen parallel auch die anderen Optionen«, sagte Regierungssprecher Stefanou. Russische Konzerne haben viel Geld bei zyprischen Banken angelegt.

Derweil wird für die angeschlagenen spanischen Banken die Kapitalbeschaffung teurer. Die Ratingagentur Moody's stufte die Bonität von insgesamt 28 zumeist kleineren Instituten herab; betroffen sind aber auch die Branchenriesen Banco Santander und BBVA. Die spanischen Banken leiden unter der wirtschaftlichen Schwäche des Landes und der Immobilienkrise. Vor allem einige Regionalbanken rutschten auf Ramschniveau ab.

Die strengen Sparprogramme zur Eindämmung der Krise gefährden in den Augen vieler Mitglieder des Europarates die soziale Absicherung der Bevölkerung. Die Versammlung solle ein »starkes Signal« an die Regierungen der 47 Europaratsländer senden, um Ausgabenkürzungen im sozialen Bereich wie bei Renten, im Gesundheitswesen und in der Familienpolitik zu stoppen. Das sagte der deutsche Berichterstatter der Versammlung, Andrej Hunko von der Vereinigten Europäischen Linken, am Dienstag in Straßburg.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Juni 2012


Zurück auf Los

Von Kurt Stenger **

Wenn man Bundeskanzlerin Angela Merkel glaubt, ist es mit der Euro-Krise alles ganz einfach: Einige Mitgliedsländer haben über ihre Verhältnisse gelebt und zu hohe Schulden angehäuft; daher müssen sie jetzt den Gürtel enger schnallen, dann wird alles wieder gut. Und damit dies so bleibt, sollen sich alle verpflichten, künftig ganz sparsam hauszuhalten.

Die Anträge Spaniens und Zyperns auf Rettungsgelder für ihre strauchelnden Banken zeigen, dass diese Sichtweise völlig verkürzt ist, weshalb die getroffenen Maßnahmen auch nicht wirken können. Die Staatsschuldenkrise im Euroraum war nicht Auslöser der Probleme, sondern selbst nur Folge einer tiefen Systemkrise, in die sich die Finanzmarktakteure vor Jahren hineinmanövriert haben. Dass Banken heute immer noch in der Lage sind, ganze Staaten mitzureißen, und mit Hilfe von Steuermitteln gerettet werden sollen, macht doch vor allem eines deutlich: Die strenge Regulierung des Finanzsektors und seiner hochspekulativen Produkte wurde nicht angepackt. Da muss man sich auch nicht wundern, dass einige Euroländer von einer Bankenkrise heimgesucht werden.

Beim anstehenden EU-Gipfel kommt man nicht umhin zuzugeben, dass es nicht nur um eine Staatsschuldenkrise geht. Nun sollen mit einer Wachstumsinitiative die Folgen der Sparprogramme begrenzt werden. Auch eine Bankenunion ist im Gespräch. Statt an immer neuen Rädchen zu drehen, wäre »zurück auf Los« die bessere Variante. Dann könnte man endlich auch mal die EU-Bürger mitnehmen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. Juni 2012 (Kommentar)


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