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Kein Brückenschlag auf Zypern

Annäherungsversuch der türkischen Seite stößt auf Ablehnung

Von Jan Keetman, Istanbul *

Zypern wäre nicht Zypern, wenn irgendetwas voranginge. Alles begann mit einer Geste des Präsidenten der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern, Mehmet Ali Talat. Der Nachfolger des beinharten Nationalisten Rauf Denktasch wollte eine Barrikade zwischen Türken und Griechen in der Ledra-Straße beseitigen. Die Ledra-Straße war einst das pulsierende Herz der Inselhauptstadt Nikosia.. 1963 wurde hier die erste Barrikade zwischen einem türkischen und einem griechischen Stadtviertel errichtet.

Nun steht ein Streifen an der Demarkationslinie unter der direkten Kontrolle des türkischen Militärs. Griechen hätten also durch türkisches Militärgelände gehen müssen, um auf die türkisch kontrollierte Seite zu kommen. Talat ließ kurzerhand eine Fußgängerbrücke über den Streifen Militärgelände bauen. Die Idee gefiel dem griechischen Präsidenten Tassos Papadopoulos gar nicht. Er forderte die Beseitigung der Brücke. Es wäre Griechen nicht zumutbar, über von türkischem Militär kontrolliertes Gebiet zu gehen. Die Barrikade auf der griechischen Seite werde nicht geöffnet, es sei denn, es werde eine Lösung ohne Brücke gefunden.

Auf der türkischen Seite unterstellt man dem Veteranen des griechischen Patriotismus auf der Insel noch weitere Motive für seine Weigerung. Im türkischen Teil ist der Lebensstandard wesentlich niedriger, und folglich sind es auch Löhne und Preise. Eine weitere Öffnung der Demarkationslinie über den Übergang am Ledra Palace würde daher griechischen Geschäften Konkurrenz machen, den Türken aber nützen. Außerdem lässt die Beseitigung von Stacheldraht und Barrikaden auch den Status quo auf der Insel eher als einen normalen Zustand erscheinen. Papadopoulos möchte schließlich lieber die EU-Karte spielen als eine Politik der Annäherung in kleinen Schritten zu betreiben.

Also beschloss Talat, seine Brücke wieder abreißen zu lassen. Es gab sogar schon einen Termin am Donnerstag letzter Woche. Doch daraus wurde nichts.

Das türkische Militär teilte nämlich mit, es werde die Brücke unter Polizeischutz stellen und jeden festnehmen lassen, der Anstalten mache, sie abzureißen. Dazu muss man wissen, dass die Polizei in der von Ankara als selbstständiger Staat anerkannten Türkischen Republik Nordzypern nicht dem Innenministerium, sondern dem türkischen Militär untersteht.

Talat reiste nach Ankara, um mit der Regierung und Generalstabschef Yasar Büyükanit zu sprechen. Doch Büyükanit blieb hart. Dabei beruft sich der Generalstabschef nicht auf Sicherheitsbedenken, sondern auf ein politisches Axiom: Die türkische Seite soll keine ersten Schritte unternehmen. Am Montag hieß es, Außenministerium und der Generalstab hätten sich auf eine Formel geeinigt. Die Brücke werde nicht sofort, aber »bald« abgerissen werden. Ein Zeitpunkt wurde nicht genannt.

* Aus: Neues Deutschland, 10. Januar 2007


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