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Rückkehr zum bewaffneten Kampf?

Hunderttausend Saharaouis warten vergeblich auf Referendum - Marokko mauert

Im Folgenden dokumentieren wir zwei kurze Texte von Ralf Streck, die sich mit der aktuellen Situation in Westsahara und der unnachgebigen Haltung Marokkos befassen.



Druck auf Marokko steigt

Nachdem die US-Außenministerin Condoleezza Rice erstmals Marokkos wegen fehlender Freiheiten kritisierte, traute sich der spanische Ministerpräsident Schritte in der Westsahara-Frage zu fordern. José Luis Rodríguez Zapatero hat das Königreich am Donnerstag aufgefordert, die Gebiete zu öffnen, die Marokko nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht 1975 besetzt hält. Zapatero forderte beim Besuch des marokkanischen Ministerpräsidenten Driss Jettu in Madrid, König Hassan II solle endlich Beobachter in die besetzten Gebiete lassen. „Im Rahmen der UNO muss eine sofortige Lösung“ für die Westsahara gefunden werden, fügte er weiter an.

Seit dem Ausbruch der „Intifada“ am 21. Mai in El Aiun, Verwaltungshauptstadt der von Marokko besetzten Gebiete, hat Marokko das Gebiet abgeschottet. Journalisten und Delegationen spanischer Politiker wird seither die Einreise verweigert. Das verstärkte die Furcht, dass die Repression gegen die Saharaouis, die in dem Gebiet nun Minderheit bilden, mit großer Gewalt weiter geht, wie sie zur Niederschlagung der Proteste eingesetzt wurde. Die Gewalt geht vor allem von der neu geschaffene marokkanischen Polizeieinheit „Groupes Urbaines de Securite“ aus. Sie wird für viele verletzte Demonstranten und willkürliche Verhaftungen, Folter und auch Vergewaltigungen verantwortlich gemacht. Bilder die ins Internet gelangten, sprechen eine deutliche Sprache: Verwüstete Wohnungen, misshandelte Frauen und Jugendliche. Einige Personen sind noch immer verschwunden. Am Montag wurden erneut 18 Personen verletzt, vier davon Schwer, als die Polizei brutal gegen eine Demonstration der Saharaouis in Dajla (600 Km südlich von El Aiun) vorging. Urteile vor marokkanischen Gerichten zeigen an, wie Marokko gegen die Saharaouis vorgeht. Die Intifada hatte sich an der Verlegung und Folter eines Gefangenen entwickelt, der zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, weil er ein Bild des Königs zerrissen hatte. Am Montag wurden per Schnellverfahren drei Saharaouis zwischen 15 und 20 Jahren Haft verurteilt, weil sie sich an Protesten beteiligt hatten. Angeblich waren sie an einer „bewaffneten Kundgebung“ beteiligt und hätten eine „kriminelle Bande“ zur Sabotage öffentlicher Einrichtungen gebildet. Am 5. Juli wird gegen 16 Personen verhandelt, die am 24. Mai verhaftet wurden.

Die Lage spitzt sich auch in den Wüstenlagern in Algerien zu, wo mehrere Hunderttausend Saharaouis seit 1991 auf das versprochene Referendum über die Unabhängigkeit der Westsahara warten. Die Mehrheit will zum bewaffneten Kampf zurückkehren. Die Befreiungsfront Polisario sieht darin die einzige Möglichkeit, um internationalen Druck zu erzeugen. Fast 15 Jahre gelingt es der UNO-Mission zur Überwachung des Referendums nicht, Marokko zur Durchführung zu zwingen.

Ralf Streck, Donostia-San Sebastián, den 01.07.2005


Unterdrückung in der Westsahara hält an

Die Repression Marokkos in den besetzten Gebieten der Westsahara geht unvermindert weiter. In der Verwaltungshauptstadt dieser Gebiete, El Aiun, wurden am Dienstag 12 neue Urteile im Rahmen der Proteste gegen die Besatzer gefällt, die am 21. Mai dort begonnen hatten. Das Strafgericht verurteilte 12 junge Saharaouis zu Haftstrafen zwischen zwei und acht Jahren, weil sie für die Unabhängigkeit der Westsahara demonstriert hatten, die nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht von Marokko 1975 besetzt wurden. Das Gebäude war von der Polizei abgeriegelt worden, um Solidaritätsbekundungen im Keim ersticken zu können. Vier Jugendliche wurden frei gesprochen. Alle Urteile basierten auf einem Konstrukt der Polizei, sagte der Verteidiger Bazide Lahmad. Demnach hätten sie eine „kriminelle Bande“ gegründet und sich an einer „bewaffneten Versammlung beteiligt“. So nennt die Staatsanwaltschaft die Demonstrationen, die sich an der Folterung und Verlegung von Mohamed Hadi entwickelt hatten. Der war zuvor zu 12 Jahren Haft verurteilt worden, weil er ein Bild des marokkanischen Königs zerrissen hatte.

Lahmad machte auf den politischen Charakter der Urteile aufmerksam. Als der Prozess begann, rief die Mehrheit der Angeklagten Slogans für die Unabhängigkeit der Westsahara und bestritt die Legitimität Marokkos, über sie zu urteilen. „Die Urteile stehen im direkten Zusammenhang dazu“, sagte der Anwalt. „Alle wurden frei gesprochen, die nicht gerufen haben“. Alle anderen seien verurteilt worden. Der Anwalt beklagte auch Misshandlungen der Beschuldigten.

So wurden nun 21 Personen für die Proteste verurteilt und sind bisher 124 Jahre Haft verteilt. Worden. Letzte Woche wurden für die gleichen „Vergehen“ drei Personen Strafen zwischen 15 und 20 Jahren Haft verurteilt. Fielen die Urteile milder aus, weil sich international der Druck auf Marokko verstärkt? Nun hat auch die spanische Regierung Marokko kritisiert, weil das Land seit 1991 das Referendum über die Unabhängigkeit verhindert, das Basis der Waffenruhe mit der Befreiungsfront Polisario war. Einen geplanten Besucher hat Madrid abgesagt, weil Marokko seit Mai allen Delegationen und Journalisten die Einreise in die besetzten Gebiete verweigert, die sich ein Bild über die Lage der Saharaouis machen wollten.

Ralf Streck, Donostia-San Sebastian, den 13.07.2005


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