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Polisarios Hilferuf

Vierte Verhandlungsrunde zur Westsahara unter UN-Moderation gescheitert

Von Gerd Schumann *

Ließ Ahmed Boukharis in seinem Statement Ratlosigkeit durchklingen? An die Vereinten Nationen gewandt, erklärte Polisarios UN-Vertreter am Dienstag abend (18. März) in Manhasset nahe New York: »Wir brauchen glaubhafte Hilfe vom Sicherheitsrat, um sichergehen zu können, daß es nicht zu einem neuen Scheitern der UN-Bemühungen kommt.«

Kurz zuvor war die vierte Verhandlungsrunde zur Zukunft der Westsahara zu Ende gegangen, und die Beteiligten hatten sich erstmals nicht auf einen Fortsetzungstermin festgelegt. UN-Vermittler Peter van Walsum, persönlicher Gesandter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und zugleich Moderator der Verhandlungen zwischen der westsahrauischen Befreiungsbewegung Frente Polisario und dem Königreich Marokko unter Beteiligung der Nachbarländer Algerien und Mauretanien, konnte lediglich verkünden, daß sich beide Parteien erneut treffen wollten – wann auch immer. Boukhari: »Wir rechnen nicht mit einem baldigen Termin.«

Ob die Posse, die Marokko auf höchstdiplomatischer Ebene seit knapp einem Jahr aufführt, tatsächlich in einer fünften Verhandlungsrunde fortgesetzt werden wird, bleibt offen. Sie hatte am 10. April 2007 begonnen, als das maghrebische Königreich im Sicherheitsrat einen Vorschlag einbrachte, der für die Frente unannehmbar war. Er sieht vor, daß in den seit 1975 von Marokko besetzten Gebieten der Westsahara ein Referendum durchgeführt wird, in dem lediglich über den bedingungslosen Anschluß an Marokko oder eingeschränkte Autonomierechte im Rahmen des Königreichs abzustimmen ist. Und also nicht mehr über die in den UN-Resolutionen 1754 und 1783 zwingend vorgeschriebene Frage nach der Unabhängigkeit des Landes.

Während der dreitägigen Verhandlungen in Manhasset spielte der Vertreter Marokkos weiter die Rolle des Provokateurs. Man selbst habe »guten Willen« gezeigt, doch hätten die anderen Parteien »keinerlei positive Signale zur Lösung des Sahara-Thema erkennen« lassen, so der marrokanische »Innenminister« Chakib Benmoussa. Man müsse sich wundern, »daß wir die Verhandlungen überhaupt aushalten«. Ob die Frente Polisario die Arroganz der Gesandten von König Mohammed VI. weiter aushält? Die Forsetzung ihres 12. Kongresses ist für Mitte des Jahres, für Juni oder Juli, ins Auge gefaßt. Dort geht es um eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes – ein heikles Thema, zu dem während des ersten Kongreßabschnittes im Dezember 2007 kein Beschluß zustande kam.

Damals wurde gefragt, welche Alternative es zu einem neuerlichen Waffengang überhaupt gäbe, wenn Marokko bei seiner starren Haltung bliebe. Am Dienstag nun, direkt nach Verhandlungsrunde vier, konstatierten ausnahmslose alle Beobachter in Manhasset keinerlei »bemerkbaren Fortschritt« – ein Zustand, der Rabat in die Hände spielt. Der König kann uneingeschränkt auf die Unterstützung der USA und die ehemaligen Kolonialmächte in der Region, Frankreich und Spanien, bauen, derweil die Frente lediglich auf die Underdogs der unipolaren Weltordnung setzen kann. Das ist ebenso bekannt wie die wachsende Ungeduld der bis zu 200000 westsahrauischen Flüchtlinge in den Lagern nahe Tindouf/Algerien. Deren Lage verschlechtert sich adäquat zur Dauer ihres Exils.

Ahmed Boukharis Hilferuf an die UN am Dienstag (18. März) zeigt seine Ratlosigkeit.

* Aus: junge Welt, 20. März 2008


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