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Unruhen in West-Papua

Beitrag aus dem Informationsbrief des West Papua Netzwerks

Im Folgenden dokumentieren wir den jüngsten Informationsbrief des West Papua Netzwerks* (E-Informationsbrief Nr. 174 vom 20. März 2006).



Am 16. März 2006 fand vor dem Campus der Cenderawasih Universität in Abepura eine Demonstration statt. Die indonesischen Sicherheitskräfte versuchten zunächst die Versammlung durch den Einsatz von Tränengas aufzulösen. Das ließen sich die Demonstranten aber nicht gefallen und daraufhin griffen sie die Sicherheitskräfte an, wobei drei Polizisten und ein Marinesoldat getötet wurden. Einige der Leichen wurden dann auch noch von der Masse geschändet. Es wird angenommen, dass etwa 20 weitere Angehörige der Sicherheitskräfte verletzt wurden. Auf der Seite der Demonstranten wurden zwei Studenten angeschossen. Ishak Usmani erlitt eine Schusswunde im linken Oberschenkel; Danob Matius Wanimbo wurde in der Brust verletzt. Sie wurden in das Krankenhaus Dian Harapan in Waena gebracht Mehrere Demonstranten wurden festgenommen.

Die Proteste dauerten auch in den folgenden Tagen an. Die Demonstranten bauten Barrikaden und blockierten die Straßen. Es wurden Autoreifen angezündet.

Gefordert wurde unter anderem die Schließung der Bergbauaktivitäten des Großunternehmens PT. Freeport McMoRan in Timika, West-Papua. Freeport gewinnt seit fast 40 Jahren im Jayawijaya-Gebirge im Hinterland des Landkreises Mimika im traditionellen Stammesgebiet der Amungme in großem Stil Kupfer, Gold und Silber. Ausgelöst durch das Verbot für lokale Goldsucher, sich aus dem Fluss die restlichen Klümpchen zu schürfen (siehe E-Info Nr.173 vom 1. März 2006), gab es blutige Zusammenstöße zwischen den indonesischen Sicherheitskräften und indigenen Papuas in Tembagapura und Solidaritätsproteste in mehreren Städten. Die Proteste nahmen weiter zu, als am 15. März ein Rohrbruch eine schlimme Umweltverschmutzung auf dem Freeportgelände verursachte. In Jakarta forderten die Demonstranten vor der Zentrale von Freeport, dass das aus New Orleans geführte Unternehmen seine Aktivitäten in West Papua stoppen solle. Freeport wird beschuldigt, die Umwelt auf massive Weise verschmutzt zu haben, die Rechte der Papuas nicht zu respektieren und den Sicherheitskräften riesige Summen an Schutzgeldern gezahlt zu haben.

Die Atmosphäre wurde auch durch einen anderen Faktor angeheizt: Am 11. März fand die Wahl des Gouverneurs von „Irian Jaya Barat“ statt, obwohl der rechtliche Status der unter vielen Protesten von Papua abgespaltenen Provinz noch nicht geklärt ist. Eine Mehrheit der indigenen Papuas lehnen diese Provinz ab. Die Wahl des Gouverneurs, ein ehemaliger hoher Militär, wird von den Papuas als eine Nichtbeachtung des Sonderautonomiegesetzes interpretiert.

Mindestens 73 Studenten sollen bereits verhaftet worden sein. Es gelangten Meldungen an die Öffentlichkeit, dass sie, mindestens in den ersten Tagen, gefoltert wurden. Obwohl sie inzwischen ihre Anwälte sprechen durften, wird weiterhin befürchtet, dass sie im Gefängnis misshandelt werden. Die Sicherheitskräfte haben mindestens ein Studentenheim total zerstört und sind gewaltsam in andere Studentenwohnungen eingedrungen. Einigen Reportern sollen sie Laptops und Kameras zerstört haben, als sie auf dem Weg zum Flughafen aus dem Auto gezerrt wurden.

Obwohl es sehr zu bedauern ist, dass Beamte der Polizei und der Marine bei den Unruhen in West-Papua ihr Leben verloren haben und andere verletzt worden sind, ist die gewaltsame Reaktion gegen die Bevölkerung, die den Charakter von Racheaktionen angenommen hat, höchst unprofessionell und kontraproduktiv. Es ist zu begrüßen, dass die lokalen Sicherheitskräfte bereits eine Rüge aus Jakarta erhalten haben. (Der Brimob-Kommandant von Papua wurde kurzerhand abgesetzt). Auch hat der Polizeichef sich bei den Journalisten wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen sie entschuldigt. Dies kann aber kein Freibrief für die andauernde brutale Vorgehensweise der Sicherheitskräfte gegen die Zivilbevölkerung sein.

Die Situation in Jayapura bleibt weiterhin sehr gespannt. Es gibt regelmäßige Straßenkontrollen. Die Polizei fährt durch die Straßen und schießt regelmäßig zur Einschüchterung der Menschen in die Luft. Mindestens drei Bürger, darunter zwei Kinder, sollen am 17. März auf der Straße von der Polizei angeschossen worden sein. Die Polizei soll eine regelrechte Jagd auf Studenten und Jugendliche aus dem Hochland, die sich in Jayapura aufhalten, betreiben. Ein Beobachter in West-Papua schreibt: „Alle haben Angst vor Kontrollen und Verhaftungen. Einige Studenten der Hochschule sind in Polizeigewahrsam, wir wissen aber nicht genau wer und wie viele.“

Am 19. März erklärte der Koordinierungsminister Widodo AS in Jakarta, dass die Freeport-Minen nicht geschlossen würden. Dies wäre ein viel zu großer wirtschaftlicher Schaden für Indonesien (Freeport ist der größte Steuerzahler der Republik). Obwohl die Regierung das Sozialverhalten Freeports überprüfen werde (social audit), werden die Sicherheitskräfte weiterhin in aller Härte vorgehen, um die Ordnung in West-Papua wiederherzustellen. Papua-Menschenrechtler berichten, dass inzwischen zusätzliche Truppen in Hercules-Flugzeugen aus Makassar eingeflogen werden. (uh)

Quellen:
  • Mehrere direkte Kontakte in West-Papua;
  • ELSHAM Papua;
  • Up-dates SKP Jayapura;
  • Berichte von Fransiscans International, Genf;
  • New from TAPOL, the Indonesia Human Rights Campaign, UK;
  • Berichte von Uniting International Mission Uniting Church in Australia

* West Papua Netzwerk, Koordinationsstelle
Rudolfstr. 137, 42285 Wuppertal
E-mail: west-papua-netz@vemission.org
Website: www.west-papua-netz.de



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