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"Wir machen uns große Sorgen um die Sicherheit der Inhaftierten"

Polizisten schlagen vor dem Gefängnis von Abepura (West-Papua) auf inhaftierte Papua ein - Protest der Kirche *

Gestern, am Montag den 28. August 2006, gab es vor dem Gefängnis von Abepura einen gewalttätigen Überfall einer Gruppe Polizisten auf inhaftierte Papua, die als Zeugen an einer Gerichtssitzung teilgenommen hatten. Bei den Inhaftierten handelt es sich um neun Papua, die wegen einer blutigen Demonstration am 16. März 2006 in Abepura, bei der 5 Mitglieder der indonesischen Sicherheitskräfte und zwei Demonstranten getötet worden waren, unter Anklage stehen bzw. bereits zu hohen Haftstrafen verurteilt worden waren. Bei den Polizisten handelte es sich um mindestens 12 Beamte der lokalen Polizei (Polresta Kota Jayapura).

Gegen 18.30, nach ihrer Rückkehr von einer Gerichtssitzung in Jayapura, wurden die wehrlosen Inhaftierten vor dem Eingang des Gefängnisses beim Verlassen des Busses von der Polizei mit Schlagstöcken angegriffen. Dabei wurde ein Inhaftierter, Nelson Ipan Kornelius Rumbiak (20), schwer verletzt. Ihm wurde mehrfach mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen und der am Boden liegende wurde dann mit Stiefeln getreten. Dabei wurde sein linker Brustkorb verletzt (starke Schwellungen im linken Rippenbereich).

Auch versuchten die Polizisten auf andere Inhaftierte einzuschlagen, die sich jedoch ins Innere des Gefängnisses retten konnten. Die Wärter hinderten die Polizisten daran in das Gefängnis einzudringen, wobei es beinahe zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gefängnispersonal gekommen wäre.

Nelson Rumbiak wurde mit schweren Verwundungen ins Krankenhaus (Rumah Sakit Umum Abepura) gebracht. Einige Gefängniswärter, seine Anwältin, Ecoline Situmorang, eine Anwaltsassistentin, Yustina Haluk, sowie der Präses der Protestantischen Kirche (GKI di Tanah Papua), Pfarrer Corinus Berotabui, und auch seiner Mutter begleiteten ihn. Im Krankenhaus wurden die ärztlichen Untersuchungen durch mehrfache Einmischung von Seiten der Polizei und des Sicherheitsdienstes (Intel) gestört. Da die Sicherheitslage im Krankenhaus einen weiteren Aufenthalt Nelson Rumbiaks nicht zuließ, wurde er um 22.30 wieder ins Gefängnis zurückgebracht. Der zuständige Arzt, Dr. Elim Mangayun, gab an, dass die Röntgenbilder keine Knochenbrüche aufwiesen, der Patient jedoch traumatisiert sei. Auf die Frage, ob Nelson Rumbiak an einem schweren Trauma leide, antwortete er, das solle man die Polizei fragen!

Was mag diese gewaltsame Polizeiaktion ausgelöst haben?

Die neun Inhaftierten waren an diesem Tag in der 7. Gerichtsverhandlung zum Abepura II Fall im Landgericht von Jayapura (Pengadilan Negeri Jayapura) als Zeugen vorgeladen worden. Sie sollten gegen drei Angeklagte, Aris Mandowen, Sedrik Djitmau und Yasya Echo Berotabui, aussagen. Wie bereits in der vorherigen Gerichtsverhandlung am 23. August, widerriefen sie jedoch ihre früher gemachten Aussagen, die ihre Freunde belasteten. Schon in jener Sitzung hatten Nelson Rumbiak und Ferdinand Pakage erklärt, dass ihre früheren Geständnisse unter Gewaltanwendung seitens der untersuchenden Polizeibeamten zustande gekommen waren (under physical abuses by the police). Die Folter erfolgte unter anderem durch hohe Polizeioffiziere wie den ehemaligen Stellvertreter des Polizeikommandanten von Jayapura (Wakapolresta Jayapura AKBP), Aris Purbaya, und einen hohen Kriminalpolizeibeamten, Paulus Waterpauw.

Aufgrund dieser Angaben hatte der Staatsanwalt angekündigt, weitere Zeugen zur Sitzung am 28. August vorzuladen. Die genannten Polizeioffiziere erschienen jedoch nicht. Hiergegen protestierten die Anwälte und forderten, dass die beschuldigten Polizeioffiziere in eigener Person erschienen. Dies lehnte der Richter jedoch ohne Angabe von Gründen ab. Die Folge war ein verbaler Schlagabtausch im Gerichtssaal zwischen dem Richter einerseits, und den Verteidigern, den Zeugen und den Angeklagten andererseits. Es ist anzunehmen, dass diese verbale Auseinandersetzung einige der anwesenden Polizisten in Wut versetzte, so dass sie den Angriff auf die wehrlosen Inhaftierten bei deren Rückkehr vor dem Eingang des Gefängnisses in Abepura vornahmen.

Reaktionen

Am selben Abend dieses blutigen Vorfalls hielten der Präses der Protestantische Kirche GKI-TP und die Gruppe von Rechtsanwälten im Abepura II Fall (Tim Pengacara Hukum) eine Pressekonferenz in Abepura ab. Sie erklärten, dass sie aus Protest gegen das gewaltsame Vorgehen der Polizei vom folgenden Tag (dem 29. August) an vor dem Gefängnis wachen werden – sozusagen als Schutzmaßnahme für die Gefangenen im Abepura II Fall.

Der Direktor des Gefängnisses, J. Yarangga, gab an, diesen Vorfall im Landgericht von Jayapura anzuzeigen. Er sagte, zum Glück seien die anderen Gefangenen zur Zeit dieses Vorfalls bereits in ihren Zellen gewesen, sonst hätte es einen Aufstand mit schlimmen Folgen geben können.

Eine Menschenrechtsorganisation hat sich mit dem katholische Bistum Jayapura und der Protestantische Kirche GKI-TP darüber verständigt, dass Anzeige gegen die an der Aktion beteiligten Polizisten beim Polizeipräsidium der Provinz erstattet wird. Einer der Kirchenführer West-Papuas schrieb an die internationalen Partner: „Wir machen uns große Sorgen um die Sicherheit der im Zusammenhang mit dem 16. März Inhaftierten und bitten Sie, uns mit einer sofortigen Aktion zu unterstützen“.

Die Kirchen und Nichtregierungsorganisationen schrieben in ihrem Bericht: „Wir rufen dazu auf, dass die Polizei ihre arrogante Haltung und ihre andauernden Gewaltakte unterlasse mit denen sie das einfache Volk in Papua einschüchtert, sodass es Angst hat seine Meinung frei zu äußern.“ (uh, sz)

Quellen:
  • Bericht des Tim Advokasi Bentrok 16 Maret 2006, SKP Keuskupan Jayapura, Biro JPIC Sinode GKI di Tanah Papua, ELSHAM Papua, LP3A Papua, PBHI Jakarta;
  • verschiedene Mitteilungen von Menschenrechtlern vor Ort;
  • Laporan Wartawan Kompas Aryo Wisanggeni Genthong vom 29. August 2006;
  • Brief vom 28.8.2006 vom Vorsitzenden des Advocacy Team for the Abepura Case March 16th 2006.
* Aus: West Papua Netzwerk, E-Informationsbrief Nr. 180 vom 29. August 2006

Link: www.west-papua-netz.de


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