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Tausende Papua demonstrieren für die Rückgabe der Sonderautonomie - Provinzparlament schweigt

Von Kristina Neubauer, West Papua Netzwerk *

Der Druck der Papuabevölkerung auf die politischen Entscheidungsträger in Jayapura wächst. Nachdem der Papua-Volksrat MRP (Majelis Rakjat Papua) am 18.Juni 2010 das Sonderautonomiegesetz für Papua für gescheitert erklärt und an das Provinzparlament Papua (DPRP) zurückgegeben hatte, besetzten vom 8. bis 9.Juli 2010 mehrere Tausend Papua das Gelände des Provinzparlaments in Jayapura. Die Demonstranten forderten die Rückgabe des Sonderautonomiegesetzes an die Zentralregierung in Jakarta und einen Dialog unter internationaler Mediation. Und in einer weiteren Forderung waren sich die Demonstranten verschiedener Gruppierungen einig: der Wunsch nach einem Referendum über den politischen Status Papuas.

Die Bilder der vergangenen Woche erinnern an den "Papua-Frühling" von 1998-2000: Tausende Papua ziehen mit Spruchbändern und Morgensternfahnen durch die Straßen Jayapuras, einige sind traditionell gekleidet, tanzen und singen. Auf den Bannern steht "Die Sonderautonomie ist gescheitert", "Freiheit", "Referendum", "Ein Volk, eine Seele". Die Demonstration war von dem "Demokratischen Forum des geeinten Papua-Volkes" FORDEM (Forum Demokrasi Rakyat Papua Bersatu) organisiert und unter anderem vom Papua-Volksrat MRP, den Kirchen, dem Papuarat DAP (Dewan Adat Papua), Nichtregierungsorganisationen, Frauen- und Studentengruppen unterstützt worden. Die verschiedensten Komponenten der indigenen Zivilgesellschaft demonstrierten in ihren Forderungen eine neue Einigkeit und Geschlossenheit.

Bis zum 8. Juli hatte das Provinzparlament eine Plenarsitzung abhalten und Stellung zur Rückgabe des Sonderautonomiegesetzes durch den MRP beziehen sollen (siehe E-Info vom 21./22.06.10). Doch als am 8. Juli mehrere Tausend Papua vor das Parlamentsgebäude zogen, herrschte dort großes Schweigen. Der Parlamentsabgeordnete Weynand Watory trat vor die Menge und erklärte, dass das Parlament bisher nicht zur Entscheidung des MRPs hatte tagen können, da führende Regierungsvertreter verhindert gewesen seien. Die Menge reagierte auf diese Ankündigung erbost und Rücktrittforderungen gegenüber Jhon Ibo, dem Parlamentsvorsitzenden, wurden laut. Demonstrationsführer konnten die aufgebrachten Menschen wieder beruhigen und man beschloss, das Parlamentsgelände über Nacht zu besetzen, um weiteren Druck auf die politische Führung Papuas auszuüben.

Gewaltsame Auseinandersetzungen mit den indonesischen Sicherheitskräften konnten unter anderem aufgrund von Verhandlungen zwischen der Polizei, den Organisatoren, Kirchen- und Menschenrechtsvertretern verhindert werden. Die Polizei soll mehrfach gedroht haben, die Besetzung des Parlamentsgebäudes gewaltsam zu beenden. Auch angesichts der Massen von Menschen - in den Medien wird von 2.000 bis 20.0000 Demonstranten gesprochen - und der Brisanz der Thematik hätte die Situation jederzeit kippen können.

Während des Abschlussgebetes am 9. Juli, gegen 16:30 Uhr, soll die Polizei jedoch Warnschüsse abgegeben haben. Wieder ließen sich die betenden Papua nicht provozieren. Die Demonstranten verließen friedlich das Parlamentsgelände und gingen nach Hause. Am 19. Juli wollen sie wieder kommen.

Am 12. Juli haben Vertreter von FORDEM mit Abgeordneten des Provinzparlaments über die weitere Vorgehensweise verhandelt. Man einigte sich darauf, am 3. August eine Sondersitzung des Provinzparlaments einzuberufen, an der auch Wissenschaftler, Rechtsberater, Wirtschafts-, Sozial- und Politikexperten sowie Regierungs- und Parlamentsbeamte aus ganz Papua teilnehmen werden, um das Scheitern der Sonderautonomie zu diskutieren. Die Entscheidung dieser Sitzung soll an den indonesischen Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono überbracht werden.

Auch in Wamena, Manokwari, Timika, Sorong und Merauke gingen tausende Menschen am 8. Juli und den darauffolgenden Tagen auf die Straßen, um ihre lokalen Regierungsvertreter zur Rückgabe des Sonderautonomiegesetzes aufzufordern. In Manokwari soll die Polizei die Demonstration gewaltsam aufgelöst haben. In Jayapura wurde der französische Journalist Edouard Jerome Francuise von der Polizei verhaftet, weil er auf einem Touristenvisum über die Demonstration berichtete.

Quellen:
Jakarta Globe 08.07.10, Jakarta Post 14.07., The Australian 10.07., The Strait Times 10.08., Bintang Papua 08.07, Jason MacLeod "Papuan struggle enters new phase" 09.07.10, FORDEM "Otsus has failed. What is needed is a new solution to resolve the Papuan Problem", http://westpapuamedia.info/news-alert/aug-3-special-session-of-dprp-to-decide-on-otsus-handback/, sowie Berichte von Kontaktpersonen vor Ort


* Aus: West Papua Netzwerk, E-Informationsbrief vom 15. Juli 2010


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