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Pentagon-Chef auf Werbetour

US-Verteidigungsminister Rumsfeld sieht in Vietnam militärischen Partner

Von Marina Mai*

Die USA und Vietnam wollen ihre militärische Zusammenarbeit ausweiten. Nach Angaben des Pentagons werden in den kommenden Tagen die ersten beiden vietnamesischen Offiziere zum Englischlernen in eine texanische Luftwaffen-Schule geschickt.


USA-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war am Montag in Hanoi von seinem vietnamesischen Kollegen Pham Van Tra mit militärischen Ehren empfangen worden. Auf dem Programm des Pentagon-Chefs stand auch ein Treffen mit Premierminister Pham Van Khai.

Der Vietnam-Besuch ist Teil einer Asienreise des USA-Ministers, zu der auch die Stationen Singapur und Indonesien gehören. Laut einem Pentagon-Sprecher würden sich die USA kleineren asiatischen Staaten als Gegengewicht zum mächtigen China anbieten. Die USA wollen nach eigenen Angaben militärische Beziehungen zu Vietnam und der Mongolei aufbauen und ihre Beziehungen zu Japan und Südkorea nach dem Ende des kalten Krieges modernisieren.

Laut vietnamesischen Quellen wollen die USA Vietnam, von dessen militärischen Fähigkeiten sie überzeugt sind, in den »internationalen Kampf gegen den Terrorismus« einbinden. Während des Besuches wurde die weitere Teilnahme vietnamesischer Offiziere an Ausbildungskursen in den USA vereinbart. Solche Kurse gibt es seit gut zwei Jahren. In Zukunft sollen etwa Militärpiloten der Volksarmee in den USA Englisch lernen. Außerdem vereinbarten beide Seiten den Besuch eines USA-Marineschiffs in einem vietnamesischen Hafen im Sommer. Zwei Marinebesuche gab es bereits im vergangenen Herbst. China hatte dagegen heftig protestiert.

Rumsfeld dementierte hingegen, die USA wollten eine Militärbasis in Vietnam errichten. Im vergangenen Herbst hatte Washington Medienberichten zufolge Hanoi einen Pachtvertrag über seinen einstigen Stützpunkt Cam Ranh in Zentralvietnam vorgeschlagen. In Hanoi soll das Angebot auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen sein. Weil das Areal seit Jahren verwaist ist und man bislang vergeblich einen Investor suchte, könnten sich manche Politiker eine solche Variante durchaus vorstellen. Andere lehnten strikt ab, insbesondere nachdem China gegen einen möglichen Stützpunkt der USA in seinem Nachbarstaat protestiert hatte. Trotz strittiger Fragen, wie etwa zu den Rechten an Erdölvorkommen in südchinesischen Meer, hat Vietnam kein Interesse daran, den starken Nachbarn im Norden, in dessen Sog Vietnams Wirtschaft boomt, allzu sehr zu verärgern.

Zur Sprache kam auch das unerledigte Thema Agent Orange. Hanoi fordert eine staatliche Entschädigung von den USA für die Schäden, die das Gift bei Menschen und Umwelt anrichtete. Noch heute werden in Vietnam Menschen mit Missbildungen geboren. USA-Präsident George W. Bush lehnt eine Entschädigung vehement ab. Sein Amtsvorgänger Bill Clinton hatte zumindest Forschungsgelder für die Beseitigung der Folgen bewilligt und zum Ende seiner Amtszeit weitere Unterstützung in Aussicht gestellt. Wie es nun während des Rumsfeld-Besuchs hieß, sind die USA bereit, technische Hilfe für den Umgang mit dem Problem sowie Informationen zur Verfügung zu stellen.

31 Jahre nach Kriegsende ist Antiamerikanismus trotz der vielen Opfer in Vietnam ein Fremdwort. Fast zwei Drittel der 83 Millionen Vietnamesen waren 1975 noch nicht geboren und kennen den Krieg nur aus den Erzählungen der Alten. Das Erlernen der englischen Sprache ist heute in Vietnam Schlüssel zum beruflichen Erfolg. Die Eiszeit zwischen beiden Staaten hatte 1994 mit dem Fall des Handelsembargos der USA gegen Vietnam geendet. Seit 1996 tauschen beide Staaten Botschafter aus. Hanoi erlaubte zudem den USA, in vietnamesischer Erde nach den Überresten gefallener amerikanischer Soldaten zu suchen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Juni 2006


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