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Faire Chancen für Frauen in Vietnam

Zentrum für Berufsausbildung in der Provinz Nghe An eröffnet Zukunftschancen

Von Ilona Schleicher *

Der Solidaritätsdienst-international und die Vietnamesische Frauenunion in der Provinz Nghe An verbinden berufliches Training mit Aufklärung und Beratung für Arbeit suchende Frauen und Existenzgründerinnen sowie mit der Vergabe von Kleinkrediten. Das Programm wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gefördert.

Das Zentrum für Berufsausbildung der Frauenunion (FU) in der Provinzhauptstadt Vinh (VTC) hat sich gemausert. Anfang der 90er Jahre hatte der Solidaritätsdienst-international e.V. (SODI) beim Bau und der Einrichtung des Zentrums geholfen. Nähkurse für Frauen aus ländlichen Gebieten wurden finanziert. Die Besten von ihnen konnten ihre Nähmaschine, Stoffe und Nähmaterial als Starthilfen für in ihr Heimatdorf mitnehmen.

»Unser Angebot hat sich inzwischen erweitert«, so die FU-Provinzvorsitzende Le Thi Tham. »Damit entsprechen wir der raschen Entwicklung des Dienstleistungssektors auch außerhalb der städtischen Zentren. Neben Informationstechnologie steht die Ausbildung im Frisörhandwerk und in Kosmetik sowie im gastronomischen Gewerbe bei den Frauen hoch im Kurs. Mit einem Zertifikat über ein berufliches Training am VTC wachsen die Chancen der Frauen am Arbeitsmarkt. Und einige Frauen fassen auch Mut, selbst einen kleinen Frisörladen oder ein Internetcafé einzurichten. »Wir tragen dazu bei, dass die Frauen an der sozioökonomischen Entwicklung unseres Landes teilhaben können.« 300 Frauen werden im Rahmen des SODI-Programms als Köchinnen, Friseusen und Kosmetikerinnen sowie in Informationstechnologie ausgebildet.

Wie nötig das Engagement der FU ist, verdeutlichen folgende Zahlen: 65 Prozent der Arbeitslosen in der bevölkerungsreichen Provinz Nghe An sind Frauen, ihr Anteil bei den Unterbeschäftigten liegt bei 63 Prozent. Für Frauen ist es selbst dann schwierig, eine Beschäftigung zu finden, wenn sie die schulische Bildung mit der Sekundarstufe abgeschlossen haben. Besonders betroffen davon sind Frauen und Mädchen aus entlegenen Bergdörfern, die ethnischen Minderheiten angehören. Nur 30 Prozent aller Beschäftigten in Nghe An haben eine berufliche Ausbildung unterschiedlichen Grades, die wenigsten davon sind Frauen. Im VTC wird bewusst darauf geachtet, möglichst viele Kursteilnehmerinnen aus armen Bergdörfern zu gewinnen. Zum Beispiel aus dem Kreis Ky Son, der im Westen der Provinz an der Grenze zu Laos liegt. Mit einer Armutsrate von 57,2 Prozent zählt er zu den ärmsten Kreisen des Landes. Hier leben mehrheitlich Tai, Hmong, Khmu.

Bereits in der Vergangenheit haben Frauen aus Ky Son am VTC eine Ausbildung erhalten. Derzeit besteht hier besonders an Gastronomie- und Kursen für Kosmetik großes Interesse, denn am Grenzübergang zu Laos entwickelt sich ein wirtschaftliches Zentrum, wo die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen schnell steigt. »Aber die Frauen hier brauchen nicht nur berufliche Kenntnisse, um die neuen Möglichkeiten zur Überwindung der Armut nutzen zu können«, so Le La Na, Vorsitzende der FU in einer der Berggemeinden von Ky Son. »Ihr Bildungsniveau ist insgesamt niedrig, und sie haben überhaupt keine Vorstellung, welche Rechte sie als Arbeitnehmerinnen haben.

Die meisten wollen sich nach den Kursen am VTC erst in der Stadt nach einer Beschäftigung umsehen, um Erfahrungen zu sammeln, die sie dann hier in Ky Son nutzen können. In der Fremde ist die Gefahr größer, dass sie ausgenutzt oder sogar Opfer von Frauenhandel werden. Deshalb wollen wir in unseren Gemeinden die Frauen über ihre Rechte aufklären und ihr Selbstbewusstsein stärken. Aber dazu müssen wir in der Frauenunion selbst erst einmal viel lernen.«

Le La Na gehört zu insgesamt 90 Vertreterinnen der FU, die sich am VTC das nötige Rüstzeug holen. Als Trainer werden sie dann in zehn Kreisen der Provinz an insgesamt 774 Mitarbeiterinnen und Ehrenamtliche der FU, die als Multiplikatoren Orientierungskurse durchführen und den Frauen in den Dörfern mit Rat und Tat zur Seite stehen sollen, ihr Wissen weitergeben. Neben nationalem und internationalem Arbeitsrecht sowie Regelungen zur Gleichstellung der Geschlechter gehören auch HIV/Aids-Prävention, der Kampf gegen Frauenhandel, Know-how für Kleinstunternehmerinnen und schließlich Methoden der Wissensvermittlung, der Motivation und Beratung zu den Themen. »Für uns ist das eine große Herausforderung«, meint Le La Na, »und ein wenig bange ist uns schon bei dem Gedanken, wie dies zu schaffen ist. Aber die Frauen brauchen dringend Aufklärung und Beratung, das motiviert uns.«

In die im Programm vorgesehene Vergabe von Kleinkrediten an 120 Existenzgründerinnen beziehungsweise Kleinstunternehmerinnen ist Ky Son nicht einbezogen. Für die FU ist diese Art von Kleinkrediten noch Neuland. Deshalb wurden dafür zunächst Regionen ausgesucht, die relativ gut erreichbar sind, darunter der Kreis Tan Ky. Wo sich heute dessen Verwaltungszentrum befindet, war während des Krieges dichter Wald -- Anfangspunkt des Ho-Chi-Minh-Pfades. Hier mitten in der kleinen Stadt haben sich Hoang Thi Ha und ihr Mann eine bescheidene Schneiderei eingerichtet, die sich auf Herrenkleidung spezialisiert hat. Aber auch Damenblusen hängen auf der Stange über ihren Köpfen. Obwohl beide arbeiten, liegt das monatliche Einkommen der Familie nur knapp über der Armutsgrenze. Hoang Thi Ha hatte 2004 am VTC einen Nähkurs absolviert, sie versteht ihr Handwerk. »Mit einer neuen Nähmaschine könnten wir mehr schaffen. Auch ein großer Spiegel und die Einrichtung einer Umkleidekabine würden helfen«, meint Hoang Thi Ha. Nun hofft sie auf einen Kleinkredit. Für einen Orientierungskurs der FU hat sie sich schon angemeldet.

SODI-Spendenkonto: 10 20 100, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00, Kennwort: Frauen Vietnam

* Aus: Neues Deutschland, 10. März 2009


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