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Vietnam – Eine Chronik

Von der Eroberung durch französische Truppen 1858 bis zum Sieg über die USA

Zusammengestellt von Rainer Werning *

Seit 1858 beginnen französische Truppen mit der schrittweisen Eroberung der südlichen und später der nördlichen Landesteile Vietnams.

1887 – Entstehung der Indochinesischen Union durch den Zusammenschluß der (südlichen) Kolonie Cochinchina und der Protektorate Tonking (Nordvietnam) und Annam (Zentralvietnam) sowie dem Protektorat Kambodscha mit Saigon als Hauptstadt. 1893 kommt Laos dazu

1925 – Gründung der Thanh Nien (Liga der revolutionären Jugend Vietnams) auf Initiative des 1890 geborenen Ho Chi Minh in Kanton (China)

3. Februar 1930 – Gründung der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) in Hongkong

1937 – Bildung der Demokratischen Front Indochinas unter Einfluß der KVP

Juni 1940 – Frankreich kapituliert und das Vichy-Regime erklärt sich an der Seite Deutschlands zur Kooperation mit Japan bereit. Japan besetzt Vietnam, während seine Truppen die dortige französische Kolonialverwaltung (noch) im Amt belassen.

10. Mai 1941 – Gründung der Viet Minh (Liga für den Kampf um die Unabhängigkeit Vietnams)

Ende 1944 bis Anfang 1945 – Verheerende Hungersnot, in deren Verlauf über zwei Millionen Menschen sterben

9. März 1945 – Die japanischen Truppen lösen die französische Kolonialverwaltung auf und proklamieren ein »unabhängiges« Vietnam mit Kaiser Bao Dai an der Spitze.

15. August 1945 – Japan kapituliert.

2. September 1945 – Ho Chi Minh ruft in Hanoi unter großer Anteilnahme der Bevölkerung die Demokratische Republik Vietnam (DRV) aus.

19. Dezember 1946 – Überfall französischer Kolonialtruppen auf Hanoi

5. Juni 1948 – Frankreich erklärt die Gründung des »Staates Vietnam« mit Kaiser Bao Dai an der Spitze.

7. Februar 1950 – Die USA erkennen den von Bao Dai repräsentierten Staat an und beginnen ab Mai mit der direkten wirtschaftlichen und militärischen Unterstützung der Franzosen.

12. April 1953 – Dekret der DRV über die Bodenreform

13. März bis 7. Mai 1954 – Schlacht von Dien Bien Phu, die mit einer vernichtenden Niederlage der französischen Kolonialtruppen endet und den Ruhm des kommandierenden nordvietnamesischen Generals Vo Nguyen Giap begründet

8. Mai bis 21. Juli 1954 – Genfer Indochina-Konferenz, an der die Volksrepublik China, die USA, die Sowjetunion, Frankreich und – als ehemalige französische Kolonien – Vietnam, Laos und Kambodscha teilnehmen. Gemäß dem in Genf unterzeichneten Abkommen wird Vietnam entlang des 17. Breitengrades geteilt. Die Viet Minh sollen sich in den Norden und die Franzosen in den Süden zurückziehen. 1956 sollen demokratische Wahlen in ganz Vietnam abgehalten und die Demarkationslinie aufgehoben werden. Während Frankreich Vietnam, Kambodscha und Laos die Unabhängigkeit sowie den Abzug seiner Truppen vertraglich zusichert, unterschreiben die US-Unterhändler das Abkommen nicht und beteuern lediglich, es zu respektieren.

7. Juli 1954 – Bao Dai ernennt Ngo Dinh Diem zum Premierminister.

23. bis 26. Oktober 1955 – Diem setzt Bao Dai ab, verkündet die Republik Vietnam als Gegengewicht zur DRV und erklärt sich zum Präsidenten.

1956 – Die für Gesamtvietnam festgelegten Wahlen werden in Südvietnam nicht durchgeführt.

6. Mai 1959 – Ngo Dinh Diem erläßt das Gesetz 10/59 zur Bildung von Militärtribunalen, die jedermann wegen des Verdachts der »Unruhestiftung« verhaften und hinrichten können.

20. Dezember 1960 – Gründung der NFL (National Liberation Front of South Vietnam), die pikanterweise sowohl von US-Truppen und der südvietnamesischen Regierung als auch in der internationalen Vietnam-Solidarität als »Vietcong« bezeichnet wird – ein zutiefst abschätziger, denunziatorischer Begriff für »vietnamesischer Kommunist« bzw. »kommunistischer Verräter an Vietnam«. In der damaligen »Frontstadt« Westberlin erschallt fortan u.a. der Demonstrationsaufruf »Kommt herunter vom Balkon, unterstützt den Vietcong!«

5. Mai 1961 – US-Präsident John F. Kennedy erklärt seine Bereitschaft, US-Truppen nach Südvietnam zu entsenden. Zum Jahreswechsel 1960/61 wird die Zahl des US-amerikanischen Militärberater im Lande von zuvor 327 auf 900 Mann aufgestockt.

11. Juni 1963 – Selbstverbrennung des Mönchs Thich Quang Duc aus Protest gegen staatliche Repressionsmaßnahmen gegen Buddhisten. Landesweite Proteste und massenhafte Festnahmen von Studenten, Buddhisten und Oppositionellen bringen das Diem-Regime ins Wanken und lassen die USA zunehmend auf Distanz gehen.

1. November 1963 – CIA-geführter Putsch gegen Diem, in dessen Verlauf der Präsident und sein jüngerer Bruder getötet werden

2. bis 4. August 1964 – Tonking-Zwischenfall, der den USA den Vorwand liefert, den Krieg in Vietnam auszuweiten

4. August 1964 – Beginn der US-Bombenangriffe auf Nordvietnam, während drei Tage darauf der US-Kongreß die Tonking-Resolution beschließt, wodurch der Krieg – ohne Kriegserklärung – in immer schnellerem Tempo und mit immer mehr nach Vietnam abkommandierten GIs eskaliert

3. September 1967 – Nach einer Serie vorangegangener (Militär-)Putsche avanciert Nguyen Van Thieu zum Präsidenten Südvietnams.

1967 bis 1972 – Mit dem Phönix-Programm wird eine der größten »Aufstandsbekämpfungsoperationen« durchgeführt, die auf die Zerschlagung der NLF-Infrastruktur zielen und zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern.

30./31. Januar 1968 – Überraschend für Saigon und den US-amerikanischen Generalstab beginnen Partisanen landesweit am Tag des buddhistischen Neujahrsfestes Tet mit Attacken auf die Machtzentralen und Militärbasen.

16. März 1968 – Massaker von My Lai, bei dem 504 Menschen unter dem Befehl des US-amerikanischen Leutnants William Calley Jr. grausam hingemetzelt werden

25. Juli 1969 – Die auf der Pazifikinsel Guam verkündete Nixon-Doktrin besagt, daß fortan »Asiaten gegen Asiaten« kämpfen sollen.

2. September 1969 – Todestag Ho Chi Minhs, der allerdings erst einen Tag später publik gemacht wird, um den Nationalfeiertag nicht zu trüben

30. April 1970 – Erstmaliger Einmarsch US-amerikanischer Truppenverbände in das bis dahin neutrale Nachbarland Kambodscha

8. Februar 1971 – Soldaten Südvietnams überschreiten die Grenze zu Laos.

8. Mai 1972 – Beginn der Verminung des nordvietnamesischen Hafens Haiphong

Dezember 1972 bis Anfang 1973 – Dauerbombardements, die »Weihnachtsbombardements« auf die nordvietnamesischen Großstädte Hanoi und Haiphong, fordern Tausende von Opfern unter der Zivilbevölkerung und zerstören Krankenhäuser und andere öffentliche Einrichtungen.

15. Januar 1973 – US-Präsident Richard Nixon ordnet den Stopp der Bombardierung Nordvietnams an, nachdem sich sein Sicherheitsberater und späterer Außenminister, Henry Kissinger, und der nordvietnamesische Chefunterhändler, das Politbüromitglied der KPV, Le Duc Tho, in Paris auf einen Entwurf eines Friedensvertrages zwischen beiden Ländern verständigt hatten.

27. Januar 1973 – Das Pariser Abkommen wird unterzeichnet.

Dezember 1973 – Das Osloer Friedensnobelpreiskomitee erkennt Henry Kissinger und Le Duc Tho gemeinsam die Auszeichnung zu, die letzterer allerdings nicht annimmt.

30. April 1975 – Saigon fällt und Südvietnam kapituliert. Auf den 1.-Mai-Demonstrationen erschallt der Ruf »1. Mai – Saigon frei!«

2. Juli 1976 – Nord- und Südvietnam werden unter dem Namen Sozialistische Republik Vietnam wiedervereint. Saigon, die ehemalige Hauptstadt Südvietnams, wird in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt.

* Aus: junge Welt, 2. September 2010


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