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Schatten des Krieges weiter über Vietnam

Agent-Orange-Opfer fordern Gerechtigkeit. Klage vor dem Obersten Gericht der USA geplant

Von Ettina Zach *

Zweimal lehnten US-Gerichte eine Klage von vietnamesischen Agent-Orange-Kriegsopfern ab: im März 2005 und im Februar 2008. Doch die Betroffenen geben nicht klein bei: Sie bereiten nunmehr eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof der USA vor. Unterstützt werden sie dabei unter anderem vom Solidaritätsdienst-international (SODI). Die in Berlin ansässige Organisation der Entwicklungszusammenarbeit ist seit Jahren auch in Vietnam selbst engagiert mit Projekten zur Beseitigung der Langzeitschäden aus dem Krieg, der 1975 mit dem Sturz des von Wa­shington gestützten Regimes und der Flucht der letzten US-Vertreter endete. Aktuell will SODI die Kampagne der Opfer durch eine Unterschriftenaktion unterstützen.

Bis heute sind weite Teile des Landes und Millionen Menschen von den Folgen betroffen, die Agent Orange angerichtet hat. Das hochgiftige Entlaubungsmittel wurde von der US-Airforce von 1961 bis 1971 eingesetzt, vorgeblich, um die Befreiungsarmee »effektiver bekämpfen« zu können. Große Teile des Dschungels wurden verbrannt und entlaubt. Hergestellt und geliefert worden war das Gift von 37 US-Chemiekonzernen, unter ihnender Multi Monsanto, dessen Geschichte Klagen und Zivilprozesse durchziehen. Traurige Bekanntheit erlangte der Großkonzern, der 2007 bei einem Umsatz von 8,6 Milliarden US-Dollar einen Nettogewinn von 994 Millionen US-Dollar verzeichnen konnte, mit der Agent-Orange-Produktion. Der Chemikalie ist TCDD, das schädlichste aller Dioxine, beigemengt. Bereits drei bis vier Gramm Agent Orange, oral aufgenommen, gelten als tödlich. Die US-Airforce versprühte mindestens 76 Millionen Liter.

Direktfolgen waren Vergiftungserscheinungen, die vielfach zum Tod führten. Spezielle Auswirkungen hatte das Gift auf Schwangere. Früh- und Fehlgeburten häuften sich, Neugeborene kamen mit Mißbildungen, schweren geistigen und körperlichen Behinderungen zur Welt. Diese Auswirkungen treten bis heute auf, weil das Erbgut langzeitig geschädigt ist. Bisher sind über drei Millionen Vietnamesen von Agent Orange direkt betroffen, und die Zahl steigt noch immer. Neben Mißbildungen und Behinderungen sind auch Erkrankungen wie Krebs, Herz- und Gefäßerkrankungen sowie neurologische Störungen typische Folgen.

Zudem sind die ökologischen Schäden immens. Weil Dioxine nur schwer biologisch abbaubar sind, sind Umwelt, Böden und Nahrungskette in weiten Teilen des Landes noch heute kontaminiert. Der höchste Dioxin-Vergiftungsgrad des Bodens, gemessen laut der Hatfield-Studie im Jahr 2007 in der Region Da Nang, lag bei 365 000 ppt (1 ppt meint ein Teil pro Billion und entspricht 1 ng/kg). Der Grenzwert, bei dem ein Gebiet abgesperrt und umfassende Gesundheitsanalysen gemacht werden müßten, liegt bei 1000 ppt.

Die Solidaritätsbewegung fordert nun, daß sich die US-Administration zu ihren Taten und deren Konsequenzen bekennt. Neben der Aufnahme des Gerichtsverfahrens gehört dazu unter anderem auch eine »angemessene Entschädigung der vietnamesischen Opfer«.

www.sodi.de

* Aus: junge Welt, 25. September 2008


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