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Paramilitärs verhaftet

Venezuela: Opposition findet sich zu Dialog mit der Regierung bereit

Von André Scheer *

In einem Exklusivinterview für die britische Tageszeitung The Guardian hat Venezuelas Präsident Nicolás Maduro US-Präsident Barack Obama direkt für die Lage durch gewaltsame Proteste der Opposition geprägte Lage in Venezuela verantwortlich gemacht. Washington nutze die Aktionen der Regierungsgegner, um »einen Putsch in Zeitlupe nach dem Muster der Ukraine« durchzuführen. Dadurch wollten die USA »die Hand auf das venezolanische Erdöl legen«. Zum Einsatz kommen dabei offenbar auch paramilitärische Gruppen und Drogenbanden aus Kolumbien. Am Dienstag informierte der venezolanische Innenminister Miguel Rodríguez Torres, daß zwei in den Grenzstaaten Táchira und Zulia festgenommene Personen Verbindungen mit diesen kriminellen Kräften sowie mit dem früheren kolumbianischen Staatschef Álvaro Uribe hätten. Dieser war von Caracas bereits mehrfach beschuldigt worden, Hintermann der »Guarimbas« genannten Aktionen mit Barrikaden und militanten Angriffen auf die Sicherheitskräfte zu sein. Im staatlichen Fernsehen VTV zeigte der Minister Fotos, auf denen einer der Verhafteten zu sehen ist, wie er Uribe die Hand schüttelt und wie er die Uniform einer paramilitärischen Gruppe trägt. »Luis Enrique García González wurde in Maracaibo mit gefälschten Papieren festgenommen, als er die Stadt verlassen wollte, nachdem er an einer Barrikade beobachtet wurde«, erläuterte Rodríguez Torres. Bei dem in San Cristóbal verhafteten Mann soll es sich um einen wegen Drogenhandels international gesuchten Kriminellen handeln. Das sei der Beleg dafür, daß »kolumbianische Söldner an den gewaltsamen Protesten beteiligt« seien, so der Minister.

Unterdessen haben sich wichtige Teile der Opposition zu Gesprächen mit der Regierung bereitgefunden. Am Dienstag (Ortszeit) kamen im Gebäude des venezolanischen Außenministeriums in Caracas führende Vertreter des »Tisches der demokratischen Einheit« (MUD) und Maduro erstmals zu direkten Gesprächen zusammen. Ermöglicht wurde dies durch die Anwesenheit der Außenminister von Ecuador, Kolumbien und Brasilien, die im Auftrag der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) vermitteln. Eine solche Mission hatte Maduro selbst beantragt, der seit Monaten immer wieder zum Dialog aufgerufen hatte. Wichtigstes Ergebnis der ersten Unterredung war, daß am heutigen Donnerstag mit einer öffentlichen Veranstaltung offiziell ein Dialog zwischen beiden Seiten eröffnet werden soll. Eine Liveübertragung im Fernsehen wird erwartet. Als offizieller Vermittler soll ein Repräsentant des Vatikan fungieren, kündigte Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño an.

Für die intern zerstrittene Opposition hatten sich am Dienstag MUD-Exekutivsekretär Ramón Guillermo Aveledo, Omar Barboza von der Partei »Un Nuevo Tiempo« sowie der Gouverneur des Bundesstaates Lara, Henri Falcón, zu dem Treffen bereitgefunden. Auf stur schaltete hingegen die Protagonistin des radikalen Flügels der Regierungsgegner, María Corina Machado. »Nein zu einem Dialog ohne Bedingungen« erklärte sie über den Internetdienst Twitter: »Ich glaube an einen Dialog, der uns zur demokratischen Transition führt.«

Damit stellte sich die Politikerin gegen Aveledo, der auf der Homepage der MUD erklärte hatte, Gesprächsrahmen sei die Verfassung Venezuelas: »Das beste Gegengift gegen die Gewalt ist der Respekt für die Magna Charta durch alle.« Schon am vergangenen Montag hatte auch der Chef der sozialdemokratischen Oppositionspartei »Acción Democrática«, Henry Ramos Allup, Stellung gegen die von Machado verfochtene Strategie des Straßenkampfes bezogen. »Der politische Protest und seine Folgen der Repression, Gewalt und Guarimbas (Straßenblockaden) haben der Regierung letztlich einen riesigen Gefallen getan«, kritisierte er in der rechten Tageszeitung El Universal. »Wir haben keinen anderen Weg, als direkt mit der Regierung über die Probleme zu sprechen.« Er sieht sich damit in Übereinstimmung mit 84 Prozent der Venezolaner, die Umfragen zufolge für einen Dialog eintreten, aber »ich glaube, daß es radikalisierte Teile gibt, die die Möglichkeit eines direkten, ehrlichen und offenen Dialogs verhindern, weil dadurch ihre Agenda zerstört wird.«

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 10. April 2014


Maduro kommt der Opposition entgegen

Venezuelas Präsident zu Treffen bereit **

Angesichts der anhaltenden regierungsfeindlichen Proteste in Venezuela hat Präsident Nicolás Maduro sich zu einem Treffen mit Vertretern der Opposition bereit erklärt. Nach Gesprächen mit einer Delegation von acht Außenministern der Union Südamerikanischer Staaten (UNASUR) habe er zugestimmt, eine Abordnung der Opposition zu treffen, sagte Maduro in Caracas. Das Bündnis MUD wollte aber seine Teilnahme nicht zusagen.

Das wichtigste Oppositionsbündnis Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) traf sich am Montagabend in einem Hotel von Caracas mit der UNASUR-Delegation. Nach dem Treffen sagten die MUD-Vertreter lediglich zu, am Dienstag (Ortszeit) an einem weiteren Treffen mit den Außenministern teilzunehmen. In einem Brief an die UNASUR-Delegation stellten sie als Bedingung für einen Dialog mit Maduro, das dieser auf gleicher Augenhöhe stattfinde, eine klare Gesprächsordnung habe und im Rundfunk übertragen werde.

Maduro hatte zuvor gesagt, sollte das Treffen zustande kommen und sollten die MUD-Vertreter nicht ausweichen, wäre dies eine »große Botschaft des Friedens und der Demokratie«.

Venezuela wird seit Anfang Februar von Protesten überwiegend junger Demonstranten gegen die sozialistische Regierung erschüttert. Diese richten sich gegen die verbreitete Kriminalität, die grassierende Korruption und die häufigen Versorgungsengpässe. Immer wieder gibt es dabei Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften, bei denen bislang mindestens 39 Menschen getötet und mehr als 600 weitere verletzt wurden. Zuletzt ging die Intensität der Proteste zurück.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 9. April 2014


Jede Menge Fallstricke

Martin Ling über den zugesagten Dialog in Venezuela ***

Die südamerikanische Staatengemeinschaft UNASUR hat Gewicht. Sich ihren Vorschlägen zu verweigern, kann sich in Südamerika so einfach kein Politiker von Rang erlauben, sei er Präsident, sei er Oppositionsführer. Das zeigt sich nun auch in Venezuela. Obwohl sich der Präsident Nicolás Maduro und die Opposition um Henrique Capriles, Leopoldo López und María Corina Machado in gegenseitiger Abneigung bis hin zum Hass verbunden sind, hat das Oppositionsbündnis MUD nun den Emissären der UNASUR zugesagt, in einen Dialog mit der Regierung Maduro einzutreten. Es könnte, es müsste der erste Schritt sein, die seit Februar anhaltenden Scharmützel auf den Straßen zu beenden, denen schon mehr als 40 Menschen aus beiden Lagern zum Opfer gefallen sind.

Ob der Vermittlungsversuch der UNASUR greifen kann, ist allerdings noch längst nicht ausgemacht. Während Maduro ohne Bedingungen in die Verhandlungen zu gehen bereit ist, will das MUD das Feld schon vorher bestellt wissen: Amnestie für politische Gefangene, Entwaffnung regierungsnaher Milizen, Wahrheitskommission, Neuausrichtung der Gewaltenteilung und den Vatikan als zusätzlichen Vermittler. So sinnvoll ein Teil der Forderungen auch ist, als Vorbedingung sind sie Fallstricke. Sie könnten den Dialog zu Fall bringen, bevor er überhaupt begonnen hat.

*** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 9. April 2014 (Kommentar)


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