"Kontakte zu solidarischen Gruppen stärken"
Die venezolanische Botschaft will Kontakte ausbauen und über die Situation in ihrem Land informieren. Ein Gespräch mit Orlando Maniglia Ferreira *
Orlando Maniglia Ferreira ist Botschafter der Bolivarischen Republik Venezuela.
Am Dienstag sind Sie in Berlin offiziell als neuer Botschafter der Bolivarischen Republik Venezuela akkreditiert worden. Was sind Ihre Ziele?
Ich habe Ziele auf drei Gebieten – Wirtschaft, Politik und Kultur. Ich will mit allen reden, auch mit rechten Parteien, damit diese die offizielle Version der Ereignisse in Venezuela kennen. Die Informationen über das Land dürfen nicht nur über Twitter oder Facebook hier ankommen.
Was die Wirtschaft betrifft, ist es notwendig, mehr Investitionen nach Venezuela zu holen. Wir wollen außerdem zeigen, dass wir eine linke Regierung haben, die einen wichtigen Begriff auf den Tisch gebracht hat: »Sozialismus des 21. Jahrhunderts«. Es ist notwendig, weltweit eine neue finanzielle, wirtschaftliche, politische und soziale Architektur zu schaffen, um Armut und Hunger zu überwinden sowie den Menschen Bildung zu verschaffen. Im kulturellen Bereich denke ich, dass es viele Möglichkeiten der Zusammenarbeit gibt.
Was sind für diese politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ziele die nächsten Schritte?
Mein unmittelbares Hauptziel ist es, Verbindungen und Kontakte herzustellen. Ich will Gespräche mit verschiedenen Personen führen und die Verbindung zur Solidaritätsbewegung stärken. Ich bin beeindruckt, wie präsent diese hier ist. Wir wollen einen Raum für Reflexionen, Begegnungen, Diskussionen, kulturellen und Meinungsaustausch schaffen. Wenn jemand etwas über das Land wissen will, sollte die Botschaft etwas dazu sagen. Ein weiteres Vorhaben ist deshalb die Aktualisierung unseres Internetauftritts, um ihn interaktiver zu gestalten. 2015 jährt sich außerdem zum 500. Mal die Gründung der Stadt Cumaná, von der aus Alexander von Humboldt seine Reise durch Lateinamerika begann, dazu wird es Aktivitäten der Botschaft geben. Außerdem ist der 60. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Venezuela ein wichtiger Anlass für Veranstaltungen.
In welcher Hinsicht ist Deutschland für Venezuela besonders wichtig?
Im industriellen Bereich. Deutschland hat in allen Bereichen einen hohen Grad an Industrialisierung, vom medizinischen Sektor bis zur Autoproduktion. Wir können in dieser Hinsicht mit Sicherheit neue Kontaktmöglichkeiten schaffen. In Venezuela haben wir ein Ministerium für Grundstoffindustrie, das sich beispielsweise um die Eisenverarbeitung kümmert. Es gibt hier auch vieles, das ich mir ansehen möchte – die Gewerkschaftsbewegung, das Verhalten linker Parteien, die Organisationsstruktur der Gesellschaft, etwa bezüglich des Verkehrs oder des Rechts. Ich denke auch, dass Deutschland im Bildungsbereich viel zu bieten hat und über ein sehr modernes Bildungssystem verfügt.
Was ist Ihr persönlicher Hintergrund?
Ich war mein ganzes Leben beim Militär. Ich war 31 Jahre Offizier und hatte eine Zeitlang auch das Amt des Verteidigungsministers inne. Die Regierung von Hugo Chávez hat mich seinerzeit in die Kommission zur Festlegung der Land- und Seegrenzen zwischen Venezuela und Kolumbien berufen.
Vor kurzem hat die BRD-Botschaft in Caracas einen Brief an deutsche Staatsbürger in Venezuela geschrieben, in dem zur »Krisenvorsorge« aufgerufen und empfohlen wird, sich mit wichtigen Gebrauchsgütern einzudecken. Was sagen Sie dazu?
Ich denke, die Botschaft hat sich von der Welle der aktuellen Berichterstattung mitreißen lassen und wollte deshalb ihre Bürger warnen. Sie hätte sich allerdings erst bei der venezolanischen Regierung über die Gerüchte informieren sollen, etwa beim Außenministerium.
Auch hier hört man in den Medien, dass die Situation in Venezuela zugespitzt ist. Wie ist die Stimmung auf der Straße?
Die Menschen wissen, dass versucht wird, mein Land zu destabilisieren. Wenn man in Venezuela die Situation nur danach beurteilt, was in der Zeitung steht, könnte man meinen, dass alles den Bach heruntergeht. So ist es aber nicht. Venezuela ist nicht in der Krise, sondern hat Probleme und ist dabei, sie zu lösen.
Interview: Lena Kreymann
* Aus: junge Welt, Donnerstag, 19. Februar 2015
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