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Suche nach neuen Partnern

Venezuelas Präsident Hugo Chávez reist nach Peking und Moskau. Strategische Zusammenarbeit soll ausgebaut werden. Einspruch aus Brasilien

Von Harald Neuber *

Venezuela wird seine »strategische Zusammenarbeit« mit China und Rußland ausbauen. Das kündigte Präsident Hugo Chávez zu Beginn einer einwöchigen Reise an, die ihn unter anderem nach Peking und Moskau führt. Die Tour begann am Sonntag abend mit einer Visite in Havanna. Zum zweiten Mal binnen zwei Monaten traf der venezolanische Staatschef in der kubanischen Hauptstadt mit dem amtierenden Staats- und Regierungschef Raúl Castro sowie mit dem erkrankten Revolutionsführer Fidel Castro zusammen. Zuvor hatte Chávez seine Solidarität mit Kuba erklärt. Der Inselstaat durchlebe eine »schwierige Zeit, nachdem mehrere Hurrikans Schäden angerichtet haben«. Nach den Wirbelstürmen hatte Kuba aus Venezuela umfangreiche Hilfen erhalten.

Die wichtigsten Termine stehen Chávez aber in China und Rußland bevor. Beide Staaten hatte er wiederholt als »strategische Partner« bezeichnet, deswegen sei diese Rundreise »von großer Bedeutung«. Nach Angaben der staatlichen venezolanischen Nachrichtenagentur ABN hat die Führung in Caracas umgerechnet sechs Milliarden US-Dollar für gemeinsame Entwicklungsprojekte mit China vorgesehen. Ziel sei es, »sozialistische Produktionsstandorte« in Venezuela aufzubauen. Neben einer Steigerung der Exporte venezolanischen Erdöls nach China seien zudem gemeinsame Förderprojekte im Orinoco-Becken im Süden Venezuelas geplant. Die Regierung Chávez versucht seit Jahren, die Abhängigkeit vom US-Energiemarkt zu verringern.

Nach der Visite in Peking wird die venezolanische Delegation nach Moskau weiterreisen. Auch hier ist es – wie in Kuba – der zweite Besuch des venezolanischen Staatschefs binnen zwei Monaten. Vor der aktuellen Reise hatte Chavéz in einem TV-Interview für ein dauerhaftes Bündnis der lateinamerikanischen Staaten mit Moskau geworben: »Nicht allein Venezuela, sondern Lateinamerika in seiner Gesamtheit braucht angesichts der nordamerikanischen Dominanz Freunde wie Rußland.« Die Stellungnahme kam zu einem Zeitpunkt, da Schiffe der russischen Kriegsmarine in venezolanischen Gewässern unterwegs sind. Im November soll in der Karibik ein gemeinsames Manöver stattfinden, an dem bis zu tausend russische Marinesoldaten teilnehmen. Nach bisherigen Informationen will Rußland vier Kriegsschiffe zu der Übung entsenden, unter ihnen den größten atomar angetriebenen Kreuzer »Peter der Große«. Die militärische Zusammenarbeit zwischen Venezuela und Rußland hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Seit 2005 hat die Regierung des südamerikanischen Landes in Moskau Rüstungsgüter für umgerechnet vier Milliarden US-Dollar gekauft.

Nach seinen Aufenthalten in Peking und Moskau wird Chávez in Paris mit Präsident Nicolas Sarkozy zusammenkommen. In Lissabon ist ein Treffen mit dem portugiesischen Ministerpräsidenten José Sócrates geplant.

In Brasilien scheint sich indes Widerstand gegen die venezolanische Außenpolitik zu regen. Nach Angaben der Tageszeitung O Estado de São Paulo herrsche in Brasilia Unmut darüber, »daß Venezuela ganz Lateinamerika in einen Disput zwischen Rußland und den USA verwickelt«. Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva wolle mit Chávez darüber am Rande des kommenden Treffens der Union der süd­amerikanischen Staaten (Unasur) sprechen.

* Aus: junge Welt, 23. September 2008


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