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Im Sinne Castros und Chavez'

Kuba und Venezuela sprechen sich für Vertiefung der Kooperation aus

Von Leo Burghardt, Havanna *

Die gemeinsame kubanisch-venezolanische Regierungskommission hat wieder getagt – zum 13. Mal seit jenem denkwürdigen 30. Oktober 2000, als Fídel Castro und Hugo Chávez als »Pioniere der Zusammenarbeit« die ersten Verträge unterzeichneten.

Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hatte seine Minister begleitet, »um von Havanna aus die Welt zu informieren, dass die neue Etappe unserer Beziehungen zu Kuba und den Nachbarn in Lateinamerika und der Karibik auch in Zukunft gestaltet wird, wie sie seit Anbeginn der bolivarianischen Revolution konzipiert« sei.

Diese 13. Tagung beschloss, dass beide Länder weiteren 51 Projekten in den Bereichen Volksbildung, Kultur, Sport, Petrochemie, Gesundheit, Energie, Fernmeldewesen und Schiffbau ihre Aufmerksamkeit widmen – im Sinne eines Gedankens von Fidel Castro, wonach Solidarität nicht bedeute zu geben, was übrig ist, sondern zu teilen, was man hat. Zugleich wurde das Vermächtnis des verstorbenen venezolanischen Präsidenten beschworen: Einheit über allem!

Auch während der kommenden zwölf Monate werden beide Seiten die Begründer der beispiellosen Kooperation – Castro und Chávez – würdigen, indem sie den sozialen Programmen Priorität einräumen. Der Venezolaner hatte dafür innerhalb seiner relativ kurzen Regierungszeit sagenhafte 400 Milliarden Dollar investiert. Das geht aus einer UNO-Recherche hervor. Allein 2011 und 2012 erhielten 228 000 Bedürftige Neubauwohnraum, und das in einem Land, dessen Regierung von 1978 bis 1990 200 Millionen Dollar aus dem Staatshaushalt beiseite schaffte. »Einfach weg sind sie«, enthüllte einst fassungslos der neue Präsident Chávez.

40 000 kubanische Ärzte und anderes medizinisches Personal haben seit 2002 574 Millionen mal Patienten betreut, fast alle aus dem Landesinneren und den Armenvierteln der Städte. Vorher hatten diese nie einen Arzt auch nur zu Gesicht bekommen. In wenigen Jahren wurden 676 000 Venezolaner, die anderenfalls ihr Augenlicht verloren hätten, operativ vom Grauen Star kuriert, zigtausend wurden dafür nach Kuba geflogen. Ein britischer Diplomat sagte dazu einmal laut der Agentur Reuters bewundernd: »Den Blinden oder von Blindheit Bedrohten das Sehvermögen wieder zu geben, hat beinahe biblische Ausmaße«.

In Zusammenarbeit mit Kuba wurden bis März 6712 Arztpraxen und 1144 Polikliniken errichtet, ausgestattet und besetzt. Kubanische Pädagogen lehrten 765 261 Analphabeten Lesen und Schreiben. 10 000 junge Venezolaner erhielten auf der Lateinamerikanischen Hochschule für Medizin in Havanna Studienplätze. Es entstanden gemischte Unternehmen in den Bereichen Bau, Bergbau, Schiffbau, Tourismus, Informatik und Petrochemie. Die große kubanisch-venezolanische Raffinerie in Cienfuegos verarbeitet täglich 65 000 Fass Erdöl (7,2 Fass entsprechen einer Tonne). Das ist nicht alles, was Kuba einbringt, aber es ist das Sichtbarste.

Trotzdem lärmt der venezolanische Oppositionsführer Henrique Capriles, er werde Kuba keinen Tropfen Erdöl mehr schenken und damit das Regime der Brüder Castro finanzieren. Fast wörtlich verlangte das auch die Sprecherin der kubanischen »Damen in Weiß« Berta Soler. Ist es da nicht verständlich, dass die Kubaner mit diesen Damen nichts im Sinn haben? Denn ein Stopp der venezolanischen Erdöllieferungen würde Kuba tatsächlich auf seinem Weg »zu einem nachhaltigen, florierenden Sozialismus« – das war eine 1. Mai-Losung – bremsen.

Venezuela liefert Kuba täglich 1300 Tonnen Erdöl zu einem festen Preis. Das ist knapp die Hälfte seines Bedarfs. Der Importeur zahlt kurzfristig 60 Prozent des vereinbarten Preises, der unter dem Weltmarktpreis liegt. Die restlichen 40 Prozent werden innerhalb von 17 Jahren bei einem Zinssatz von einem Prozent beglichen.

Mit 300 Milliarden Fass nachgewiesenen Reserven ist Venezuela weltweit vor Saudi-Arabien die Nummer 1. Chávez, um lateinamerikanische Einheit und Solidarität bemüht, rief unter anderem Petrocaribe ins Leben, in dessen Rahmen sich Venezuela verpflichtet, den 16 karibischen Nationen zu günstigen Bedingungen Erdöl zu liefern. 2005 erhielten über die in den USA operierende staatseigene venezolanische Tankstellenkette Citgo zwei Millionen arme US-Amerikaner 860 Millionen Liter Heizöl gratis. Vermittler war die Citizens Energy Corporation von Joe Patrick Kennedy II., Neffe von John F. 2012 konnten sich 200 Familien an einem ähnlichen Schub erfreuen, nachdem Washington seine Heizungssubventionen für die Armen um 25 Prozent gekürzt hatte.

* Aus: neues deutschland, Montag, 27. Mai 2013


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