Offener Schlagabtausch zwischen Uribe und Chávez
Beziehungen Venezuela-Kolumbien "in der Tiefkühltruhe"
Von Tommy Ramm, Bogotá *>
Trotz scharfer ideologischer Gegensätze pflegten Venezuelas Präsident Hugo Chávez und sein
kolumbianischer Kollege Álvaro Uribe Vélez bisher gute diplomatische Beziehungen zueinander.
Doch damit scheint nun Schluss zu sein.
Am vergangenen Sonntag (25. November) verkündete Hugo Chávez: »Ich erkläre der Welt, dass ich die Beziehungen zu Kolumbien in eine Tiefkühltruhe lege.« Álvaro Uribe wiederum warf dem Venezolaner vor, »den Terrorismus zu legitimieren«.
Der Streit begann, nachdem Uribe seinen Kollegen Chávez am vergangenen Mittwoch aufgefordert
hatte, sich aus den Verhandlungen um einen Gefangenenaustausch im innerkolumbianischen
Konflikt zurückzuziehen. Der venezolanische Präsident hatte seit August versucht, einen Austausch
von 45 Entführten, die sich in der Gewalt der FARC-Guerilla befinden, gegen inhaftierte Rebellen zu
vermitteln. Zuletzt erörterte Chávez in einem kurzen Telefongespräch mit dem kolumbianischen
Armeechef Mario Montoya die Möglichkeit zur Schaffung einer entmilitarisierten Zone auf
kolumbianischem Territorium. Dort wollte er sich zu direkten Gesprächen mit FARC-Chef Manuel
Marulanda treffen. Uribe aber hatte seinem Nachbarn solche Kontakte untersagt. Umgehend
erkannte er Chávez also die Vermittlerrolle ab – womit eine Lösung der Geiselkrise wieder in weite
Ferne rückt.
Zunächst schien Venezuela die Entscheidung des kolumbianischen Präsidenten jedoch zu
akzeptieren. Am Wochenende aber verschärfte sich der Ton. »Sie haben uns brutal ins Gesicht
gespuckt, während wir mit Herz und Seele versuchten, sie auf die Straße des Friedens zu bringen«,
erklärte Chávez auf einer Veranstaltung nahe der kolumbianischen Grenze. »Ich glaube in der
kolumbianischen Regierung niemandem mehr«, fuhr er fort, Kolumbien sei eines besseren
Präsidenten würdig. Uribe jedenfalls sei an einem Verhandlungsfrieden nicht interessiert, denn er
werde von Interessengruppen beeinflusst, die auf eine Fortführung des jahrzehntelangen Krieges
setzen.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Uribe warf Chávez vor, ein expansionistisches Projekt
auf dem Kontinent vorantreiben zu wollen. »Sie können diesen Kontinent nicht malträtieren und
immerzu vom Imperialismus reden, wenn sie selbst auf Basis ihres Ölgeldes hier ein Imperium
aufbauen wollen«, konterte der kolumbianische Präsident. In der Geiselkrise brauche man Vermittler
»und keine Leute, die versuchen, den Terrorismus zu legitimieren«. Chávez' Worte und Haltung
legten nahe, dass ihm gar nicht an Frieden in Kolumbien gelegen sei, sondern dass er das Land
zum Opfer einer »terroristischen Regierung« der FARC-Rebellen machen wolle, sagte Uribe am
Montag.
Als Beleg verwies er auf ein Treffen der oppositionellen kolumbianischen Abgeordneten Piedad
Cordoba mit einem inhaftierten FARC-Rebellen. Dabei soll das Thema einer Übergangsregierung
angeschnitten worden sein. »Wir haben deshalb das Recht, diese Schritte als Versuch zu
interpretieren, in Kolumbien eine vom Terrorismus beeinflusste Regierung zu schaffen«, behauptete
der Präsident.
Piedad Cordoba war im August von seiner eigenen Regierung zur Vermittlerin ernannt worden. Nun
soll sie aber offenbar juristisch belangt werden. Das Verfassungsgericht habe ihr mitgeteilt, dass sie
eine Anklage wegen Vaterlandsverrat zu gewärtigen habe, erklärte die Politikerin. Vorgeworfen
werde ihr, die lateinamerikanischen Staaten Anfang des Jahres auf einem Forum in Mexiko zur
Unterbrechung ihrer Beziehungen zur kolumbianischen Regierung aufgerufen zu haben. Das werde
nun vom Gericht überprüft.
Cordoba gibt sich jedoch gelassen und bemüht sich um Schadensbegrenzung. Weder Venezuela
noch Kolumbien helfe es, wenn Chávez jetzt die Botschaft in Bogotá schließen würde, erklärte sie.
Allerdings ist bis jetzt nicht klar, ob Caracas eine Schließung der Botschaft oder eine zeitlich
begrenzte Abberufung des Botschafters beabsichtigt. Die nächsten Tage werden Aufschluss darüber
bringen, wie tief die Kluft zwischen beiden Staaten und ihren Präsidenten ist.
* Aus: Neues Deutschland, 27. November 2007
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