Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Offener Schlagabtausch zwischen Uribe und Chávez

Beziehungen Venezuela-Kolumbien "in der Tiefkühltruhe"

Von Tommy Ramm, Bogotá *>

Trotz scharfer ideologischer Gegensätze pflegten Venezuelas Präsident Hugo Chávez und sein kolumbianischer Kollege Álvaro Uribe Vélez bisher gute diplomatische Beziehungen zueinander. Doch damit scheint nun Schluss zu sein.

Am vergangenen Sonntag (25. November) verkündete Hugo Chávez: »Ich erkläre der Welt, dass ich die Beziehungen zu Kolumbien in eine Tiefkühltruhe lege.« Álvaro Uribe wiederum warf dem Venezolaner vor, »den Terrorismus zu legitimieren«.

Der Streit begann, nachdem Uribe seinen Kollegen Chávez am vergangenen Mittwoch aufgefordert hatte, sich aus den Verhandlungen um einen Gefangenenaustausch im innerkolumbianischen Konflikt zurückzuziehen. Der venezolanische Präsident hatte seit August versucht, einen Austausch von 45 Entführten, die sich in der Gewalt der FARC-Guerilla befinden, gegen inhaftierte Rebellen zu vermitteln. Zuletzt erörterte Chávez in einem kurzen Telefongespräch mit dem kolumbianischen Armeechef Mario Montoya die Möglichkeit zur Schaffung einer entmilitarisierten Zone auf kolumbianischem Territorium. Dort wollte er sich zu direkten Gesprächen mit FARC-Chef Manuel Marulanda treffen. Uribe aber hatte seinem Nachbarn solche Kontakte untersagt. Umgehend erkannte er Chávez also die Vermittlerrolle ab – womit eine Lösung der Geiselkrise wieder in weite Ferne rückt.

Zunächst schien Venezuela die Entscheidung des kolumbianischen Präsidenten jedoch zu akzeptieren. Am Wochenende aber verschärfte sich der Ton. »Sie haben uns brutal ins Gesicht gespuckt, während wir mit Herz und Seele versuchten, sie auf die Straße des Friedens zu bringen«, erklärte Chávez auf einer Veranstaltung nahe der kolumbianischen Grenze. »Ich glaube in der kolumbianischen Regierung niemandem mehr«, fuhr er fort, Kolumbien sei eines besseren Präsidenten würdig. Uribe jedenfalls sei an einem Verhandlungsfrieden nicht interessiert, denn er werde von Interessengruppen beeinflusst, die auf eine Fortführung des jahrzehntelangen Krieges setzen.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Uribe warf Chávez vor, ein expansionistisches Projekt auf dem Kontinent vorantreiben zu wollen. »Sie können diesen Kontinent nicht malträtieren und immerzu vom Imperialismus reden, wenn sie selbst auf Basis ihres Ölgeldes hier ein Imperium aufbauen wollen«, konterte der kolumbianische Präsident. In der Geiselkrise brauche man Vermittler »und keine Leute, die versuchen, den Terrorismus zu legitimieren«. Chávez' Worte und Haltung legten nahe, dass ihm gar nicht an Frieden in Kolumbien gelegen sei, sondern dass er das Land zum Opfer einer »terroristischen Regierung« der FARC-Rebellen machen wolle, sagte Uribe am Montag.

Als Beleg verwies er auf ein Treffen der oppositionellen kolumbianischen Abgeordneten Piedad Cordoba mit einem inhaftierten FARC-Rebellen. Dabei soll das Thema einer Übergangsregierung angeschnitten worden sein. »Wir haben deshalb das Recht, diese Schritte als Versuch zu interpretieren, in Kolumbien eine vom Terrorismus beeinflusste Regierung zu schaffen«, behauptete der Präsident.

Piedad Cordoba war im August von seiner eigenen Regierung zur Vermittlerin ernannt worden. Nun soll sie aber offenbar juristisch belangt werden. Das Verfassungsgericht habe ihr mitgeteilt, dass sie eine Anklage wegen Vaterlandsverrat zu gewärtigen habe, erklärte die Politikerin. Vorgeworfen werde ihr, die lateinamerikanischen Staaten Anfang des Jahres auf einem Forum in Mexiko zur Unterbrechung ihrer Beziehungen zur kolumbianischen Regierung aufgerufen zu haben. Das werde nun vom Gericht überprüft.

Cordoba gibt sich jedoch gelassen und bemüht sich um Schadensbegrenzung. Weder Venezuela noch Kolumbien helfe es, wenn Chávez jetzt die Botschaft in Bogotá schließen würde, erklärte sie. Allerdings ist bis jetzt nicht klar, ob Caracas eine Schließung der Botschaft oder eine zeitlich begrenzte Abberufung des Botschafters beabsichtigt. Die nächsten Tage werden Aufschluss darüber bringen, wie tief die Kluft zwischen beiden Staaten und ihren Präsidenten ist.

* Aus: Neues Deutschland, 27. November 2007


Zurück zur Venezuela-Seite

Zur Kolumbien-Seite

Zurück zur Homepage