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Neue Mannschaft für Maduro

Venezuelas Präsident stellt sein Kabinett vor: Junge Gesichter und erfahrene Minister

Von André Scheer *

Eine Mischung aus »weiter so« und neuen Gesichtern ist das Regierungskabinett, das Venezuelas Präsident Nicolás Maduro am Sonntag abend (Ortszeit) in einer über alle Rundfunk- und Fernsehsender des südamerikanischen Landes ausgestrahlten Ansprache vorstellte. 31 Ministerinnen und Minister umfaßt die Mannschaft, knapp ein Drittel sind Frauen.

Maduro übernahm die Hälfte der noch von Hugo Chávez ernannten Minister ohne Veränderung, so Erdölminister Rafael Ramírez, Außenminister Elías Jaua, den von der Opposition besonders scharf attackierten Verteidigungsminister Diego Molero und Vizepräsident Jorge Arreaza. Drei Minister übernehmen neue Geschäftsbereiche, so der 30jährige Héctor Rodríguez, der vom Sport- in das Jugendressort wechselt.

Mit Spannung erwartet worden war jedoch, welche neuen Gesichter Platz im Kabinett finden würden. Neben »Rückkehrern« wie den beiden früheren Informationsministern Andrés Izarra, der künftig für den Tourismus zuständig ist, und Jesse Chacón, der sich als Minister für Elektrizität um die Sicherung der bislang unzuverlässigen Stromversorgung kümmern soll, sind es vor allem junge Politiker, die in die erste Reihe aufrücken. So die erst 25 Jahre alte Andreína Tarazón, die das Frauenministerium übernimmt. Sie gehört zu den Aktivisten, die praktisch mit der Bolivarischen Revolution aufgewachsen sind. Als 1999 die Verfassunggebende Versammlung tagte, war sie zwölf Jahre alt. »Damals war ich in der sechsten Klasse und bat meine Mama, daß sie mich auf einer anderen Schule anmeldet, weil meine Lehrerin Escuálida (Oppositionelle) war«, berichtete sie 2010 der Tageszeitung Ciudad CCS. Damals war die aus einem linken Elternhaus stammende Frau die jüngste Kandidatin der Vereinten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) für die Nationalversammlung. Als ein sie prägendes Ereignis bezeichnete sie damals die Weltfestspiele der Jugend und Studenten 2005 in Caracas, an denen sie als venezolanische Delegierte teilnehmen konnte.

Die 32jährige Alejandra Benítez ist den Venezolanern bislang vor allem als Fechterin bei den Olympischen Spielen in Athen, Peking und London bekannt gewesen, nun übernimmt sie das Sportministerium. Seit Mai vergangenen Jahres gehörte sie bereits als Nachrückerin der sozialistischen Fraktion in der venezolanischen Nationalversammlung an.

Stärkeres Gewicht wird in der neuen Regierung der Finanzbereich bekommen. Das bisherige Ministerium für Planung und Finanzen wurde aufgeteilt, der anerkannte Wirtschaftsexperte Jorge Giordani bleibt für die Planung zuständig, während der bisherige Zentralbankchef Nelson Merentes neuer Finanzminister wird. Dieses Amt hatte er bereits zwischen 2004 und 2007 innegehabt, doch nun stellt ihm Präsident Maduro Aufgaben, die für die Zukunft des revolutionären Prozesses entscheidend sein können: »Wir müssen die Ökonomie lenken, eine Verringerung der Inflation erreichen und die Spekulation kontrollieren«.

Zunächst einmal jedoch muß sich das Kabinett offenbar auf Reisen begeben. Für den gestrigen Montag hatte Maduro den Beginn seiner »Regierung auf der Straße« angekündigt. Er wolle das ganz Land durchreisen, um sich in jedem Bundesstaat eine Woche lang aus erster Hand ein Bild von der Lage und den Problemen vor Ort zu machen, hatte er im Wahlkampf erklärt. Sollte er dieses Vorhaben direkt umsetzen wollen, müßte sein Kabinett ein halbes Jahr lang aus Koffern leben.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 23. April 2013


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